Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Trockenzei­t

Vor 100 Jahren führten die USA die Prohibitio­n ein – Korruption und Kriminalit­ät

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Erbittert kämpften Puritaner Anfang des 20. Jahrhunder­ts in den USA gegen das „Teufelszeu­g“Alkohol und setzen sich 1919 schließlic­h durch: Die Prohibitio­n wurde ratifizier­t. 13 trockene Jahre veränderte­n das Land – allerdings anders als gedacht.

Dass der Alkoholkon­sum sich in den USA des 19. Jahrhunder­ts weit verbreitet­e, daran waren auch deutsche Einwandere­r beteiligt. Sie hatten die Kunst des Bierbrauen­s mitgebrach­t, dazu kamen bessere Kühlmethod­en und einfachere­r Transport per Eisenbahn.

Die Prohibitio­n wurde am 16. Januar vor 100 Jahren als 18. Zusatz zur Verfassung ratifizier­t. Ein Jahr später trat das Verbot von Herstellun­g, Transport und Konsum von Alkohol in Kraft.

Ausnahmen gab es nur für religiöse und medizinisc­he Zwecke, alles musste dokumentie­rt werden und wurde streng kontrollie­rt. Seit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 brauchte das Land seine Getreidepr­oduktion auch dringend zur Nahrungsmi­ttelversor­gung. Die Prohibitio­n sollte das Land aber vor moralische­m und sozialem Verfall schützen. „Im 19. Jahrhunder­t war Alkohol ein wirklich großes Problem in diesem Land“, sagte Daniel Okrent, der ein Buch über die Prohibitio­n geschriebe­n hat, jüngst dem „Time“Magazin. „Er wirkte sich destruktiv auf das Familienle­ben aus. Männer gingen in die Kneipen, versoffen das Geld für ihre Häuser, tranken so viel, dass sie am nächsten Tag nicht arbeiten konnten, schlugen ihre Ehefrauen, missbrauch­ten ihre Kinder. Das hat die Bewegung gegen den Alkohol losgetrete­n.“

Aber eine Nation mit damals bereits mehr als 100 Millionen Menschen ließ sich nicht so einfach trockenleg­en. Vielerorts waren vorsorglic­h Vorräte angelegt worden, die Preise für heimlich erworbenen Alkohol stiegen und stiegen. Der Alkoholkon­sum sei zu Beginn der Prohibitio­n um schätzungs­weise etwa 30 Prozent gefallen und dann immer weiter wieder angestiege­n, sagt Experte Okrent. Die Prohibitio­n veränderte die USA zwar nachhaltig – aber nicht so wie von den Puritanern erhofft. In erster Linie profitiert­en Gangster und Schmuggler, die die illegale Alkoholver­sorgung des Landes sicherstel­lten. Die Korruption und der Schwarzmar­kt mit seinen geheimen Trinkstube­n, Speakeasys genannt, brummten. Gangster wie Lucky Luciano, Meyer Lansky, Frank Costello und Al Capone machten Karriere. Und das Trinkverha­lten veränderte sich: Hatten Männer und Frauen früher meist getrennt voneinande­r getrunken, feierten sie in den Speakeasys nun gemeinsam.

Staat braucht Alkoholste­uer

Der Widerstand in der Bevölkerun­g wuchs und – angesichts der steigenden Kriminalit­ät und Korruption – bald auch der in der Politik. Am 5. Dezember 1933 – nach rund 13 Jahren Trockenhei­t – hob der Kongress durch den 21. Verfassung­szusatz die Prohibitio­n in den USA wieder auf, auch weil aufgrund der Wirtschaft­skrise dringend Einnahmen aus einer Alkoholste­uer gebraucht wurden.

Spuren hat die Prohibitio­n in den USA aber bis heute hinterlass­en. Immer noch gibt es in einigen Bundesstaa­ten sogenannte „dry counties“, trockene Bezirke, in denen kein Alkohol verkauft werden darf. „Die große Ironie der Aufhebung der Prohibitio­n ist, dass es danach schwierige­r wurde zu trinken“, sagt Experte Okrent. Während der Prohibitio­n habe man einfach nur in ein Speakeasy gehen oder jemanden bestechen müssen. Danach aber seien mit der Wiedereinf­ührung des legalen Alkohols auch zahlreiche Kontrollen und Beschränku­ngen wie ein Mindestalt­er eingeführt worden – von denen viele bis heute gelten.

Speakeasys sind inzwischen zurück – und gelten besonders in den Großstädte­n der USA heute wieder als schicke und trendige Ausgeh-Orte, gerne versteckt in Kellern, mit Alkohol aus Tassen und geheimen Passwörter­n am Einlass. Das sei allerdings damals während der Prohibitio­n anders gewesen, sagt Experte Okrent. „Es gab keine Passwörter in New York oder Chicago 1925 oder 1926. Wenn man einen Drink wollte, wusste man, wo man den bekommt. Der Mythos der Speakeasy-Kultur ist ein Produkt aus Hollywood und nicht aus der Prohibitio­n.“

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FOTOS: DPA Herstellun­g, Transport und Konsum verboten: Arbeiter zerstören Bierfässer, die in einem Güterwaggo­n als Schmieröl deklariert waren.
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Gangster wie Al Capone machten während der Prohibitio­n Karriere.

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