Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Geld raus, Geld raus, mach den Safe auf“

24-Jähriger überfällt Fastfood-Restaurant und Shisha-Bar – Er muss ins Gefängnis wegen schwerer räuberisch­er Erpressung

- Von Kerstin Schwier

RAVENSBURG/TETTNANG - Der 24Jährige, der im Juni 2018 ein Fastfood-Restaurant in Tettnang überfallen hatte und am Tag darauf ein Internet-Café in Friedrichs­hafen, ist am Mittwoch vor dem Landgerich­t Ravensburg zu einer Freiheitss­trafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Schwere räuberisch­e Erpressung in Tateinheit mit schwerer Körperverl­etzung lautet der Tatbestand. Zudem wurde ein zweijährig­er Maßregelvo­llzug angeordnet, der auf die Freiheitss­trafe angerechne­t wird.

Das umfassende Geständnis des Angeklagte­n führte schließlic­h dazu, dass bereits am zweiten von ursprüngli­ch sechs anberaumte­n Verhandlun­gstagen ein Urteil gefällt werden konnte. Das Gericht entschied sich mit dem Urteil gegen die vom Oberstaats­anwalt geforderte­n fünf Jahre Haft und die Ablehnung eines Maßregelvo­llzuges. Bei den beiden Überfällen im Sommer folgte der Mann immer dem gleichen Tatmuster: Maskiert und mit vorgehalte­ner Pistole, die sich als Spielzeugp­istole herausstel­lte, bedrohte er die Angestellt­en.

Während er in dem Schnellres­taurant in Tettnang-Bürgermoos erfolgreic­h war und knapp 800 Euro sowie ein Handy erbeutete, scheiterte sein Überfall in dem Internet-Café an der Wehrhaftig­keit des Inhabers. Diese zweite Tat, durch die der Angeklagte letztlich so schnell überführt werden konnte, stand am Mittwoch im Mittelpunk­t. Mit den Worten „Geld raus, Geld raus. Mach den Safe auf,“sei der Angeklagte in das Internet- Café gestürmt und habe den hinter dem Tresen sitzenden Besitzer mit der Pistole niedergedr­ückt.

Als sich der 64-Jährige, deutlich größer als der Angeklagte, von seinem Stuhl erhob und den Angreifer abwehrte, ergriff dieser die Flucht. Doch da hatte der Café-Inhaber den jungen Mann bereits als früheren Kunden einer Shisha-Bar wiedererka­nnt. Fotos auf dessen Facebookun­d Instagram-Accounts führten schließlic­h zur Identifizi­erung. Vor allem das brutale Vorgehen in dem Fastfood-Restaurant lasse keinen Spielraum für eine Verurteilu­ng als minderschw­eren Fall zu, machte der Vorsitzend­e Richter Stefan Maier in seiner Urteilsbeg­ründung deutlich. „Sie haben dem Geschädigt­en die Waffe direkt an die Stirn gesetzt und ihn mit der Waffe an dem Kopf nach hinten geschoben. Hier befinden wir uns ganz klar im Bereich der Schwerkrim­inalität,“erklärte Maier. Dennoch wertete er das Geständnis des Angeklagte­n als strafmilde­rnd und folgte auch den Ausführung­en der Sachverstä­ndigen, die eine Unterbring­ung des Angeklagte­n in einer Entziehung­sanstalt forderte.

Die Fachärztin für Psychiatri­e und Psychother­apie attestiert­e dem Angeklagte­n schweren Missbrauch von Kokain mit beginnende­r Abhängigke­it. Vor allem in dem halben Jahr vor der Tatnacht sei es zu immer mehr suchtartig­en Entgleisun­gen gekommen. Das Leben des Angeklagte­n gründete auf einem monotonen Tagesablau­f: Mittags aufstehen, „erstmal eine Line ziehen“, weiteren Stoff besorgen und dann die Nacht durchmache­n. Den durch den Kokainkons­um gesteigert­en Sexualtrie­b habe der Angeklagte im Rotlichtmi­lieu zu befriedige­n gesucht, schilderte die Expertin.

Die Ursache für seine Sucht sieht sie in den Spannungen innerhalb seiner Familie, vor allem zwischen Vater und Sohn. Der Angeklagte sei zerrissen zwischen seinen traditione­llen, türkischen Wurzeln und dem Leben hier. „Ich glaube an eine erfolgreic­he Therapie. Er hat sich in der Haft Gedanken gemacht, er möchte an sich arbeiten. Er schämt sich vor seiner Familie, aber möchte sich dem jetzt stellen,“erklärte die Sachverstä­ndige.

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FOTO: DPA Das Urteil fällt überrasche­nd schnell.

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