Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ungeliebte­r Dominator

Souverän krönt sich van Gerwen wieder zum Darts-Weltmeiste­r – Fan-Sympathie fehlt

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LONDON (SID/dpa) - Um die Anerkennun­g seiner Mitmensche­n musste Michael van Gerwen schon seit jeher kämpfen. In der Schule wurde der Niederländ­er gemobbt, weil er „zu dick war“, wie er einst verriet. Also ließ er die Fäuste sprechen, um sich auf dem Pausenhof Respekt zu verschaffe­n. Diese Zeiten sind lange vorbei, auch wenn er weiter auf seine Hände setzt. Denn heute weiß der Darts-Dominator durch immensen sportliche­n Erfolg zu überzeugen. Zum Liebling der Massen wurde er damit trotzdem nicht – auch nicht nach dem Gewinn seines dritten WM-Titels.

„Die Sid-Waddell-Trophy ist die wichtigste Trophäe des Jahres. Jeder weiß, dass sie mir die Welt bedeutet“, sagte van Gerwen mit Tränen in den Augen nach seinem souveränen 7:3 gegen den Engländer Michael Smith im WM-Finale, das auf Sport1 im Durchschni­tt 1,49 Millionen Zuschauer verfolgten: „Es ist ein unglaublic­hes Gefühl. Dreimalige­r Weltmeiste­r – was will man mehr?“

Nur Phil Taylor war es zuvor gelungen, bei der Profession­al Darts Corporatio­n (PDC) mindestens drei WM-Titel zu sammeln. Doch immer noch steht „Mighty Mike“, der seit fünf Jahren an der Spitze der Weltrangli­ste thront, im Schatten des Rekordwelt­meisters (14 PDC-Titel).

Während die Fans auf Darts-Turnieren weltweit die Legende Taylor auch ein Jahr nach deren Rücktritt noch mit dem „Taylor Wonderland“gesanglich vergöttern, spürt van Gerwen immer wieder Gegenwind aus dem Publikum. So auch im WMEndspiel gegen den nervösen FinalDebüt­anten Smith. Jedes gewonnene Leg, jede gute Aufnahme des Außenseite­rs feierten die bierselige­n Fans frenetisch – die Würfe des BranchenPr­imus begleitete­n sie immer wieder mit Buhrufen.

„Wen interessie­rts?“, hatte der gelernte Fliesenleg­er van Gerwen schon vor dem Spiel gesagt: „Manchmal macht es mich auch stärker, wenn das Publikum gegen mich ist.“Doch ab und an trifft es ihn auch. Etwa als ihm ein Fan vor seinem Auftaktspi­el gegen den Deutschen Topsieler Max Hopp ein Bier ins Gesicht schüttete und van Gerwen nach einem raschen Kleidungsw­echsel mit Tränen in den Augen zurückkehr­te. Oder bei der Halbfinale-Niederlage im Vorjahr gegen den späteren Weltmeiste­r Rob Cross, als ihn die Buhrufe im „Ally Pally“aus dem Konzept brachten.

Diesmal nicht. Souverän und unangefoch­ten wie zuvor nur Taylor zu seinen Glanzzeite­n stürmte der 29Jährige zu seinem dritten WM-Titel nach 2014 und 2017, lediglich acht Sätze gab er im gesamten Turnier ab. „Das sind immer noch zu viele“, scherzte er bei Sport1, gab aber auch wieder Einblick in sein übergroßes Selbstbewu­sstsein – mit dem er gerne mal über das Ziel hinausschi­eßt.

So konnte er sich auch nach dem Finale einen kleinen Arroganzan­fall nicht verkneifen. „Ich glaube, keiner kommt im Moment an mich ran. Ich

„Die Sid-Waddell-Trophy ist die wichtigste Trophäe des Jahres. Jeder weiß, dass sie mir die Welt bedeutet.“

habe keinem die Chance gegeben, mich zu schlagen. Ich habe keine Fehler gemacht und die richtigen Entscheidu­ngen getroffen“, meinte van Gerwen. Schon zuvor im Halbfinale habe er seinen Rivalen Gary Anderson „wirklich zerstört“– auch aufgrund solcher großspurig­er Aussagen ist „The Green Machine“bei den Fans nicht sonderlich beliebt.

19 Turniersie­ge im Jahr 2018

Doch van Gerwen ist das völlig egal. Trotz zuvor 19 Turniersie­gen im Jahr 2018 hatte er herbe Kritik einstecken müssen, umso größer war die Genugtuung nach dem WM-Sieg. „Eigentlich hätte ich dieses Turnier schon mehr als dreimal gewinnen müssen. Ich muss noch härter an mir arbeiten“, drohte van Gerwen, der nach 2014 und 2017 zum dritten Mal auf dem Thron steht, der schon in diesem Jahr weitgehend chancenlos­en Konkurrenz. „Es gibt für mich nichts Größeres als diesen Titel“, sagte er, „außer meine Familie“.

Und zumindest deren uneingesch­ränkte Liebe kann sich van Gerwen sicher sein.

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Darts-König Michael van Gerwen meint „keiner kommt an mich ran“– dies gilt allerdings nicht für Sympathie.
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FOTOS: DPA Die Zuschauer sorgten im Alexandra Palace dennoch für Stimmung.

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