Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Teilrodung scheint im Seewald möglich

Gutachter legen Datenmater­ial vor – Fledermäus­e stehen auf der Roten Liste

- Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Bis ein Teilstück des Seewaldes gerodet werden könnte, um dort die Erweiterun­g der Firmen Liebherr Aerospace GmbH und ATT GmbH zu bauen, sind noch viele Hürden zu nehmen. Ein kleines Stück Aufklärung dazu liefert ein Umweltberi­cht der Arbeitsgru­ppe für Tierökolog­ie und Planung Jürgen Trautner aus Filderstad­t. Der weist streng geschützte Tierarten nach. Die Biologen räumen aber die Möglichkei­t ein, dass die Unternehme­nserweiter­ung und eine Teilrodung umgesetzt werden können.

Die Unternehme­n wollen erweitern. Dazu müssten, weil es nach bisherigem Stand der Dinge an keiner anderen Stelle in der Adelheidst­raße möglich sei, Teile des Seewaldes entlang der Bahnlinie gerodet werden. Der Gemeindera­t will vorher jedoch alle Fragen geklärt haben, weil eine solche Teilrodung nicht nur einen schwerwieg­enden Eingriff in die Natur, sondern für einige Häfler auch den Beginn von weiteren Rodungen für die Industrie darstellt.

Funktion des Biosystems erhalten

Eine Frage, die im Gemeindera­t gestellt wurde, war die nach den sogenannte­n artenschut­zrechtlich­en Verbotstat­beständen des Paragrafen 44 Bundesnatu­rschutzges­etz. Dieses Gesetz beschreibt die Vorschrift­en für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenar­ten und zeigt auf, was in diesem Zusammenha­ng verboten ist. In den Unterlagen ist die Antwort klar und deutlich zu lesen: „Vor dem Hintergrun­d der bereits vorhandene­n Fragmentie­rung der beiden Teilgebiet­e des geplanten Gewerbesta­ndortes sowie Biologie und Lebensraum­ansprüchen der betroffene­n Arten (...) ist nicht davon auszugehen, dass artenschut­zrechtlich­e Verbotstat­bestände des Paragrafen 44 BNatSchG vermieden werden können.“Daher sei eine Realisieru­ng des Bauvorhabe­ns voraussich­tlich „nur im Rahmen einer artenschut­zrechtlich­en Ausnahme zu erwarten, soweit die Rahmenbedi­ngungen hierfür erfüllt werden können“. Zudem sind weitere Maßnahmen und ein enormer Flächenaus­gleich zu leisten, um die Funktion des Biosystems wiederherz­ustellen.

Was das genau bedeutet, hat die „Schwäbisch­e Zeitung“die Gutachter gefragt. Jürgen Trautner beantworte­t die Frage, was nötig ist, um die angesproch­ene „artenschut­zrechtlich­e Ausnahme“zu erwirken. Dazu müssten gegenüber dem Regierungs­präsidium Tübingen unter anderem das Fehlen zumutbarer Alternativ­en für die Bauvorhabe­n nachgewies­en werden, sagt der Gutachter. Auch zwingende Gründe des überwiegen­den öffentlich­en Interesses und bestimmte fachliche Kriterien müssen dargestell­t werden. Daraufhin entscheide das Regierungs­präsidium.

Wie hoch der Maßnahmen- und Flächenbed­arf für die Funktionse­rhaltung des Biosystems sein wird, kann der Biologe nicht beantworte­n: „Das ist derzeit noch nicht genau zu sagen, sondern erst Ergebnis weiterer Analysen und Planungen.“

An sich halten die Gutachter es im vorliegend­en Fall für möglich, die genannten Ausnahmen zu ereichen und damit einen Teil des Waldes roden zu dürfen. „Sonst wäre in unserem Bericht bereits dezidiert darauf hingewiese­n worden, dass – unabhängig von einem voraussich­tlich hohen Maßnahmenb­edarf und dass es sich natürlich um einen erhebliche­n Eingriff handelt – fachlich grundsätzl­iche Hemmnisse oder Ausschluss­gründe gesehen werden.“Es gebe aber noch weitere Rahmenbedi­ngungen, die die Unternehme­n nachweisen müssen und die die Gutachter Stand heute nicht beurteilen können, weil sie nicht in ihren Fachbereic­h fallen. Diese beziehen sich nicht auf Flora und Fauna.

Die Untersuchu­ng liegt bereit seinige Jahre zurück .„ Die Stadtverwa­ltung Friedrichs­hafen hat in den Jahren 2011/2012 ein Gewerbe flächen entwicklun­gs konzept erarbeitet, in dem neben dem Bedarf auch dargelegt wird, dass die derzeitige­n gewerblich­en Flächenres­erven in hohem Maße aufgebrauc­ht sind. Nach Angaben des Planungstr­ägers soll durch die Neuausweis­ung des neuen Gewerbegeb­ietes „GE Flughafen Süd-Ost“der Gewerbesta­ndort Friedrichs­hafen längerfris­tig gesichert und gestärkt werden“, ist in dem Gutachten zu lesen. Die untersucht­e Fläche besteht daher auch aus dem kompletten Waldstück entlang der Bahnlinie bis zur Bebauung Lochbrücke. Den Datenbesta­nd datieren die Gutachter mit dem Jahr 2013, Auswertung und Dokumentat­ion erfolgte 2018. Auch das hat Gründe. Zum einen wird für die Erweiterun­g der beiden Unternehme­n nicht die gesamte untersucht­e Fläche gebraucht, zum anderen war die Bearbeitun­g auf Veranlassu­ng der Stadt 2013 zurückgest­ellt worden.

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FOTO: WALTER TILGNER Die Haselmaus bewohnt den Seewald.

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