Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Digitaler Angriff auf Politik und Prominenz
Was über die Tat bekannt ist – und wie es weitergeht: wichtige Antworten zum Datenleck
BERLIN - Unbekannte haben Daten Hunderter Politiker, Journalisten, Künstler und Prominenter im Internet veröffentlicht, zumindest in großen Teilen sind die Informationen echt. Die Bundesregierung teilte am Freitag mit, dass sie den Vorfall „sehr, sehr ernst“nimmt. Im Großen und Ganzen bleiben Innenministerium und Kanzleramt allerdings noch sehr vage. Was dennoch schon bekannt ist: ein Überblick. Wer ist betroffen? ● Einer ersten Sichtung der Datensätze zufolge sind Hunderte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens betroffen, darunter Politiker, Journalisten, Künstler, Youtuber und Moderatoren. Bei den Politikern sind Abgeordnete von Landes-, Bundesund Europaebene vertreten. Auch Bundesminister tauchen auf. Die betroffenen Politiker gehören allen der im Bundestag vertretenen Parteien an, offenbar mit Ausnahme der AfD. Unter den Nicht-Politikern befinden sich unter anderem Moderator Jan Böhmermann und Schauspieler Til Schweiger. Wieso tauchen keine Datensätze ● von AfD-Politikern auf?
Das ist unklar. Der Verdacht liegt nahe, dass die Daten von Hackern ins Netz gestellt wurden, die der politischen Rechten nahestehen. Allerdings kann das auch eine falsche Spur sein, die bewusst gelegt wurde, um den wahren Täter zu vernebeln. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner verurteilte die Aktion: „Der Schutz privater Daten gilt für alle, auch für Politiker und dabei kommt es nicht darauf an, welcher Partei sie angehören.“Was genau wurde veröffentlicht? ● Teils handelt es sich lediglich um berufliche E-Mail-Adressen. Teils geht es aber auch um private Anschriften, Handynummern, Schriftwechsel und Familienfotos. In einem besonders drastischen Fall sind sogar die Personalausweise der Kinder eines Politikers fotografiert und veröffentlicht worden. Die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz sagte jedoch, dass zumindest aus dem Kanzleramt „keine sensiblen Daten“veröffentlicht wurden. Sind die Daten echt? ● Wahrscheinlich sind die meisten Daten authentisch, einige sind allerdings veraltet. Stichproben der „Schwäbischen Zeitung“bestätigen, dass die Handynummern einiger Bundespolitiker echt sind. Allerdings mahnte eine Sprecherin des Kanzleramts, die Daten mit Vorsicht zu betrachten. Es könne sein, dass nicht alle Informationen authentisch sind. An mindestens zwei Stellen liegen die Datensätze falsch. Woher stammen die Daten? ● Einige der Informationen sind öffentlich zugänglich, allerdings längst nicht alle. Um etwa an Chatprotokolle von Spitzenpolitikern zu kommen, müssen deren Konten gehackt worDie den sein. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Freitag: „Auf welche Art und Weise die Daten erhoben wurden, lässt sich noch nicht feststellen.“Er schloss jedoch aus, dass die Informationen aus dem Regierungsnetz stammen. Wie gehen Bundesregierung und ● Parteien jetzt vor? betroffenen Parteien haben ihre Abgeordneten noch am Donnerstag über den Vorfall informiert. Die Grünen beklagten jedoch am Freitag, dass sie nicht durch die Sicherheitsbehörden informiert wurden, sondern über soziale Netzwerke und Medien. Das Bundeskanzleramt erfuhr kurz vor Mitternacht von der Veröffentlichung.
Wie geht es jetzt weiter?
Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster verlangte, dass die geleakten Daten schnell aus dem Netz müssen. Zumindest das Twitter-Konto, über das die Daten verbreitet wurden, ist am Freitagmittag gesperrt worden. Allerdings haben die unbekannten Verantwortlichen zahlreiche Kopien der Datensätze ins Netz gestellt und außerdem Videos produziert, in denen die Informationen gelesen werden können. Es dürfte schwer werden, all diese Fundstellen zu sperren oder zu löschen. SPDNetzpolitikerin Esken warnt indes davor, schnell nach mehr Überwachung zu rufen. „Jetzt Tag und Nacht das Internet zu durchkämmen, ist keine gute Idee“, sagte sie. Die Geheimdienste seien sowieso im Netz aktiv und schauten auch auf große Datenmengen. Stattdessen brauche es Kampagnen, damit sich die Leute immer wieder mit sicherem Verhalten im Internet beschäftigen. Der Vorfall zeige, dass auch Politiker und Journalisten online nicht klüger agierten als andere Nutzer. „Wenn ich mir die Liste der beliebtesten Passwörter anschaue, bin ich erschrocken“, so Esken. Britta Haßelmann von den Grünen fordert indes „endlich echte proaktive Maßnahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit“. Dazu zählt sie „unter anderem einen Verzicht auf den staatlichen Handel mit Sicherheitslücken, durchgehende Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen und die Stärkung unabhängiger Aufsichtsstrukturen“. Einen entsprechenden Antrag habe die Grünen-Fraktion in den Bundestag eingebracht.
Einen Überblick über alle betroffenen Abgeordneten finden Sie unter schwaebische.de/datenklau