Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Französische Winkeladvokaten
Landesbauernverband unterstützt Omira-Bauern im Streit gegen Milchkonzern Lactalis
RAVENSBURG - Ist der Retter, der eine mehr als 90 Jahre alte Traditionsmolkerei vor dem sicheren Untergang bewahrte, doch nicht der weiße Ritter, der mit seinen Landwirten gemeinsam eine Perspektive für die Milchwirtschaft in Baden-Württemberg sucht? Sondern ein global agierender Konzern, der seine Milchlieferanten auspresst, um die eigenen Profite zu erhöhen? Diese Frage stellen sich zurzeit mehr als 2000 Omira-Bauern aus Oberschwaben, dem Allgäu, vom Bodensee und aus dem Schwarzwald, die vor 18 Monaten ihre vor der Pleite stehende Molkerei in Ravensburg an den französischen Konzern Lactalis verkauft haben.
Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg stellt sich jetzt jedenfalls auf die Seite der zweifelnden Bauern und äußert massive Kritik an Lactalis. „Es riecht eher danach, als ob ein Winkeladvokat Schlupflöcher suchen soll, wie man den Omira-Bauern noch einige Millionen vorenthalten kann“, sagt Vizepräsident Gerhard Glaser der „Schwäbischen Zeitung“über die Tatsache, dass der Milliarden-Konzern mit Sitz in Laval, die Gesellschaft der Bauern vor dem Landgericht München auf 23,5 Millionen Euro verklagt.
Auch Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU) sieht die aktuelle Diskussion mit großer Sorge. „Wir brauchen auch künftig eine starke Milchwirtschaft in Oberschwaben und deshalb müsse die Lage schnellstens geklärt werden“, sagt Hauk der „Schwäbischen Zeitung“. „Dafür haben alle Verantwortlichen vor Ort Sorge zu tragen.“
Hintergrund der Auseinandersetzung: Das Unternehmen Lactalis, das im Jahr 2017 die damalige Genossenschaft Omira für 27 Millionen Euro gekauft hat, wirft der Omira Oberland-Milchverwertung (OOMV) arglistige Täuschung vor. In der OOMV sind die mehr als 2000 Bauern mit rund 25 Millionen Euro investiert, die ihre früheren Gesellschaftsanteile an der Genossenschaft in die nun verklagte OOMV überführt haben.
Bei dem Streit geht es vor allem um einen in der Milchwirtschaft wichtigen Umrechnungsfaktor, mit dem das Volumen von Milch in Gewicht umgerechnet wird. Lactalis behauptet, die Omira-Landwirte hätten bei den Verhandlungen über den beim Verkauf bis 2027 geschlossenen Milchliefervertrag verschwiegen, dass sich der Faktor ändern könnte. Die OOMV weist den Vorwurf zurück. Nach dem Verkauf der Molkerei hat die OOMV einen langfristigen Liefervertrag mit Lactalis geschlossen. Er läuft bis Ende 2027, in ihm hat der französische Konzern den Bauern die Zahlung des bayerischen Durchschnittspreises plus Zuschläge zugesichert. Experten bewerten den gezahlten Kaufpreis in Verbindung mit dem ausgehandelten Milchliefervertrag „als sehr günstig“für die Bauern – wenn sich Lactalis denn an die Verträge hält.
Der Landesbauernverband stellt klar, dass Lactalis durch die Änderung des Umrechnungsfaktors keine Nachteile zu erwarten hat. „Es ist durch eine Änderung des Umrechnungsfaktors nicht davon auszugehen, dass die Milchbauern in Deutschland oder in Bayern mehr Geld erhalten als vorher“, sagt Glaser. „Den Verlust hätten möglicherweise höchstens die Milchbauern.“
Nach dem Verkauf hat Lactalis 17 Millionen Euro der ausgemachten 27 Millionen Euro direkt an die OOMV gezahlt, zehn Millionen Euro liegen auf einem Sperrkonto. Diesen Betrag verweigert Lactalis den Omira-Bauern. Insgesamt fordert Lactalis 19,5 Millionen Euro wegen des Umrechnungsfaktors, vier Millionen wegen anderer Gewährleistungsansprüche.
Lactalis wirft Wonnemann raus
Lactalis-Deutschland-Chef Morten Felthaus äußert sich auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“weder zur Klage vor dem Landgericht München noch zur Kritik des Landesbauernverbandes. Inhaltlich erläutert auch Ralph Wonnemann die Vorgänge nicht. Der Manager verantwortete vor dem Verkauf die Geschäftsführung der Omira und hatte den Deal gemeinsam mit der Führung der OOMV eingefädelt. Nach der Übernahme führte Wonnemann gemeinsam mit Lactalis-Deutschland-Chef Felthaus die Molkerei in Ravensburg, bevor er in der ersten Jahreshälfte 2018 seinen Aufgaben aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nachkommen konnte. „Es war vereinbart, dass ich Anfang 2019 meinen Dienst wieder aufnehme, das habe ich auch vor Weihnachten in der Molkerei kommuniziert“, sagte der Manager am Dienstag der „Schwäbischen Zeitung“. „Am 21. Dezember gab es dann aber eine kurzfristig angesetzte Gesellschafterversammlung, auf der Lactalis mich mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer abberufen hat.“
Versammlung in Horgenzell
Wie es in der Auseinandersetzung weitergeht, wird sich heute Vormittag auf der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der OOMV in Horgenzell (Kreis Ravensburg) entscheiden. Bei diesem Treffen wollen die Vertreter der mehr als 2000 Omira-Bauern klären, wie sie mit der Klage von Lactalis umgehen. Wie der französische Konzern selbst reagieren muss, ist klar – jedenfalls für den Landesbauernverband in BadenWürttemberg. „Das Unternehmen muss alles tun, um das Vertrauen seiner Marktpartner nicht zu verlieren“, sagt Vizepräsident Gerhard Glaser. „Denn geht es den Milchbauern gut, geht es auch Lactalis gut.“
Das setzt allerdings voraus, dass der ersehnte Retter wirklich der weiße Ritter ist.