Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Respekt erhält nur, wer selbst respektvoll ist
René Borbonus spricht auf Einladung der Wirtschaftsjunioren über ein altmodisches und topaktuelles Thema
LINDAU - Respekt ist keineswegs altmodisch, sondern topaktuell. Denn die meisten Menschen vermissen Respekt. Er kann Firmen erfolgreich und Menschen gesund machen. Wie jeder dazu beitragen kann, die Welt respektvoller zu machen, hat TopRedner René Borbonus auf Einladung der Wirtschaftsjunioren erklärt.
Seit fast 50 Jahren laden die jungen Führungskräfte der heimischen Wirtschaft zu den Lindauer Wirtschaftsgesprächen illustre Gäste ein. Nach Theo Waigel und Gregor Gysi gingen Vorsitzender Florian Daiber und Vize Sonja Jöckel heuer das Risiko ein, mehr auf ein Thema als auf einen bekannten Namen zu setzen. Doch das hat sich gelohnt, wie mehr als 500 Gäste am Dienstagabend im Stadttheater bewiesen. Dass es ihnen gefallen hat, bewies die Spendenbereitschaft: Fast 1400 Euro kamen zusammen, die Daiber für einen guten Zweck überreichen will.
Denn Respekt ist keine Tugend aus der Zeit der Großeltern. Borbonus, der als einer der besten Redner hierzulande gilt, bewies in anderthalb Stunden, wie aktuell das Thema ist und wie wichtig Respekt für unsere Gesellschaft ist. „Ohne Respekt versinkt die Welt im Chaos“, habe schon die Comic-Figur He-Man, der Held seiner Kindheit, gesagt. Tatsächlich fordere jeder Respekt für sich ein – zu Recht, denn der Mangel an Respekt mache krank. Und Firmen, in denen respektvoller Umgang herrscht, seien nachweislich erfolgreicher. Um die Wirksamkeit dieser Tugend in Verhören wisse sogar der CIA, wie Borbonus zusammenfasst: „Respekt schlägt Folter.“
Schnelligkeit und Anonymität führen zu Respektlosigkeit
Das Problem liegt aber darin, dass jeder selbst was tun muss, um Respekt zu erhalten: „Wer Respekt möchte, muss in der Lage sein, respektvoll zu sein“, erklärt Borbonus. Und das ist einfacher gesagt als getan. Denn fast jeder sei am respektlosen Klima beteiligt. Das gelte nicht nur fürs Fernsehen: „Respektlosigkeit unterhält uns.“Talk-Shows ebenso, wie im Kabarett, aber auch das sogenannte Reality-TV, wie zum Beispiel das Dschungelcamp, sind umso erfolgreicher, je respektloser sie sind.
Das gilt auch für die Politik, in der erfolgreich ist, wer gut zuspitzen und streiten kann. Facebook und Co. verstärken diesen Effekt, weil dort Schnelligkeit gefragt ist und kein überlegtes Handeln. Dies werde noch schlimmer, wenn man nicht unter seinem richtigen Namen auftreten müsse: „Anonymität lässt uns jede gute Kinderstube vergessen.“
Dabei – und darin ist Borbonus ganz sicher – stecke in den meisten Fällen keine Bösartigkeit hinter den Respektlosigkeiten: „Nur einer von hundert ist bösartig.“Stattdessen sei jeder Einzelne verantwortlich, wie Borbonus seine Zuhörer direkt ansprach: „Sie alle sind sehr oft respektlos. Aber meistens sind Sie das aus Versehen.“
Denn im Alltag seien Bagatellisierungen („Das ist doch nicht so schlimm!“) ebenso respektlos, wie Dramatisierungen („Ich könnte das nicht!“). Auch im Widerstreit zwischen Verbundenheit und Unabhängigkeit komme es vor allem zwischen Partnern sowie Eltern und Kindern oft zu Respektlosigkeiten: „In jedem Verbundenheitsmanöver steckt auch ein Machtmanöver.“Auch die meisten Warum-Fragen seien nichts anderes als Respektlosigkeiten, das gelte auch für Suggestivfragen, die andere ins Unrecht setzen, egal ob es sich um die eigenen Kinder oder Mitarbeiter in der Firma handelt. Auch wenn viele Rhetorikbücher Suggestivfragen geradezu empfehlen, hält Borbonus offene Kritik für viel besser und wirkungsvoller.
Am schlimmsten sei es, offen die Glaubwürdigkeit des Gegenüber infrage zu stellen. Wenn ein Dialog mit „Du hast doch gesagt, dass ...“beginnt, könne kein gutes Gespräch mehr folgen. Damit mache man Menschen zu Lügnern und nehme ihnen die Würde. Das gelte auch für den Satz: „Da haben Sie mich falsch verstanden.“Viel besser wäre: „Da habe ich mich falsch ausgedrückt.“Solche Dialoge enden meist sehr aggressiv. Loriot allerdings habe in einem kurzen Sketch meisterhaft beschrieben, wie man sich richtig verhalten und offenen Streit vermeiden könne.
Wichtig sei zudem, den richtigen Kontext seiner Worte zu beachten. Als Beispiel nannte Borbonus Obama, der für seinen Satz „Yes we can“nach wie vor gefeiert werde, während Merkel für die glatte Übersetzung „Wir schaffen das“Prügel beziehe.
Mit dem Kopf spontane Gefühlsregungen kontrollieren
Übel sei auch das ständige Vergleichen, das zudem meist dazu führe, dass man nicht über den anderen, sondern über sich selbst spreche. Verschärft werde das, weil die meis- ten Menschen nicht richtig Nein sagen können. Wer die Ablehnung einer Bitte, die sehr wohl immer erlaubt ist, begründet, hat schon verloren, denn das endet immer in der Respektlosigkeit eines der Beteiligten. Eltern mit kleinen Kindern wissen das ganz genau. Besser sei es, die Bitte des anderen höflich aufzunehmen, einfach abzulehnen und möglichst eine Alternative anzubieten.
Weil die Respektlosigkeiten bei uns Menschen Gefühle wie Wut, Angst, Kränkung oder Trauer wecken und wir in der Evolution bestimmte Reaktionsmuster gelernt haben, sei es sinnvoll, diese Situatio-
René Borbonus
nen mit dem Verstand zu steuern, damit eine Spirale der Respektlosigkeiten erst gar nicht in Gang kommt. Denn meist füge einem niemand mit Absicht Schaden zu, und existentiell bedrohend seien die meisten Situationen auch nicht. Wenn man sich das klarmache und seine Gefühle hinterfrage, könne man vieles in Luft auflösen – oder in Humor, wie Borbonus unter Verweis auf Eckart von Hirschhausen empfiehlt: Auf dessen Rat hin hat er im Auto immer eine rote Clownsnase, die er aufsetzt, bevor er sich über Drängler ärgert. Das erspare Ärger und viele Punkte in Flensburg.
Borbonus schloss mit dem Rat an seine Zuhörer, häufiger über die eigene Kommunikation nachzudenken: „Machen wir die Welt zu einem besseren Ort. Und am Anfang steht das Wort.“
„Worte verletzen und können heilen. Und deshalb achte auf deine Worte.“