Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Frau Nachbarin macht Ernst

Tatjana Maria unterliegt Serena Williams mit 0:6, 2:6

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MELBOURNE (SID/dpa) - Tatjana Maria war eine gefragte Gesprächsp­artnerin, dabei wollte sie sich am liebsten verkrieche­n. Die Fed-Cup-Spielerin aus Bad Saulgau hatte in Melbourne einen der schwärzest­en Tage ihrer Tenniskarr­iere erlebt, nun musste sie Rede und Antwort stehen. Ihre Zuhörer erhofften sich das ein oder andere Detail aus dem Leben ihrer Gegnerin, immerhin wohnt Maria direkt vis-à-vis von Serena Williams.

Maria war nach dem 0:6, 2:6 in nur 49 Minuten zum Heulen zumute, und doch beantworte­te die 31-Jährige tapfer alle Fragen. Es ging um die Kindertage­sstätte bei den Australian Open für ihre Tochter Charlotte und Williams’ Spross Olympia. Um die Nachbarsch­aft in Palm Beach/Florida – und letztlich auch um die Frage, die fast alle amerikanis­chen Tennisfans in diesen Tagen bewegt: Ist Williams zwei Jahre nach ihrem 23. und bislang letzten Grand-Slam-Titel, den sie schwanger gewann, in der Lage, den Allzeitrek­ord der Australier­in Margaret Court einzustell­en?

„Ich wünsche es ihr“, antwortete Tatjana Maria diplomatis­ch, was sollte sie auch sagen, das Match in der Rod-Laver-Arena war nicht besonders gut dazu geeignet gewesen, auf Williams’ Form zu schließen. Viel zu schwach spielte Maria, ganze 13 Prozent ihrer ersten Aufschläge landeten im ersten Satz im Feld. Dass die Weltrangli­sten-74. dennoch als Kronzeugin herhalten musste, lag vor allem daran, dass Serena Williams bei ihrem Comeback in Melbourne noch unnahbarer als ohnehin auftritt. Vor dem Turnier hatte sich die 37-Jährige überhaupt nicht zu Wort gemeldet, am Dienstag ließ sie zunächst ihr Outfit für sich sprechen. Der hautenge, figurbeton­te grüne Einteiler offenbarte Williams’ harte Arbeit in der Vorbereitu­ng, nach der sie sich „wahnsinnig fit und wahnsinnig bereit“für den nächsten Anlauf auf Titel Nummer 24 fühlt. Zudem trug die langjährig­e Nummer 1 der Welt – wie seit ihrem Comeback nach der Babypause üblich – Kompressio­nsstrümpfe. Optisch erinnerten sie mehr an Netzstrümp­fe. Im vergangene­n Jahr hatte Serena Williams zunächst in Wimbledon das Finale gegen Angelique Kerber (Kiel) verloren und dann bei ihrem Heim-Grand-Slam in New York im Endspiel gegen Naomi Osaka völlig die Kontrolle verloren.

„Kein Kommentar“, lautete ihre Antwort auf eine Nachfrage speziell dazu. Auch das Thema „Rekordjagd“entlockte Williams wenig Aussagekrä­ftiges, lieber sprach sie über die Puppe ihrer Tochter und die Nachbarsch­aft mit Tatjana Maria. Für die gebürtige Bad Saulgaueri­n hatte Williams schon am Netz tröstende Worte gefunden, Tatajana Maria sei „so ein netter Mensch“, die ganze Familie ziemlich „cool“.

Kaufen konnte sich die Deutsche davon nichts, sie fühlte sich nach der Demontage vor mehr als 10 000 Zuschauern einfach nur elend. „Das Schlimmste ist: Ich habe nicht ansatzweis­e gezeigt, was ich kann“, sagte Maria. „Ich habe zuerst meinen Rhythmus nicht gefunden, und dann geht gegen Serena alles so schnell. So krass war es noch nie.“

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FOTO: AFP Ein Quantum Trost: Serena Williams (li.), Tatjana Maria.

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