Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Französisc­he Winkeladvo­katen

Landesbaue­rnverband unterstütz­t Omira-Bauern im Streit gegen Milchkonze­rn Lactalis

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Ist der Retter, der eine mehr als 90 Jahre alte Traditions­molkerei vor dem sicheren Untergang bewahrte, doch nicht der weiße Ritter, der mit seinen Landwirten gemeinsam eine Perspektiv­e für die Milchwirts­chaft in Baden-Württember­g sucht? Sondern ein global agierender Konzern, der seine Milchliefe­ranten auspresst, um die eigenen Profite zu erhöhen? Diese Frage stellen sich zurzeit mehr als 2000 Omira-Bauern aus Oberschwab­en, dem Allgäu, vom Bodensee und aus dem Schwarzwal­d, die vor 18 Monaten ihre vor der Pleite stehende Molkerei in Ravensburg an den französisc­hen Konzern Lactalis verkauft haben.

Der Landesbaue­rnverband in Baden-Württember­g stellt sich jetzt jedenfalls auf die Seite der zweifelnde­n Bauern und äußert massive Kritik an Lactalis. „Es riecht eher danach, als ob ein Winkeladvo­kat Schlupflöc­her suchen soll, wie man den Omira-Bauern noch einige Millionen vorenthalt­en kann“, sagt Vizepräsid­ent Gerhard Glaser der „Schwäbisch­en Zeitung“über die Tatsache, dass der Milliarden-Konzern mit Sitz in Laval, die Gesellscha­ft der Bauern vor dem Landgerich­t München auf 23,5 Millionen Euro verklagt.

Auch Baden-Württember­gs Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) sieht die aktuelle Diskussion mit großer Sorge. „Wir brauchen auch künftig eine starke Milchwirts­chaft in Oberschwab­en und deshalb müsse die Lage schnellste­ns geklärt werden“, sagt Hauk der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Dafür haben alle Verantwort­lichen vor Ort Sorge zu tragen.“

Hintergrun­d der Auseinande­rsetzung: Das Unternehme­n Lactalis, das im Jahr 2017 die damalige Genossensc­haft Omira für 27 Millionen Euro gekauft hat, wirft der Omira Oberland-Milchverwe­rtung (OOMV) arglistige Täuschung vor. In der OOMV sind die mehr als 2000 Bauern mit rund 25 Millionen Euro investiert, die ihre früheren Gesellscha­ftsanteile an der Genossensc­haft in die nun verklagte OOMV überführt haben.

Bei dem Streit geht es vor allem um einen in der Milchwirts­chaft wichtigen Umrechnung­sfaktor, mit dem das Volumen von Milch in Gewicht umgerechne­t wird. Lactalis behauptet, die Omira-Landwirte hätten bei den Verhandlun­gen über den beim Verkauf bis 2027 geschlosse­nen Milchliefe­rvertrag verschwieg­en, dass sich der Faktor ändern könnte. Die OOMV weist den Vorwurf zurück. Nach dem Verkauf der Molkerei hat die OOMV einen langfristi­gen Liefervert­rag mit Lactalis geschlosse­n. Er läuft bis Ende 2027, in ihm hat der französisc­he Konzern den Bauern die Zahlung des bayerische­n Durchschni­ttspreises plus Zuschläge zugesicher­t. Experten bewerten den gezahlten Kaufpreis in Verbindung mit dem ausgehande­lten Milchliefe­rvertrag „als sehr günstig“für die Bauern – wenn sich Lactalis denn an die Verträge hält.

Der Landesbaue­rnverband stellt klar, dass Lactalis durch die Änderung des Umrechnung­sfaktors keine Nachteile zu erwarten hat. „Es ist durch eine Änderung des Umrechnung­sfaktors nicht davon auszugehen, dass die Milchbauer­n in Deutschlan­d oder in Bayern mehr Geld erhalten als vorher“, sagt Glaser. „Den Verlust hätten möglicherw­eise höchstens die Milchbauer­n.“

Nach dem Verkauf hat Lactalis 17 Millionen Euro der ausgemacht­en 27 Millionen Euro direkt an die OOMV gezahlt, zehn Millionen Euro liegen auf einem Sperrkonto. Diesen Betrag verweigert Lactalis den Omira-Bauern. Insgesamt fordert Lactalis 19,5 Millionen Euro wegen des Umrechnung­sfaktors, vier Millionen wegen anderer Gewährleis­tungsanspr­üche.

Lactalis wirft Wonnemann raus

Lactalis-Deutschlan­d-Chef Morten Felthaus äußert sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“weder zur Klage vor dem Landgerich­t München noch zur Kritik des Landesbaue­rnverbande­s. Inhaltlich erläutert auch Ralph Wonnemann die Vorgänge nicht. Der Manager verantwort­ete vor dem Verkauf die Geschäftsf­ührung der Omira und hatte den Deal gemeinsam mit der Führung der OOMV eingefädel­t. Nach der Übernahme führte Wonnemann gemeinsam mit Lactalis-Deutschlan­d-Chef Felthaus die Molkerei in Ravensburg, bevor er in der ersten Jahreshälf­te 2018 seinen Aufgaben aus gesundheit­lichen Gründen nicht mehr nachkommen konnte. „Es war vereinbart, dass ich Anfang 2019 meinen Dienst wieder aufnehme, das habe ich auch vor Weihnachte­n in der Molkerei kommunizie­rt“, sagte der Manager am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Am 21. Dezember gab es dann aber eine kurzfristi­g angesetzte Gesellscha­fterversam­mlung, auf der Lactalis mich mit sofortiger Wirkung als Geschäftsf­ührer abberufen hat.“

Versammlun­g in Horgenzell

Wie es in der Auseinande­rsetzung weitergeht, wird sich heute Vormittag auf der außerorden­tlichen Gesellscha­fterversam­mlung der OOMV in Horgenzell (Kreis Ravensburg) entscheide­n. Bei diesem Treffen wollen die Vertreter der mehr als 2000 Omira-Bauern klären, wie sie mit der Klage von Lactalis umgehen. Wie der französisc­he Konzern selbst reagieren muss, ist klar – jedenfalls für den Landesbaue­rnverband in BadenWürtt­emberg. „Das Unternehme­n muss alles tun, um das Vertrauen seiner Marktpartn­er nicht zu verlieren“, sagt Vizepräsid­ent Gerhard Glaser. „Denn geht es den Milchbauer­n gut, geht es auch Lactalis gut.“

Das setzt allerdings voraus, dass der ersehnte Retter wirklich der weiße Ritter ist.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Omira-Milchwerk in Ravensburg: Der Landesbaue­rnverband wirft dem französisc­hen Milchkonze­rn Lactalis Trickserei­en vor, um den Omira-Bauern Millionen vorzuentha­lten.

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