Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Deutsche Wirtschaft schaltet einen Gang zurück
Schwächstes Wachstum seit fünf Jahren – Trotz höherer Risiken dürfte der Aufschwung aber auch im laufenden Jahr nicht abreißen
BERLIN/FRANKFURT (dpa) - Dämpfer für die erfolgsverwöhnte deutsche Wirtschaft: Mit 1,5 Prozent fiel das Wachstum 2018 so gering aus wie seit fünf Jahren nicht. Vor allem internationale Handelskonflikte und Probleme der Autoindustrie bremsten Europas größte Volkswirtschaft. Der von manchen Ökonomen befürchtete Absturz in die Rezession zum Jahresende blieb ersten Schätzungen zufolge aber aus.
Das Statistische Bundesamt rechnet nach der Delle im dritten Quartal mit einer Erholung im Zeitraum Oktober bis einschließlich Dezember. Für 2019 erwarten Volkswirte eine Fortsetzung des seit nunmehr neun Jahren anhaltenden Aufschwungs in Deutschland. Davon profitierte im vergangenen Jahr auch der Fiskus mit sprudelnden Einnahmen und einem Rekordüberschuss.
In der zweiten Jahreshälfte verlangsamte sich das Wachstumstempo zwar spürbar, aber die Wirtschaft dürfte im Schlussquartal wieder zugelegt haben. In einer ersten Schätzung gehen die Wiesbadener Statistiker von einem „leichten Plus“für das vierte Quartal im Vergleich zum Vorquartal aus. Im dritten Vierteljahr war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent geschrumpft. Bei zwei Quartalen in Folge mit sinkender Wirtschaftsleistung sprechen Ökonomen von einer technischen Rezession.
„Trotz des schwachen Jahresabschlusses konnte eine technische Rezession gerade noch vermieden werden“, resümierte der Chefökonom des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen. Er wertet die jüngste Entwicklung als Normalisierung nach einer Periode der Hochkonjunktur. Obwohl 2018 deutlich hinter den Boomjahren 2016 und 2017 zurückblieb, lag das Wachstum weiterhin über dem Zehnjahresdurchschnitt von 1,2 Prozent.
Wie es genau weitergeht, hängt von einer Reihe von Unwägbarkeiten ab: „Sollten die Risiken – ein ungeordneter Brexit, eine neuerliche Staatsschuldenkrise im Euroraum oder ein Handelskrieg zwischen den USA und anderen Volkswirtschaften – ausbleiben, ist auch in diesem Jahr mit einer ordentlichen Wachstumsrate zu rechnen“, prognostizierte DIW-Volkswirt Michelsen. Ökonomen trauen der weltweit viertgrößten Volkswirtschaft im laufenden Jahr ein Plus zwischen 1,2 Prozent und 1,8 Prozent zu.
Die Unternehmen selbst sehen sich vor steigenden Herausforderungen: „Die rosigen Wachstumszeiten der vergangenen zehn Jahre laufen aus. Das Umfeld wird rauer und verlangt den Unternehmen erhebliche Anstrengungen ab, um ihre Wettbewerbsposition zu halten“, erläuterte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. „Es wäre daher ein wichtiges Signal, dass sich die Politik wieder stärker um die wirtschaftliche Entwicklung und Standortfragen kümmert.“