Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gericht stellt Verfahren ein
Heilerziehungspfleger muss sich wegen Misshandlung Schutzbedürftiger verantworten
TETTNANG - Wegen des Vorwurfs der Misshandlung Schutzbefohlener hat sich am Donnerstag ein 40-jähriger Heilerziehungspfleger aus dem Bodenseekreis vor dem Amtsgericht Tettnang verantworten müssen. Von dem Mann hat sich eine Sozialeinrichtung bereits vor Monaten getrennt, vor dem Arbeitsgericht verglichen und ihm ein positives Zeugnis ausgestellt. Vor dem Amtsgericht wies er nun die Anklage als nicht gerechtfertigt von sich. Mit teilweisem Erfolg.
Seit Anfang 2016 arbeitete der 40Jährige in der Einrichtung, wo er in einer Wohngruppe von Männern mit geistiger Behinderung eingesetzt war. Schon nach kurzer Einarbeitung gab es Lob für den Neuen. Geschätzt wurde seine selbstständige und systematische Arbeitsweise. Denn: Auch zusätzliche schwierige Aufgaben erfüllte er mit Bravour. Doch vor allem das Verhältnis zu einem Kollegen entwickelte sich nicht erfreulich.
Vorgeworfen wurden dem Angeklagten Übergriffe gegen einen hyperaktiven Zögling, den er in einen Schrank eingesperrt haben soll, zuvor – so die Anklage - habe er ihn über den Fußboden gezogen, einen anderen habe er im Zimmer eingesperrt und einen weiteren vom Arm fallen lassen. In drei Fällen, so der Anklagevertreter, habe er Personen gequält, misshandelt und bedroht, der Freiheit beraubt oder genötigt. Als „komplett erfunden“bezeichnete der Angeklagte einzelne Vorwürfe. In seinen Einlassungen berichtete er von einem wenig funktionierenden Team, in dem es viele Auseinandersetzungen gegeben habe sowie einer verwüsteten Wohngruppe, die er der Bereichsleitung und dort einem späteren Zeugen gemeldet hatte und um Unterstützung bat. Die gab‘s nicht, stattdessen fand sich in einem Medikamentenschrank ein Foto, auf dem ein Mann aus der Wohngruppe in der Kommode saß. Es sollte den Angeklagten belasten, dafür verantwortlich zu sein.
Als „Schneevorfall“steht ein anderer Vorwurf in den Akten. Ein junger Bewohner stand zitternd vor Kälte im Schnee und wurde mit Schneebällen beworfen. Der Angeklagte hob ihn auf und brachte ihn ins Zimmer. Er widersprach dem Vorwurf, einen Insassen aufgehoben und fallen gelassen zu haben. Eingeräumt hat er lediglich, einen aufsässigen Bewohner in ein Zimmer gesperrt zu haben, weil er noch sieben andere zu versorgen hatte, wie er dem Richter schilderte. „Das war nicht gut gelöst, ganz klar“, gab er zu. Wichtig war dem Vorsitzenden, dass sich das Zimmer im Erdgeschoss befunden hat und das Fenster in den Garten zu öffnen war. Wegen der Vorwürfe war der mann entlassen worden. Vor dem Arbeitsgericht hat er nicht auf einer Weiterbeschäftigung bestanden. Sein ehemaliger Arbeitgeber hat nicht mehr an den Vorwürfen festgehalten und ihm ein wohlwollendes Zeugnis ausgestellt.
Interessant wurde es bei der Anhörung der sechs Zeugen und hier vor allem des ehemaligen Kollegen des Angeklagten. dieser war dem Amtsgericht nicht unbekannt und gestand, Fotos von dem Schneeballvorgang gemacht und in den Medikamentenschrank gelegt zu haben. Damit nicht genug, räumte er ein, auch den jungen Bewohner in den Schrank gesetzt und seinen Kollegen damit in Verbindung gebracht zu haben.
Die Mutter des Jungen – der nach Einschätzung des Angeklagten in der Wohngruppe mit lauter älteren Männern falsch untergebracht ist – sagte aus, ihr Sohn habe wegen des Kollegen des Angeklagten nicht mehr in die Einrichtung gehen wollen.
Verfahren wird eingestellt
Weil sich die Beweislage als nicht eindeutig erwies, stellte das Gericht das Verfahren ein. Dem Angeklagten wurde lediglich eine Geldbuße von 1200 Euro wegen des Einsperrens ins Zimmer auferlegt. Als vorbestraft gilt er deshalb nicht.