Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Reisen bildet
Da war er wieder, ein Moment, an dem ich zu der Überzeugung kam, dass ich in manchen Angelegenheiten doch traditionelle Ansichten habe: Beim Elternabend für die Kursstufenschüler am Gymnasium wurden die verschiedenen Studienfahrten für den Abijahrgang 2020 vorgestellt, zu dem auch mein Erstgeborener gehört.
Rückblickend ist mir auch niemand aufgefallen, der den ganzen Angeboten irgendwie skeptisch gegenüberstand und ich selbst war schlicht geplättet vom Umfang: Madrid, Israel, Andalusien, Malta, Lissabon, Liparische Inseln, Meeresbiologie am Cap Roig und eine Reise in die Toskana, die im Vergleich fast brav anmutete. Die meisten Studienfahrten beinhalten einen Flug, keine davon ist unter 550 Euro zu haben, schon ein ganz ordentliches Niveau für Schüler, oder meine das nur ich?
Vergeblich suchte ich nach Berlin für alle, Rom für die „Lateiner“oder Paris für die „Franzosen“, wo wir damals in einfachen Jugendherbergen übernachtet, das Ganze minutiös vorbereitet und ein Programm absolviert haben, dass doch noch etwas mit unseren Schwerpunktfächern zu tun hatte… Aber vermutlich bin ich von vorgestern, wenn ich denke, dass jeder deutsche Abiturient einmal auf den Spuren der deutschen Geschichte in Berlin wandeln sollte, die Mauer nacherleben, historische Schauplätze und Gedenkstätten aufsuchen und auch unseren Regierungssitz kennenlernen, bevor er oder sie die Schule verlässt – denn eine solche Reise bildet mit Erleben und Verstehen, auch wenn’s in Zeiten des Internets vielleicht altmodisch klingt…