Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aus der Zone in einen Verein

Berliner Fan-Zone setzt auf WM-Botschafte­r und Mitmach-Handball-Stationen – Clubfinder soll für den Nachwuchs sorgen

- Von Felix Alex

BERLIN - Er muss sich nun konzentrie­ren, geht in die Knie, tippelt los, immer schneller, die Frequenz erhöht sich, die Kurve schlägt aus, die Koordinati­on stimmt, noch etwas, dann ein abruptes Ende – Nathan Berlinicke ist mit seiner Leistung an dieser einen von insgesamt sechs Stationen, an denen in der Fan-Zone zur Handball-WM in Berlin die Sportart simuliert wird, zufrieden. Der Zwölfjähri­ge könnte nun drei Meter nach links gehen und den nächstgele­genen Handballve­rein zu seinem Wohnort finden. 4000 Vereine sind in einer Datenbank erfasst, die zehn nächstgele­genen werden der Postleitza­hl zugeordnet, ein Ansprechpa­rtner und die Kontaktdat­en erscheinen – alles für die Nachwuchsg­ewinnung. Dass Nathan die Voraussetz­ungen erfüllt, hat der Berliner bewiesen. Doch das ist in diesem Fall überflüssi­g, auch wenn es in der Berliner Fan-Zone, der Verti Music Hall, in Wurfweite zur Berliner WM-Heimstätte gelegen, ein leichtes wäre.

Doch Nathan Berlinicke ist schon Handballer, spielt Rückraum Mitte in der C- und D-Jugend des SV Buckow. Was Nathan und seine Eltern in die Fan-Zone geführt hat, ist die Liebe zu einem Sport, der dieser Tage in den Fokus rückt. Dass vor den Spielen ein Besuch in der Fan-Zone ansteht, ist für die drei selbstvers­tändlich. „Das ist doch eine gute Einstimmun­g auf die Spiele und generell Werbung für den Handball“, ist sich Vater Uwe Berlinicke sicher. Er selbst ist Trainer und Altherrens­pieler in Buckow, meint: „Handball ist einfach die geilste Sportart: schnell, jede Position hat etwas zu tun, niemand kann sich verstecken. Und es macht einfach Spaß.“

Die Familie muss also nicht mehr überzeugt werden. Doch ist das nicht immer so. Auch wenn Handball derzeit die Aufmerksam­keit erhält, welche die Mannschaft­ssportart Nummer 2 in Deutschlan­d eigentlich häufiger verdienen würde: Nachwuchs ist nie verkehrt, und was könnte dabei besser helfen als eine WM direkt vor der Tür? Dafür modifizier­te die internatio­nale Handballfö­deration extra die Regeln, instruiert­e die Schiedsric­hter, während der Spiele Fouls noch konsequent­er zu unterbinde­n, um den Sport noch fairer und noch schneller zu machen. Das Ziel: die Jugend – nicht nur in Deutschlan­d – in die Vereine zu locken.

Es-lebe-der-sport.de heißt die Internetse­ite, mit der das geschehen soll. „Jeder Handballve­rein freut sich über Talente [...] Du hast noch keinen Verein? Das lässt sich schnell ändern“, ist überall plakatiert – die Ausrichtun­g der Fan-Zone ist also eindeutig.

Blamieren manchmal inklusive

Vormittags gehört die große Halle den Jüngsten; sie spielen eine MiniWM aus. Nachmittag­s sind die Karteninha­ber Hauptklien­tel. „Allein an den ersten drei Tagen hatten wir 6000 Besucher. Es gibt sechs Aussteller, bei denen man sich zum Thema Handball betätigen kann, zudem zeigen wir alle Spiele live. Außerdem gibt es Besuche der WM-Botschafte­r – und das alles umsonst“, so eine der Organisato­rinnen, die einräumt: „Es wurde im Vorfeld nicht wirklich groß beworben, sonst wäre die Zahl der Fans wohl noch weitaus höher.“

Doch auch so: Einmal Teil der Handball-Nationalma­nnschaft sein, seinen Idolen ganz nah, anschließe­nd den virtuellen Torwart Andreas Wolff überlisten – all das ist in der Fan-Zone möglich. Sogar einfacher als im richtigen Leben – Wolff ist hier zu spät, der Ball dreht sich im Netz. Und dann geht es um Geschickli­chkeit, das Tor ist groß, Felder blinken auf, sie müssen mit dem Ball getroffen werden. Darauf stehen Botschafte­n wie: „Große Dramen, kein Schauspiel“, „Allstars statt Allüren“oder auch „Jedes Spiel ein Härtetest“.

Nun ist Rebekka Gong an der Reihe. Sie selbst spielt seit frühester Kindheit Handball, zwar im Tor, doch Treffsiche­rheit lernt frau auch dort. Gemeinsam mit Florian Wamser ist sie extra aus Würzburg angereist. „Wir sind drei Tage in der Halle und bei allen Spielen dabei, feuern aber vor allem die Deutschen an, auch wenn es mal nicht so läuft“, erzählt Wamser. Die beiden arbeiten Station für Station nacheinand­er ab. „Es ist doch toll, wenn man Zeit hat, dass man hier durchschle­ndern kann, Spaß haben und sich auch etwas blamieren“, freut sich Rebekka Gong. Warum gerade Handball und nicht irgendein anderer Sport? „Ganz klar, wegen der Gemeinscha­ft. Man findet dort Freunde fürs Leben.“

Ähnlich sieht es auch Ex-Weltklasse-Handballer Stefan Kretzschma­r. „Hier wird die Kameradsch­aft noch groß geschriebe­n. Bei den Kindern geht es ja erst mal um Spaß und Leidenscha­ft. Und dass, wenn diese erst mal entflammt ist, man dran bleibt“, verdeutlic­ht der Ex-Nationalsp­ieler.

Wo wir wieder bei Familie Berlinicke wären. Nathan ist gerade im Duell mit Andreas Wolff. 69 km/h werden bei seinem Wurf zusammenge­kommen sein. Wie er zum Handball kam? „Meine großen Brüder haben schon Handball gespielt, ich bin einfach so reingeruts­cht.“Für alle anderen gibt es die Fan-Zone.

„Bei den Kindern geht es ja erst mal um Spaß und Leidenscha­ft.“Stefan Kretzschma­r

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FOTOS: FELIX ALEX Teil des Teams: Rebekka Gong und Florian Wamser in der Fan-Zone, Berlins Fuchsi mit Ebenbild.
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