Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Teilrodung scheint im Seewald möglich
Gutachter legen Datenmaterial vor – Fledermäuse stehen auf der Roten Liste
FRIEDRICHSHAFEN - Bis ein Teilstück des Seewaldes gerodet werden könnte, um dort die Erweiterung der Firmen Liebherr Aerospace GmbH und ATT GmbH zu bauen, sind noch viele Hürden zu nehmen. Ein kleines Stück Aufklärung dazu liefert ein Umweltbericht der Arbeitsgruppe für Tierökologie und Planung Jürgen Trautner aus Filderstadt. Der weist streng geschützte Tierarten nach. Die Biologen räumen aber die Möglichkeit ein, dass die Unternehmenserweiterung und eine Teilrodung umgesetzt werden können.
Die Unternehmen wollen erweitern. Dazu müssten, weil es nach bisherigem Stand der Dinge an keiner anderen Stelle in der Adelheidstraße möglich sei, Teile des Seewaldes entlang der Bahnlinie gerodet werden. Der Gemeinderat will vorher jedoch alle Fragen geklärt haben, weil eine solche Teilrodung nicht nur einen schwerwiegenden Eingriff in die Natur, sondern für einige Häfler auch den Beginn von weiteren Rodungen für die Industrie darstellt.
Funktion des Biosystems erhalten
Eine Frage, die im Gemeinderat gestellt wurde, war die nach den sogenannten artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen des Paragrafen 44 Bundesnaturschutzgesetz. Dieses Gesetz beschreibt die Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten und zeigt auf, was in diesem Zusammenhang verboten ist. In den Unterlagen ist die Antwort klar und deutlich zu lesen: „Vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen Fragmentierung der beiden Teilgebiete des geplanten Gewerbestandortes sowie Biologie und Lebensraumansprüchen der betroffenen Arten (...) ist nicht davon auszugehen, dass artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des Paragrafen 44 BNatSchG vermieden werden können.“Daher sei eine Realisierung des Bauvorhabens voraussichtlich „nur im Rahmen einer artenschutzrechtlichen Ausnahme zu erwarten, soweit die Rahmenbedingungen hierfür erfüllt werden können“. Zudem sind weitere Maßnahmen und ein enormer Flächenausgleich zu leisten, um die Funktion des Biosystems wiederherzustellen.
Was das genau bedeutet, hat die „Schwäbische Zeitung“die Gutachter gefragt. Jürgen Trautner beantwortet die Frage, was nötig ist, um die angesprochene „artenschutzrechtliche Ausnahme“zu erwirken. Dazu müssten gegenüber dem Regierungspräsidium Tübingen unter anderem das Fehlen zumutbarer Alternativen für die Bauvorhaben nachgewiesen werden, sagt der Gutachter. Auch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und bestimmte fachliche Kriterien müssen dargestellt werden. Daraufhin entscheide das Regierungspräsidium.
Wie hoch der Maßnahmen- und Flächenbedarf für die Funktionserhaltung des Biosystems sein wird, kann der Biologe nicht beantworten: „Das ist derzeit noch nicht genau zu sagen, sondern erst Ergebnis weiterer Analysen und Planungen.“
An sich halten die Gutachter es im vorliegenden Fall für möglich, die genannten Ausnahmen zu ereichen und damit einen Teil des Waldes roden zu dürfen. „Sonst wäre in unserem Bericht bereits dezidiert darauf hingewiesen worden, dass – unabhängig von einem voraussichtlich hohen Maßnahmenbedarf und dass es sich natürlich um einen erheblichen Eingriff handelt – fachlich grundsätzliche Hemmnisse oder Ausschlussgründe gesehen werden.“Es gebe aber noch weitere Rahmenbedingungen, die die Unternehmen nachweisen müssen und die die Gutachter Stand heute nicht beurteilen können, weil sie nicht in ihren Fachbereich fallen. Diese beziehen sich nicht auf Flora und Fauna.
Die Untersuchung liegt bereit seinige Jahre zurück .„ Die Stadtverwaltung Friedrichshafen hat in den Jahren 2011/2012 ein Gewerbe flächen entwicklungs konzept erarbeitet, in dem neben dem Bedarf auch dargelegt wird, dass die derzeitigen gewerblichen Flächenreserven in hohem Maße aufgebraucht sind. Nach Angaben des Planungsträgers soll durch die Neuausweisung des neuen Gewerbegebietes „GE Flughafen Süd-Ost“der Gewerbestandort Friedrichshafen längerfristig gesichert und gestärkt werden“, ist in dem Gutachten zu lesen. Die untersuchte Fläche besteht daher auch aus dem kompletten Waldstück entlang der Bahnlinie bis zur Bebauung Lochbrücke. Den Datenbestand datieren die Gutachter mit dem Jahr 2013, Auswertung und Dokumentation erfolgte 2018. Auch das hat Gründe. Zum einen wird für die Erweiterung der beiden Unternehmen nicht die gesamte untersuchte Fläche gebraucht, zum anderen war die Bearbeitung auf Veranlassung der Stadt 2013 zurückgestellt worden.