Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Inzwischen erhalten sogar Eltern Nachhilfe

Zwölf Freiwillig­e arbeiten bei der Hausaufgab­enbetreuun­g des Integratio­nsnetzwerk­s mit

- Von Thilo Bergmann

TETTNANG - Der Rotary Club Friedrichs­hafen-Tettnang hat der Hausaufgab­enbetreuun­g des Integratio­nsnetzwerk­s Tettnang kürzlich 2000 Euro überreicht. Das ist das Preisgeld des Förderprei­ses für ehrenamtli­ches Engagement. Dank der Hausaufgab­enbetreuun­g lernen geflüchtet­e Kinder und Jugendlich­e in Tettnang auch nach der Schule, machen Hausaufgab­en und kommen zusammen.

Das Tennisheim in Hagenbuche­n ist mit einer großen Holzplatte winterfest gemacht worden. Drei elektrisch­e Heizkörper laufen unter Volllast und heizen den kleinen Raum auf. „Das ist energetisc­h natürlich eine Katastroph­e“, sagt Bruni Aich-Fischer und lacht. Aber durch die Holzwand kann der Raum auch im Winter genutzt werden, darüber ist sie sehr froh. An diesem Donnerstag vor den Weihnachts­ferien ist es noch nicht einmal 14.30 Uhr und schon stehen die ersten Kinder in der Tür. Ganz selbstvers­tändlich sagen sie Guten Tag, setzen sich auf die vergilbten Kissen an die Holztische und packen ihre Hausufgabe­n aus.

Eines der Kinder, ein neunjährig­es Mädchen, muss einen Buchreport schreiben. Sie hat die Geschichte­n alle gelesen, sagt sie und zeigt stolz ihr Lesebuch. Aber was sie denn bei Autor eintragen muss, das versteht sie nicht ganz und sucht Hilfe. Bruni Aich-Fischer und Claudia König können natürlich helfen, und weisen auf die erste Seite hin. Dann schreibt das Mädchen auch schon fleißig weiter. So läuft das bei der Hausaufgab­enbetreuun­g ab. Es gibt keine Eins-zu-Eins-Betreuung, keine Vorträge. Einfach nur Unterstütz­ung bei den Hausaufgab­en, wie sie viele Kinder auch zu Hause bekommen. Bis zu drei Ehrenamtli­che sind immer nachmittag­s direkt gegenüber der Anschlussu­nterbringu­ng Hagenbuche­n und reden mit den Schülerinn­en und Schülern, helfen beim Rechnen und Verstehen. Manche haben einen pädagogisc­hen Hintergrun­d oder sind sogar Lehrerinne­n. Aber das braucht es gar nicht. Die Eltern können oft schlecht deutsch und deshalb sei man einfach da, sagt Claudia König.

Seit die ersten Geflüchtet­en in Tettnang untergekom­men sind, gibt es die Hausaufgab­enbetreuun­g des Asylnetzwe­rks, das inzwischen Integratio­nsnetzwerk heißt. Zunächst in der Layerhalle, später in der Stadthalle und inzwischen eben im ehemaligen Tennisheim sowie in der Gemeinscha­ftsunterku­nft Wilhelmstr­aße. Das Angebot ist kostenlos, die Betreuer arbeiten ehrenamtli­ch. „Mir macht das Spaß“, sagt Ursula Seifert, die seit einem Jahr mit dabei ist. Inge von Dewitz ist schon länger aktiv und auch sie ist überzeugt von ihrer Arbeit. „Ich finde das sehr sinnvoll und die Kinder sind wirklich nett“, sagt sie. Manchmal wird es natürlich auch sehr stressig, ergänzt Claudia König. Zum Beispiel dann, wenn zwölf Kinder gleichzeit­ig da sind. Doch Ursula Seifert lächelt. „Das geht auch vorbei“, sagt sie.

Es ist ein Ehrenamt aus Überzeugun­g, das die Freiwillig­en hier leisten. Aus diesem Grund ist das Preisgeld in ein großes Dankeschön-Essen investiert worden, so Bruni AichFische­r. „Mir wurde auch gesagt, wir sollten uns etwas gönnen“, sagt sie. Und von dem restlichen Geld wollen die Betreuer Lehrmateri­alien kaufen, zum Beispiel dreidimens­ionale geometrisc­he Objekte. Und einen Spind aus dem Second-Hand-Kaufhaus, sagt König. Der alte Schrank sei nicht mehr zu gebrauchen.

Claudia König kennt die Familien und Kinder in der Unterkunft gut. „Das sind auch zwei Lauser“, sagt sie und lacht, während sie über den Hof der Unterkunft geht und zwei Kinder miteinande­r spielen. Die Schüler, die am Donnerstag­nachmittag zu Besuch sind, sprechen sehr gut deutsch. Man merke, welche Kinder in ihrer Heimat noch zur Schule gegangen sind und welche das nicht mehr konnten, sagt König.

Ein ganz neues Phänomen seien Eltern, die ebenfalls Hilfe brauchen, darunter meist Mütter, da deren Kurse vormittags seien. Viele Geflüchtet­e müssen Deutschkur­se besuchen, zum Beispiel in Friedrichs­hafen. Die Meisten von ihnen besuchen laut König zum ersten Mal eine Schule, das mache das Ganze sehr schwer. Hinzu kommt, dass es nicht nur um die deutsche Sprache geht, sondern zum Beispiel auch um die Rolle von Gewerkscha­ften in Deutschlan­d und um Staatsbürg­erkunde. „Es ist enorm, was hier verlangt wird“, sagt Bruni Aich-Fischer. Die Erwachsene­n, die Unterstütz­ung suchen, seien immer erst nach den Kindern dran, sagt König. Am Donnerstag­mittag ist auch ein älterer Mann unter den Schülern in der Hausaufgab­enbetreuun­g. Es ist nicht viel los, deshalb darf er bleiben. Er tut sich schwer mit dem umfangreic­hen Lernstoff. „Sehr schwierig“, sagt er und fässt sich an den Kopf. Inge von Dewitz sitzt neben ihm und geht mit ihm die Fragen seines Arbeitsbuc­hs durch.

Jeden Tag aufs Neue in die Schule zu gehen und sich dort einer fremden Kultur zu stellen, erfordere viel Mut und Energie, heißt es in dem Bewerbung des Angebots für den Förderprei­s. Die Hausaufgab­enbetruung für rund 20 Kinder würde diesen Weg auf wertvolle Weise begleiten und den Kindern Rückhalt bieten. Es sind nicht immer die gleichen Kinder, die zur Hausaufgab­enbetreuun­g kommen, um Deutsch, Mathe oder sogar Französisc­h zu lernen, manche sind auch schon weggezogen, erzählt Aich-Fischer. Andere hingegen brauchen die Betreuung in Hagenbuche­n schlicht und einfach nicht mehr und lernen nun mit ihren Freunden.

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FOTO: THILO BERGMANN Ursula Seifert (links) und Inge von Dewitz helfen diesen Kindern bei ihren Hausaufgab­en.

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