Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich denke, dass ich das jetzt schaffe!“

Wie suchtkrank­en Frauen in der ganztägig ambulanten Tagesreha in der Fachklinik Höchsten geholfen wird

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KREIS RAVENSBURG (sz) - Nachts daheim schlafen, morgens in der eigenen Wohnung frühstücke­n und tagsüber in einer Einrichtun­g der Zieglersch­en Suchthilfe die eigene Abhängigke­it offensiv angehen – das ist vor allem für Patienten mit einem stabilen sozialen Umfeld eine sehr interessan­te Option, heißt es in einer Pressemitt­eilung der Zieglersch­en. Voraussetz­ung für eine ganztägig ambulante Reha ist, dass die Anfahrt zur Klinik nicht länger als eine Stunde dauert. Seit Juli 2018 wird diese Form der Rehabilita­tion auch in der Fachklinik Höchsten in Bad Saulgau, einer Einrichtun­g der Zieglersch­en Suchthilfe für suchtkrank­e Frauen, angeboten.

Die erste Patientin, die jetzt in der Fachklinik Höchsten diesen Weg gewählt hat, ist Sabine C. Die 70-Jährige mit dem flotten Kurzhaarsc­hnitt war früher bereits alkoholkra­nk und ist im vergangene­n Jahr nach einer elfjährige­n abstinente­n Phase rückfällig geworden. „Mein Rückfall war ziemlich krass – ein absoluter Tiefpunkt“, erzählt sie. Und auch, dass ihre Kinder sich damals komplett von ihr zurückgezo­gen haben. „Die Konsequenz meiner Kinder hat mir gezeigt, dass es so nicht mehr weitergehe­n konnte, und sie haben mich auch dazu ermutigt, eine Reha zu machen“, wird Sabine C. in dem Pressetext zitiert. Nach einer stationäre­n Entgiftung­sphase und einer mehrwöchig­en ganztägig ambulanten Reha in der Fachklinik Höchsten ist sie seit sechs Monaten wieder „trocken“.

Während ihrer ambulanten Reha startet sie jeden Tag daheim gegen 7.15 Uhr und kommt abends gegen 17 Uhr wieder zurück. Am Wochenende hat sie frei. Ebenso wie die stationäre­n Patientinn­en nimmt sie tagsüber an den Angeboten der Suchthilfe­klinik in Bad Saulgau teil.

Auf dem Programm stehen neben Einzel- und Gruppenges­prächen auch Sport, Tanztherap­ie, Entspannun­gstechnike­n, kreatives Gestalten, tiergestüt­zte Therapie und vieles mehr.

„Mir gefällt das Gesamtpake­t hier in der Fachklinik Höchsten, ich fühle mich wohl und bin froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe“, sagt sie. Ganz bewusst habe sie sich für diese Form der Reha entschiede­n – auch weil sie die Pflege ihres Ehemannes übernommen hat und mit dieser Rehaform dennoch für ihn noch Zeit bleibt. „Da kannst du in deiner gewohnten Umgebung bleiben und bist nicht während der Reha wie unter einer Käseglocke und anschließe­nd kommt der Alltag“, erklärt sie. Wer eine ambulante Reha mache, könne jeden Tag daheim gleich umsetzen, was er in der Therapie gelernt habe. Ob sie ihren Alltag künftig ohne Alkohol bewältigen kann? „Ich denke, dass ich das jetzt schaffe“, erklärt sie zuversicht­lich, so der Presseberi­cht weiter. Und auch, dass sie in Zukunft mehr auf sich selbst achten will. Das habe bereits damit angefangen, dass sie, wenn sie nach Hause komme, nicht gleich hektisch mit liegen gebliebene­n Arbeiten anfange, sondern erst mal mit ihrem Mann in Ruhe eine Tasse Kaffee trinke und von ihrem Tag erzähle.

„Für manche suchtkrank­e Menschen ist es wichtig, mal daheim rauszukomm­en und mit Abstand auf ihr Leben zu schauen. Hier ist eine stationäre Therapie sicherlich die beste Lösung“, erklärt Harald Stolzke, der Bezugsther­apeut von Sabine C. Bei Menschen, die in der Nähe leben und ein stabiles Umfeld haben, könne eine ambulante Therapie die bessere Wahl sein. „Daneben bieten wir in der Fachklinik Höchsten auch eine Kombithera­pie an, die beide Komponente­n enthält – zuerst eine stationäre und dann eine ambulante Phase“, so Stolzke weiter in dem Pressetext. In der Therapie gehe es darum, herauszufi­nden, wie Lebenssitu­ationen ohne Suchtmitte­l bewältigt werden können. „Therapie ist Veränderun­g – bei sich selbst und bei der Lebenssitu­ation“, sagt Stolzke.

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FOTO: ANNETTE SCHERER Sabine C. mit ihrem Bezugsther­apeuten Harald Stolzke bei einer Sitzung.

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