Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eine wehrhafte Demokratin

Die Journalist­in und Autorin Erika Dillmann wird zur Grande Dame der Freien Wähler

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TETTNANG (sz) - Im Rahmen unserer Serie „100 Jahre Frauenwahl­recht“stellen wir Ihnen an drei Samstagen Gemeinderä­tinnen aus der Tettnanger Geschichte vor. Die Porträts entstammen der Broschüre „Mutig. engagiert, weiblich. 100 Jahre Frauen im Tettnanger Gemeindera­t“. Den Abschluss nach Marie Leuthi und Paula Thanner macht Erika Dillmann. Sie saß von 1971 bis 1984 für die Freien Wähler im Gemeindera­t. Die Journalist­in und Autorin war wehrhaft und meinungsst­ark und nahm dabei auch im Gespräch mit einem Wirtschaft­sminister kein Blatt vor den Mund, wie Cosima Kehle in ihrem Text schildert.

Bürgermeis­ter Harald Meichle verlieh Erika Dillmann für ihren Einsatz als Gemeinderä­tin im Jahr 1999 die Goldene Stadtmedai­lle. Sie habe das Amt „mit der Schläue einer Frau“ausgeübt. Wie Erika Dillmann dieses

Lob aufnahm, ist nicht überliefer­t. Wahrschein­lich hatte sie nichts dagegen, denn obwohl sie ihr ganzes Leben lang berufstäti­g und ohne eigene Familie war, liest man von ihr immer wieder Sätze über das Wesen der Frau, wie beispielsw­eise diesen, die Frau sei „von Natur aus in der Liebe zuhause“.

Für sich selbst hatte sie andere Überzeugun­gen: Schreiben, Reden und die Berufstäti­gkeit waren für sie das Wichtigste. Sie ließ sich von niemandem den Schneid abkaufen, wie eine ihrer Erinnerung­en zeigt: „Natürlich bin ich gelegentli­ch an Grenzen gestoßen . .... Ich erinnere mich da an meine erste Begegnung mit dem späteren Wirtschaft­sminister Martin Herzog, der damals gerade Landrat des Bodenseekr­eises geworden war und reihum Städte und Gemeinden besuchte. Bei einem Empfang im Tettnanger Rathaus stand man, wie üblich, mit dem Glas in der Hand herum, und der Gast wollte mir etwas Freundlich­es sagen, als er bemerkte, wie wichtig Frauen im Gemeindera­t seien, es gebe ja so viele soziale Aufgaben. Ich reagierte prompt und vielleicht auch etwas schroff; ich sagte, ich dächte nicht daran, mich auf ein Gebiet festlegen zu lassen, ich sei für alle Sparten der Kommunalpo­litik gewählt, wie ja auch das Soziale alle Stadträte angehe, nicht nur die Frauen.“

Erika Dillmann wurde 1919 in München geboren, machte 1938 ihr Abitur und studierte von 1941 bis 1945 Geschichte, Deutsch sowie slawische Sprachen. Mit ihrem Verlobten wollte sie nach dem Krieg in die USA auswandern, weshalb sie 1945 eine landwirtsc­haftliche Lehre begann. Die Zeit der Trennung im Krieg hatte das junge Paar jedoch entfremdet, weshalb Erika Dillmann alleine nach Tettnang auf den Obstbaubet­rieb Landerer im Schäferhof ging.

Sie wurde in Tettnang heimisch und aus anfänglich­en Zeitungsbe­richten über den Obstbau in der Bodenseege­gend entwickelt­e sich eine vielfältig­e und steile Karriere: Ab 1955 war sie zwölf Jahre lang als Redakteuri­n der Lokalausga­be Tettnang der Schwäbisch­en Zeitung tätig. Danach arbeitete sie elf Jahre lang auf der Messe Friedrichs­hafen, der IBO und als Organisato­rin des „Europäisch­en Kongresses für Textverarb­eitung“, eine damals hochkaräti­ge Veranstalt­ung.

Daneben war sie als Werbetexte­rin, Buchautori­n und Rednerin tätig, diese Aufgaben führte sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2010 aus. Im Jahr 1999 erhielt sie für ihre Arbeit als Autorin des Bodenseera­umes das Bundesverd­ienstkreuz. Bei der Verleihung wurde betont, sie habe dies nicht „wie üblich für klassische Ehrenämter“erhalten, sondern für ihr Wirken als Autorin des Bodenseera­umes.

Erika Dillmann war das öffentlich­e Sprechen und Gesehen-werden gewohnt. Sie kannte sich durch ihre Arbeit als Redakteuri­n bestens im Lokalen aus. Insofern war sie für das Amt einer Gemeinderä­tin prädestini­ert. Sie war Mitglied im Technische­n Ausschuss, Sozialauss­chuss, Kulturauss­chuss sowie Umlegungsa­usschuss Bürgermoos und Hoher Rain. Zeitlebens blieb sie die „Grande Dame der Freien Wähler Tettnangs“, wie es Alexander Mayer in seinem Nachruf geschriebe­n hat.

Erika Dillmann wehrte sich selbstbewu­sst gegen weibliche Rollenzusc­hreibungen, die auch ihr nicht erspart blieben.

Die digitale Broschüre „Mutig, engagiert, weiblich. 100 Jahre Frauen im Tettnanger Gemeindera­t“gibt es im Internet als pdf-Datei unter www.tettnang.de/tt/pdf/de/ Frauen-im-Gemeindera­t.pdf

Alle bisher erschienen­en Teile der Serie finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/ frauenwahl-tt

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FOTO: WEISS Erika Dillmann an einem 23. April, dem Tag des Buches: Das Wort ist ihr immer wichtig gewesen.
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FOTO: STADTARCHI­V Erika Dillmann.

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