Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wolfgang Ablers Leidenschaft gilt Humus
Zu den Kunden des Landwirtschaftsmeisters gehören auch Hopfenpflanzer aus Tettnang
BODNEGG/TETTNANG - Wer Wolfgang Abler dabei zuschaut, mit welcher Wonne er mit bloßen Händen in seinem Komposthaufen wühlt, bekommt einen guten Eindruck davon, was den Landwirtschaftsmeister umtreibt: Humus, besser gesagt, Humusaufbau. Der Haufen hinter dem Hof, vor dem Wolfgang Abler jetzt steht, ist eigentlich gar kein Kompost mehr, sondern fast fertiger Humus, ein dunkler, beinahe schwarzer lockerer und krümeliger Boden, der bei aktuellen Außentemperaturen noch immer leicht warm ist und in der sich jede Menge Regenwürmer sauwohl fühlen.
„Im Sommer hatten wir Kürbis auf diesem Haufen angebaut, und trotz der Trockenheit mussten wir die Pflanzen kaum gießen“, erzählt Abler. „Daran sieht man schon, welche wichtige Rolle Humus beim Klimaschutz spielt, weil er so enorm viel Wasser speichert“, ergänzt er. Ein Prozent mehr Humus pro Hektar kann 400 Kubikmeter Wasser aufnehmen.
Wolfgang Abler ist Landwirt und Informatiker, seine Frau Angela hauswirtschaftliche Betriebswirtin, und irgendwann waren die beiden an einem Punkt angelangt, der zu einer kompletten Umorientierung führte. „Wir haben drei Kinder, und damit viel Verantwortung für unser tägliches Tun und Handeln. Wir wollten mit unseren Ausbildungen und Wurzeln einen Beitrag für eine zukunftsund lebensfähige Erde leisten“, erzählt Angela Abler.
Ende 2016 gründete Wolfgang Abler sein Unternehmen CarboCert. Die Geschäftsidee: Landwirte investieren auf ihren Ackerflächen in Humusaufbau und bekommen im Gegenzug Erfolgsprämien ausgezahlt. Zu seinen Kunden gehören auch mehrere Hopfenpflanzer aus Tettnang. Das Geld stammt von Unternehmen, die mit dem Kauf von sogenannten CO2-Humuszertifikaten für ihre Nachhaltigkeitsbilanz ihren Kohlendioxidausstoß neutralisieren.
Das Modell beruht auf folgenden Zahlen: Ein Prozent mehr Humus bindet zwischen 30 und 50 Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre im Boden, bezogen auf eine 25 Zentimeter starke Bodenschicht. 2,5 Tonnen Stickstoff kommen noch obendrauf. Und dabei sind die Vorteile, die der Anbau auf humusreichen Böden in Sachen Ertrag und Geschmack mit sich bringen, noch gar nicht betrachtet.
„Hintergrund ist, dass sich seit den 1930er-Jahren die Humusgehalte in landwirtschaftlich bewirtschafteten Böden teilweise um 50 bis 70 Prozent reduziert haben“, erklärt Wolfgang Abler. Dadurch können die Böden bei Starkregen schlechter Wasser aufnehmen oder trocknen bei ausbleibenden Niederschlägen schneller aus. Durch fehlende Biodiversität über dem Boden fehlt auch Lebensvielfalt im Boden, der Boden nimmt Nährstoffe schlechter auf und kann sie weniger speichern. Die Folge: Um die Ertragsmengen zu halten, oder besser noch zu steigern, kommen vermehrt Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. „Die Trockenheit in diesem Jahr hat die ganze Sache deutlich gemacht“, sagt Wolfgang Abler. „Viele Landwirte rufen mich an und fragen gezielt, wie sie auf ihren Flächen wieder mehr Humus aufbauen können“, erzählt er.
Eine Investition in den Humusaufbau als lebendigen Bodenorganismus durchbricht diesen Teufelskreis. Wenn sich die Landwirte für einen Aufbauprozess entscheiden, wird zunächst die in Frage kommende Fläche GPS-genau in einer Tiefe von 25 Zentimetern beprobt, so dass nach einer gewissen Zeit der Humusaufbau exakt nachgewiesen werden kann.
Den Boden beleben
Nachdem der Landwirt weiß, wie es um seine Fläche bestellt ist, wendet er verschiedene Maßnahmen an, um den Boden zu beleben und so Humus aufzubauen: Gründüngung, Einhalten von Fruchtfolgen, Mischkulturen oder Zwischenfruchtanbau, um nur wenige zu nennen. Besonders begeistert sind Abler und seine Frau Angela aber von dem Prinzip der „regenerativen Landwirtschaft“, das die Bodenexperten Friedrich Wenz und Dietmar Näser entwickelt haben. Nach einem Zeitraum von zwei bis fünf Jahren wird anhand der GPS-Daten der Boden erneut beprobt und nach einem festgelegten Verfahren der Humusgehalt bemessen. Daraus errechnet sich die Erfolgsprämie für den Landwirt.
Für Wolfgang Abler war von Anfang an klar, dass er hier, in seiner oberschwäbischen Heimat, etwas gegen die Folgen des Klimawandels tun will. „Projekte zum CO2-Ausgleich gibt es weltweit sehr viele, aber wir hier vor Ort gewähren maximale Transparenz in unser Tun, wir schaffen hier Sensibilität für das Thema und ermöglichen den Landwirten eine zusätzliche Einkommensquelle.“
Angela Abler ergänzt die Geschäftsidee von CarboCert inzwischen mit ihren eigenen Ideen. Auf dem Hof haben die Ablers ein Nebengebäude komplett umgebaut. Im Erdgeschoss haben sie eine große Küche eingerichtet, im ersten Stock entsteht ein Seminarraum. Angela Abler bietet Workshops und Veranstaltungen an, in denen die Produktentwicklerin Wissen zur Weiterverarbeitung heimischer und hochwertigster Rohstoffe vermittelt und zeigt, wie daraus Genussmittel und gesunde Mahlzeiten entstehen.
Sie baut Kräuter an, erntet aus einem Bauerngarten und von Streuobstbäumen und plant schon eifrig für ihr neuestes Projekt: Einen Permakulturgarten. „Gesunder Boden, Wasser, die Pflanzen und Ernährung, das gehört alles zusammen“, sagt sie, und die Ablers wollen es erlebbar machen. Auch für die Unternehmen ergeben sich durch CarboCert neue Ansätze, mit denen sie regional ihre Nachhaltigkeit stärken können. „Wenn Unternehmen oder Behörden, aber auch Privatleute, fördern können, dass der Landwirt seine Flächen humusaufbauend in direkter Umgebung bewirtschaftet, dann hat dies schon Signalcharakter“, findet Wolfgang Abler.
„Viele Landwirte rufen mich an und fragen gezielt, wie sie auf ihren Flächen wieder mehr Humus aufbauen können.“