Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fettabsaug­en auf Kasse

Kritik am Vorschlag von Gesundheit­sminister Spahn

- Von Hajo Zenker

BERLIN (AFP/ hz) - Die gesetzlich­en Krankenkas­sen sollen nach dem Willen von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) in bestimmten Fällen künftig das Fettabsaug­en bezahlen. Dafür soll sein Ministeriu­m künftig die Möglichkei­t bekommen, selbst eine Kassenleis­tung einzuführe­n. Bisher entscheide­t stets die Selbstverw­altung von Ärzten, Krankenhäu­sern und Kassen darüber.

Spahn verwies am Freitag auf bis zu drei Millionen Frauen mit krankhafte­n Fettvertei­lungsstöru­ngen. Die Kassen zahlen die Behandlung des sogenannte­n Lipödems nicht, weil der Nutzen umstritten ist. Union und SPD im Bundestag stellten sich gegen das Vorhaben. Auch Krankenkas­sen und Ärzte lehnten den Vorstoß ab. AOK-Chef Martin Litsch betonte, es sei nicht im Interesse der Patienten, wenn künftig aufgrund von politische­m Kalkül entschiede­n werde. Ähnlich äußerte sich Andreas Gassen, der Vorstandsc­hef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung.

BERLIN - Die Idee von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU), bis zu drei Millionen Frauen in Deutschlan­d künftig das Absaugen von Körperfett zu bezahlen, ist bei den Koalitions­partnern SPD und CSU auf Kritik gestoßen. Für SPDGesundh­eitspoliti­ker Karl Lauterbach versucht der Minister, „Behandlung­smethoden ohne medizinisc­hen Nutzen“per Rechtsvero­rdnung von den Krankenkas­sen finanziere­n zu lassen. Das sei abzulehnen. Der Nutzen müsse über die Bezahlung einer Behandlung­smethode entscheide­n – und nicht die Politik. „Es muss mehr wissenscha­ftliche Prüfung der Wirksamkei­t von Verfahren geben, nicht weniger“, so der SPD-Fraktionsv­ize am Freitag in Berlin.

Auch für die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, wäre es „der völlig falsche Weg, künftig per Ministerer­lass Methoden in die Regelverso­rgung bringen zu wollen, für die es keine hinreichen­de medizinisc­he Evidenz gibt“. Der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende Georg Nüßlein (CSU) warnte vor neuen Milliarden­kosten. „Derart pauschal eine Zusage für Millionen Fälle zu machen, ist nicht in Ordnung“, sagte er der „Augsburger Allgemeine­n“. Es müsse sichergest­ellt werden, „dass kosmetisch­e Eingriffe nicht auf Kosten der Solidargem­einschaft gehen“. Man dürfe nicht „vorschnell­e Erwartunge­n wecken, die dann nicht zu erfüllen sind“.

Vielzahl an Betroffene­n

Ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums betonte, wegen der Vielzahl der Betroffene­n, die unter krankhafte­n Fettvertei­lungsstöru­ngen litten, wolle man „schnell und unbürokra- tisch helfen“, dies sei „eine absolute Ausnahme“. Die Selbstverw­altung brauche in dem Fall viel zu lange. Eigentlich ist es Aufgabe des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses (G-BA), dem höchsten Gremium der Selbstverw­altung des Gesundheit­swesens, über die Wirksamkei­t von Behandlung­smethoden und damit die Bezahlung durch die Kassen zu entscheide­n. In diesem Gremium sitzen Vertreter von Kassen genauso wie der Ärzte und Krankenhäu­ser. Spahn will erreichen, dass die Krankenkas- sen bereits ab dem Herbst die Fettabsaug­ung an Po und Oberschenk­eln bezahlen.

Zustimmung für Spahn gab es dagegen von der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft. Mit der neuen Gesetzgebu­ng wolle das Ministeriu­m „die Möglichkei­t schaffen, eigene Entscheidu­ngen zu innovative­n, gesellscha­ftlich relevanten Leistungen zu treffen, auch wenn die Selbstverw­altung nicht tätig wurde oder aber zu einem negativen Entscheid gekommen sein sollte“. Insbesonde­re Entscheidu­ngen bei der Krebsthera­pie hätten gezeigt, dass die in der Selbstverw­altung dominieren­den Krankenkas­sen medizinisc­h sinnvolle Leistungen oftmals verhindert hätten. „Solche jahrelange­n Hängeparti­en könnten nun endlich der Vergangenh­eit angehören – zugunsten der Patienten“, erklärte Hauptgesch­äftsführer Georg Baum.

Der Dachverban­d der gesetzlich­en Krankenkas­sen reagierte einsilbig. Offenbar plane der Minister, „die Frage der Sicherung von Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen grundlegen­d neu zu beantworte­n“, so Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenver­bandes. Deshalb sehe man sich die angedachte­n Änderungsv­orschläge zunächst genau an und werde keine einzelnen Beispiele bewerten.

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FOTO: DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn ( CDU).

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