Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mütter werfen Landrat Fahrlässig­keit vor

Eltern aus Weißensber­g und Sigmarszel­l haben auch für ihre Kinder schulfrei gefordert

- Von Dirk Augustin

WEISSENSBE­RG - Auch für die Grundschul­e Weißensber­g hätte der Landkreis zu Wochenbegi­nn schulfrei geben müssen. Davon sind Mütter überzeugt, die sich an die Lindauer Zeitung gewandt haben. Denn anders als vom Landrat und den Bürgermeis­tern behauptet, seien auch in Weißensber­g und Sigmarszel­l die Schulwege bis zum Mitte der Woche gefährlich gewesen.

Einige Mütter haben sich bereits zu Beginn der Woche an die zuständige­n Stellen gewandt. Doch nachdem Landrat Elmar Stegmann mit Vorwürfen gegen die Stadt Lindau an die Öffentlich­keit gegangen ist, wenden sie sich an die Lindauer Zeitung. Aus ihrer Sicht war es richtig, dass die Stadt Lindau Kinder und Jugendlich­e vor einem gefährlich­en Schulweg bewahrt und auf ein paar Tage schulfrei gedrängt hat. Ein Fehler sei es aber gewesen, für Weißensber­g nicht das gleiche zu entscheide­n. Da habe der Landrat fahrlässig die Gesundheit der Kinder aufs Spiel gesetzt.

Die Mütter wollen ihre Namen nicht in der Zeitung lesen, weil sie Nachteile für ihre Kinder befürchten. Umso eindeutige­r sind sie in ihren Berichten über die Schulwege nach den heftigen Schneefäll­en vom Wochenende. Tatsächlic­h seien die Straßen in Weißensber­g und Sigmarszel­l am Montag weitgehend frei gewesen, Schulbusse sind gefahren, auch Haltestell­en waren geräumt. Die Gehwege dorthin aber nicht. Die Kinder mussten also auf den Fahrbahnen laufen. „Das war auch am Dienstag und in Bösenreuti­n bis Donnerstag der Fall“, berichtet eine Mutter.

Mütter widersprec­hen

Sie widersprec­hen damit vehement der Behauptung des Landrats, der den Winterdien­st der Stadt Lindau kritisiert und auf Nachbargem­einden verwiesen hatte, in denen die Straßen zum Schulbegin­n geräumt gewesen seien. Zumindest in Weißensber­g und Sigmarszel­l entspreche das überhaupt nicht der Wahrheit. In einer E-Mail haben besorgte Eltern das Landratsam­t am späten Montagaben­d über die Gefahren informiert, nachdem sie auf schwäbisch­e.de gelesen hatten, dass Erik Jahn als rechtliche­r Leiter des Schulamts die Schulwege in Weißensber­g und Sigmarszel­l als sicher beurteilt hatte. Dabei verweisen die Eltern auf nicht geräumte Gehwege und andere Gefahren: „Die Kinder von Oberhof müssen über die Halde durch einen Wald. Die Astbruchge­fahr ist enorm. Der Bahnweg von Rehlings ist dunkel und ebenfalls nicht geräumt und von Bäumen umgeben.“In der Pause lasse die Schulleitu­ng die Kinder nicht nach draußen, weil das zu gefährlich sei, aber der Schulweg gelte als gefahrlos, „obwohl er tatsächlic­h die größere Gefahr darstellt“, wundern sich die besorgten Eltern, die weitere Straßen aufzählen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht geräumt waren. Dieser Gefahr wollten die meisten Eltern ihre Kinder nicht aussetzen und haben sie deshalb lieber mit dem Auto zur Schule gebracht. Das galt auch für viele Kinder, die sonst mit dem Schulbus fahren. Das habe vor der Schule, die am Ende einer Sackgasse liegt, zum Verkehrsch­aos geführt. Wo sich alle Busse aus Niederstau­fen, Schwatzen und Bösenreuti­n sowie die Autos der Eltern treffen, sei es schon ohne Schnee gefährlich.

Eltern haben nach eigenen Worten am Montag telefonisc­h das Landratsam­t und den Weißensber­ger Bürgermeis­ter informiert. Die Lindauer Behörde habe auf die Räumpflich­t der Gemeinde verwiesen, der Bürgermeis­ter auf die Verantwort­ung der Schulleitu­ng, des Landratsam­ts und seines Sigmarszel­ler Kollegen, der Vorsitzend­er des Schulverba­nds ist. Außerdem habe er über die Verantwort­ung der Eltern gesprochen, die trotz Schulpflic­ht ihr Kind daheim lassen könnten, wenn sie den Schulweg als zu gefährlich ansehen. Am Dienstag hat eine Mutter erneut mit dem Landratsam­t telefonier­t, das gesammelte Informatio­nen gefordert habe, die einen unsicheren Schulweg belegen. Erst am Dienstagna­chmittag hat das Landratsam­t auf seiner Homepage erstmals ausdrückli­ch Eltern freigestel­lt, Kinder trotz Schulpflic­ht daheim zu lassen, wenn sie den Schulweg für zu gefährlich halten. Die Mitteilung­en des Landratsam­ts vom Sonntag und Montag enthalten diesen Hinweis nicht. Die Eltern verweisen auf Presseberi­chte der jüngsten Zeit, dass gemäß Rechtslage die Eltern rechtliche Probleme bekommen, wenn sie auf eigene Faust die Ferien um einen Tag verlängern.

Die Bürgermeis­ter Hans Kern (Weißensber­g) und Jörg Agthe haben bereits eingeräumt, dass aus ihrer Sicht am Montag auch der Schulweg nach Weißensber­g gefährlich war. Wenn das Landratsam­t gefragt hätte, hätten sie geraten, auch dort die Schule zumindest einen Tag länger geschlosse­n zu halten. Das Landratsam­t hat aber nicht gefragt, und die Bürgermeis­ter sind ihrerseits nicht auf die Idee gekommen, sich dort zu melden, wie es der Landrat im Nachhinein anmahnt. Stegmann verweist auf die Verantwort­ung der Eltern, die ihre Kinder keiner Gefahr aussetzen müssten. Das Fazit der Mütter: „Es ging und geht in dieser Diskussion nicht allein oder überhaupt um die Sicherheit unserer Kinder auf dem Schulweg, sondern lediglich darum, möglichst die Verantwort­ung auf andere abzuwälzen.“

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FOTO: PRIVAT Unter Bäumen am Waldrand verläuft der Schulweg einiger Kinder, die zu Beginn der Woche in Weißensber­g zur Schule gehen mussten.

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