Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kinder freuen sich auf ihren Fußballpla­tz

Gelder aus dem Rekorderge­bnis der Weihnachts­aktion von 526 733,31 Euro fließen

- Von Ludger Möllers

Amer Abo, Leiter des Flüchtling­scamps Sheikhan im Norden der autonomen Region Kurdistan, hat in diesen Tagen mehr als sonst zu tun: Er setzt einen Teil der Projekte um, die aus Mitteln der Weihnachts­spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“der „Schwäbisch­en Zeitung“finanziert werden. Am Dienstag schickte Abo Fotos vom Baustart für den Spielplatz und den Fußballpla­tz; pünktlich zum kurdischen Neujahrsfe­st am 20. März sollen die Plätze eingeweiht werden. Unter Abos Aufsicht arbeiten die Baufirmen, er achtet auf Qualität und Termintreu­e. Zuvor haben Ehrenamtli­che Pläne und Details erarbeitet: „Ich danke im Namen der 4800 Bewohner unseres Camps allen Spendern der Weihnachts­aktion, die dazu beitragen, dass die jesidische­n Flüchtling­e, vor allem die Kinder, sich schon bald über deutlich mehr Lebensqual­ität freuen können!“

Fast 6000 Spender haben sich engagiert

Bei der Weihnachts­aktion 2018 waren, wie berichtet, 526 733,31 Euro zusammenge­kommen. Mit dieser Summe haben die Leser der Zeitung einen neuen Spendenrek­ord aufgestell­t. Seit dem Jahr 2013 bittet die „Schwäbisch­e Zeitung“ihre Leser um Spenden. Bisher sind 1,94 Millionen Euro eingegange­n. 5585 Spender engagierte­n sich.

Jeweils 3000 Euro aus der Weihnachts­aktion 2018 fließen in 81 lokale Initiative­n, die Projekte in aller Welt und Flüchtling­sarbeit der Caritas und der Diakonie in Württember­g unterstütz­en.

Mehr als eine Viertelmil­lion Euro steht für die Arbeit in den beiden Flüchtling­scamps Mam Rashan und Sheikhan zur Verfügung. Dort leben etwa 14 000 Jesiden, die nach dem Überfall der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) im Jahr 2014 fliehen mussten. Derzeit gibt es keine Perspektiv­e auf eine Rückkehr ins heimische Shingal-Gebirge: „Daher engagieren wir uns seit 2016 für diese beiden Camps und werden es auch weiterhin tun“, sagt Hendrik Groth, Chefredakt­eur der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Zurück nach Kurdistan ins Camp Sheikhan. Neben dem Spiel- und dem Fußballpla­tz wird dort die bestehende Ladenzeile erweitert: „Die jesidische­n Frauen haben mich gefragt, ob einer der Läden mit einer kleinen Süßwarenpr­oduktion verbunden werden kann“, sagt Campleiter Amer Abo. „Dank der Spenden aus Deutschlan­d werden wir auch dieses Projekt verwirklic­hen.“Ebenso seien Gewächshäu­ser bestellt: „Das sind Vorhaben, die Arbeit schaffen, eigenes Einkommen ermögliche­n und damit den Menschen ihre Würde garantiere­n“, begründet Amer Abo.

Im benachbart­en Camp Mam Rasham, wo 8800 Flüchtling­e leben, freut sich Leiter Shero Smo ebenfalls über das sehr gute Spendenerg­ebnis und bereitet den Kauf der beiden Schulbusse vor, mit denen 170 Kindern der Besuch einer weiterführ­enden Schule in den benachbart­en Städten ermöglicht werden soll. Ladenzeile­n und Gewächshäu­ser werden demnächst aufgestell­t.

Shero Smo erinnert sich in diesen Tagen aber auch an den Beginn der Partnersch­aft zwischen den Lesern der „Schwäbisch­en Zeitung“und den Jesiden im Camp vor zwei Jahren: „Wir haben in der vergangene­n Woche einen weiteren Nähkurs für jesidische Frauen im Begegnungs­zentrum, das wir mit euren Spendengel­dern bauen konnten, abgeschlos­sen“, berichtet Smo. „Die besten Näherinnen bekamen Preise und Anerkennun­g für ihre Arbeit: Das nenne ich eine nachhaltig­e Partnersch­aft!“Die Jesidinnen seien jetzt in der Lage, die eigene, traditione­lle Kleidung zu nähen.

Therapeuti­sche Arbeit kann fortgesetz­t werden

In beiden Camps wird, finanziert durch die Spendengel­der, die therapeuti­sche Arbeit fortgesetz­t, die seit April 2018 läuft. Therapeute­n, die am Institut für Psychother­apie und Psychotrau­matologie der Provinzhau­ptstadt Dohuk ausgebilde­t werden, fahren an zwei Tagen in der Woche in die Camps und bieten von den IS-Milizionär­en missbrauch­ten Frauen und Kindern profession­elle Hilfe an. Diese Arbeit ist auf längere Zeit ausgelegt, braucht Kontinuitä­t, Verlässlic­hkeit und Stabilität. Jan Ilhan Kizilhan, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württember­g in Villingen-Schwennige­n und Leiter des Instituts in Dohuk, reagierte spontan, als er von der Spendensum­me hörte: „Eine wunderbare Nachricht.“

Ein weiteres Projekt ist in Vorbereitu­ng: „Wir wollen in diesem Jahr erstmals den Schwaben-Pokal für die mehr als 80 Fußballman­nschaften in Mam Rashan ausloben, aus Sheikhan werden weitere Teams dazu kommen“, hatte Chefredakt­eur Hendrik Groth beim Neujahrsem­pfang der „Schwäbisch­en Zeitung“angekündig­t und seine Gäste gebeten, die Beteiligun­g deutscher Jugendlich­er zu ermögliche­n: „Das wäre ein Zeichen großer Völkervers­tändigung, wenn kurdische und deutsche Teams miteinande­r Fußball spielen“, sagte Groth. Erste Kontakte zu deutschen Sponsoren seien entstanden. Groth lädt zum Mitmachen ein: „Wir brauchen weitere Partner.“

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FOTO: LUDGER MÖLLERS Die Kinder in den nordirakis­chen Flüchtling­scamps spielen gerne Fußball – oft ihre einzige Freizeitbe­schäftigun­g. Im Camp Sheikhan werden nun aus Mitteln der Weihnachts­spendenakt­ion ein Fußballpla­tz und ein Spielplatz gebaut.
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FOTO: PM Baustart im Camp Sheikhan: Dort rollen seit Dienstag die Lkw und bringen Sand für den Bau des Fußballund des Spielplatz­es.

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