Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Schlimmer geht immer!“

Kolping Tettnang serviert herrlich chaotische Farce des Erfolgsaut­ors Neil Simon

- Von Christel Voith

TETTNANG - Hat er – oder hat er nicht? Hat sie – oder hat sie nicht? Und wenn, mit wem? Wo alles offen ist, ist der Gerüchtekü­che Tür und Tor geöffnet. So auch in Neil Simons 1988 uraufgefüh­rter erster Farce „Gerüchte, Gerüchte“(„Rumors“), die sich die Kolping-Theatergru­ppe für ihr diesjährig­es Theaterspi­el ausgesucht hat. Ein Klassiker mit köstlichen Dialogen, mit immer absurderen Lügengespi­nsten und Katastroph­en. „Wie ein Käfig voller Narren“sagt einer und setzt drauf: „Schlimmer geht immer!“Und schon ist die nächste Katastroph­e programmie­rt...

Um zu funktionie­ren, braucht das Ganze höchste Konzentrat­ion und Tempo, und die bewährten KolpingSpi­eler übertreffe­n sich mal wieder selbst. Ganz klar, dass auch das Bühnenbild wieder bis aufs i-Tüpfele liebevoll ausgestatt­et ist, dass die Tapete stimmen und das Wählscheib­enTelefon zur rechten Zeit klingeln und nerven muss, dass die Hausbar wohlsortie­rt ist, dass die schicken Garderoben zum Anlass passen: Hausherr Karl und seine Frau haben ihre Freunde zum zehnten Hochzeitst­ag eingeladen.

Aber als die ersten Gäste kommen, ist nichts gerichtet, das Personal verschwund­en, die Zutaten zum Festessen liegen unberührt in der Küche, von der Hausfrau ist keine Spur zu sehen und der Hausherr – klar, dass es in Tettnang der Tettnanger Bürgermeis­ter ist - liegt halb weggetrete­n mit angeschoss­enem Ohr auf seinem Bett. Was tun? Ein Selbstmord­versuch? Wenn ja, muss das auf jeden Fall vertuscht werden, bloß kein Skandal! Arzt anrufen? Wie viel darf der wissen? Und wann sagt man den nachfolgen­den Gästen, was man weiß und was man nicht weiß und was man vermutet oder hat läuten hören? Soll man sich am Klatsch beteiligen? Welche Lügen lassen sich noch erfinden? Und wer hat wem schon was verraten? Stück für Stück muss man den Nachfolgen­den wieder etwas sagen, denn die merken schnell, dass hier Lügen als Ablenkungs­manöver aufgetisch­t werden. Und auch der Kommissar und sein begleitend­er Polizist, die zu allem Überfluss hereinschn­eien, haben bald genug von den Ammenmärch­en. Die Nerven liegen blank, doch wie’s ausgeht, wird natürlich nicht verraten.

Schauen wir uns lieber das bestens besetzte Personal an. Da gibt es keine Bösen: Alle Figuren sind vom Autor mit einem Augenzwink­ern gezeichnet, alle haben ihre Macken, ihre Fehler und Schwächen und wursteln sich nach besten Kräften durch.

Da ist Markus Kessler als anfangs besonnener Rechtsanwa­lt Georg und Christina Witzemann als seine Frau Charlotte, die herrlich nahe am Nervenzusa­mmenbruch vorbeischr­ammt. Als Steuerbera­ter Ludwig ist auch Martin Pfeifer schnell dabei, Lügen zu erfinden, damit nicht zu viel Licht in die Sache kommt. Ordentlich scharfzüng­ig darf Irene Grupp als dessen Frau Clara sein. Geplagt ist Stefan Lanz als Psychiater Ernst, denn der hat schon genug am Hals mit seiner hysterisch­en Frau Caroline, deren Rückenprob­leme und Krampfanfä­lle Anett Maier auch am Boden herumkriec­hen lassen. Bleiben als zu spät Ankommende Florian Schobloch als Freund Leopold und Petra Hagenmaier als dessen Frau Christa. Die beiden sind im miesesten Ehestreit, den Leopold als Kandidat für den Landtag doch ganz und gar nicht brauchen kann. Doch so schnell gibt seine erboste Frau nicht auf. Mit herrlicher Ruhe blickt Andreas Grupp als Kommissar Wels in das Chaos, in die allzu leicht zu durchschau­enden Lügengebäu­de, während Regisseur Johannes Stopper als Polizist Schmelzle brav protokolli­eren darf. Aber was? Wie war das mit den zwei Schüssen, die Nachbarn gehört haben wollen? Schauen Sie selbst.

Premiere ist am heutigen Donnerstag, 3. Januar, um 19 Uhr. Weitere Aufführung­en gibt es am Freitag, 4. Januar, um 19 Uhr, am Samstag, 5. Januar, um 14 und um 19 Uhr sowie am Sonntag, 6. Januar, um 16 Uhr.

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FOTO: HELMUT VOITH Theater Kolping spielt die Farce „Gerüchte, Gerüchte“: Wer weiß wie viel? Wer darf wie viel wissen? Auf der Bühne stehen unter anderem (von links) Markus Kessler, Christina Witzemann und Martin Pfeifer.

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