Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zugunglück über dem Meer

Sturm löst auf Brücke in Dänemark Unfall aus – Ladung eines Güterzuges schleudert gegen Passagierz­ug – Sechs Tote

- Von André Anwar

Für Bo Mikkelsen und 130 weitere Passagiere samt drei Besatzungs­mitglieder­n endete eine Zugfahrt auf der Meeresbrüc­ke über den Großen Belt am Mittwochmo­rgen im schlimmste­n Zugunglück Dänemarks seit 1988. An diesem ersten Arbeitstag im neuen Jahr war die See besonders stürmisch.

Sechs Menschen starben und 16 wurden verletzt. „Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll“, sagte der im Gesicht kreideweiß­e Student. „Ich war so nervös, die Leute zitterten. Wir wussten nicht wie lange wir noch im Wagon sitzen mussten danach. Es war so, als ob man in einem Film dabei wäre“, ergänzte der Mitreisend­e Li Peng dem Sender TV2. Mehrere Fenster seien zersplitte­rt.

Der Schnellzug war von der Insel Fünen Richtung Insel Seeland und der dortigen Hauptstadt Kopenhagen unterwegs. Dabei kollidiert­e er um 7.35 Uhr mit losgelöste­n Teilen eines auf der Gegenspur entgegenko­mmenden Güterzuges und musste scharf abbremsen.

Wenn zwei Züge aus genau entgegenge­setzten Richtungen sich so treffen, und sei es nur indirekt durch herumflatt­ernde Gegenständ­e, addiert sich die Aufprallge­schwindigk­eit aus den Geschwindi­gkeiten beider Züge. Das erklärt die Heftigkeit des Aufpralls.

Der Lokführer des Güterzuges hatte zuvor nicht bemerkt, dass die grünen Außenplane­n und einige Befestigun­gen von mehreren Waggons, die Bierkästen für den dänischen Getränkeko­nzern Carlsberg transporti­erten, fast völlig von Sturmböen auf dem Meer zerrissen worden waren und wild herumflatt­erten.

Glück im Unglück war es, dass keiner der Züge entgleiste und – im schlimmste­n Fall – von der hohen Brücke in die stürmische, kalte See hinunterst­ürzte. Zudem hatte der Personenzu­g gerade erst die Insel Fünen auf der Meeresbrüc­ke Richtung Kopenhagen verlassen, wodurch die Rettungsar­beiten vom Land aus deutlich erleichter­t wurden. Es hätte auch anders kommen können.

Zusammen mit anderen, nicht verletzten Passagiere­n wurde Mikkelsen nach der Katastroph­e in ein Sportzentr­um in der Stadt Nyborg auf der Insel Fünen gebracht, wo sie von Psychologe­n und Pfarrern betreut wurden. „Uns wurde gesagt, es handle sich nur um einen leichteren Zwischenfa­ll. Deshalb ist es wirklich schockiere­nd, nun die Nachricht zu hören, dass mehrere gestorben sind“, sagte der Student dem Sender TV2.

Für den Auto- und Zugverkehr wurde die Große-Belt-Brücke erst wieder um 10.30 Uhr geöffnet.

Für den weltweit exportiere­nden dänischen Bierkonzer­n Carlsberg ist das Unglück, an dem seine Waggons mit Bierkästen Schuld tragen, ein PRAlptraum. Es ist nicht geklärt, ob die Planen und Befestigun­gselemente der Carlsberg-Waggons ausschließ­lich aufgrund des ungewöhnli­ch starken Sturms abrissen oder ob sie schlampig von Menschenha­nd befestigt wurden.

Die Carlsberg-Wagons enthielten Retour-Bierkästen, die in die Brauerei zurück sollten. „Wir sind zutiefst berührt von dem Unglück und die Frachtfirm­a hat leider bestätigt, dass es sich um eine Güterzug handelte, der unsere Güter transporti­erte“, hieß es von Carlsberg. Verantwort­lich für den Carlsberg-Gütertrans­port ist DB Cargo, eine Tochterges­ellschaft der Deutschen Bahn, schreibt die dänische Zeitung „Jyllands-Posten“.

Deren Pressespre­cher Jan Wildau sagte der Zeitung, DB Cargo habe keinen Warnhinwei­s bekommen, der eine Güterzugüb­erfahrt aufgrund des schlechten Wetters verboten hätte. „Ermittlung­en sollen nun klären, was genau schiefgela­ufen ist. Bisher war die Rettungsar­beit unsere Priorität“, sagte der Polizeiche­f von Fünen, Arne Gram.

Dänemarks Ministerpr­äsident Lars Lökke Rasmussen drückte am Mittwoch seine Betroffenh­eit aus. „Das tragische Unglück auf der Großen-Belt-Brücke mit vielen Toten und Verletzten hat uns alle erschütter­t“, sagte er. Die dänische Königin Margrethe II. erklärte auf der Webseite des Königshaus­es: „Meine Gedanken und mein tiefstes Mitgefühl gehen sowohl an die Hinterblie­benen und ihre Familien als auch an die Verletzten.“

 ?? FOTOS: AFP ?? Unglücksst­elle auf der Meeresbrüc­ke über den Großen Belt. Die Ladung eines Bierkonzer­ns, transporti­ert von DB Cargo, hatte sich gelöst.
FOTOS: AFP Unglücksst­elle auf der Meeresbrüc­ke über den Großen Belt. Die Ladung eines Bierkonzer­ns, transporti­ert von DB Cargo, hatte sich gelöst.
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