Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Frühere Hauptpost rüstet sich für die Kunst

Mitte März soll der Umbau fertig sein – Hundertwas­ser-Ausstellun­g in neuen Räumen

- Von Yvonne Roither

LINDAU - Wo einst Pakete am Schalter aufgegeben wurden, werden in wenigen Wochen wertvolle Kunstwerke in Millionenh­öhe hängen. Damit die Wandlung von einem Postgebäud­e in einen modernen Ausstellun­gsraum gelingt, sind jetzt vor allem die Handwerker gefragt. Sie arbeiten rund um die Uhr, um Auflagen einzuhalte­n, die selbst erfahrene Kunstschaf­fende staunen lassen. Denn wer teure Kunstwerke aus der Hand gibt, der stellt Ansprüche – vor allem in puncto Sicherheit und richtiger Aufbewahru­ng. Die Schwäbisch­e Zeitung hat sich umgeschaut.

Die großen Fenster des alten Postgebäud­es sind blind. Kein Sonnenlich­t, kein neugierige­r Blick dringt mehr durch die großen Scheiben. Im gesamten Erdgeschos­s gibt es keine Außenfenst­er mehr. Sie sind zugemauert nach einem speziellen System, das ein Durchdring­en unmöglich macht. Nicht alle Sicherheit­svorkehrun­gen sind so offensicht­lich. Aber es gibt sie, reichlich.

„Ich kann aus Versicheru­ngsgründen keine Details verraten“, sagt Lindaus Kulturamts­leiter Alexander Warmbrunn, der nur so viel preisgibt: „Der Ausstellun­gsraum ist auf höchstem internatio­nalen Standard.“Ein Thema, das Warmbrunn schon lange beschäftig­t. Gleich zu Beginn, als das Postgebäud­e als Interimslö­sung für die Ausstellun­gen im Gespräch war, habe es eine Begehung mit Kunstsachv­erständige­n gevertrag geben. „Da wurde genau besprochen, was gemacht werden muss“, sagt Warmbrunn. „Diese Vorgaben können die meisten Provinzmus­een nicht leisten.“Lindau hat seine Hausaufgab­en gemacht, bekam die höchste Sicherheit­sklasse. „Da kann keine Maus mehr rein.“Ein strahlungs­armes LED-System und eine hochwertig­e Klimaanlag­e gehörten auch zu den internatio­nalen Standards, die Lindau erfülle.

Für Warmbrunn ist das Postgebäud­e ein Glücksfall. Denn das alte bayerische Königliche Postamt aus der Belle Époque ist nicht nur architekto­nisch imposant. Es steht auch zentral, mitten auf der Insel, und bietet Besuchern eine gute Anbindung mit Zug und Schiff. Und es wird, da ist er sich sicher, im Hinblick auf die Gartenscha­u und die Umgestaltu­ng der Hinteren Insel ein „wichtiger Schnittpun­kt“.

„Wir haben viel Hirnschmal­z investiert“

Rund eine halbe Million Besucher haben die acht Lindauer Ausstellun­gen bislang gesehen, 400 bis 500 Schulklass­en pro Ausstellun­g haben Führungen und Workshops besucht: Eine Interimslö­sung zu suchen für die Zeit, in der der Cavazzen ausgebaut wird, dafür sprachen schon die nackten Zahlen. Es wäre aber auch schwierig, nach fünf Jahren Abstinenz wieder mit großen Ausstellun­gen zu starten, räumt Warmbrunn ein. „Wir sind froh, diesen Raum gefunden zu haben“, sagt er. Der Miet- geht über fünf Jahre. Die Frage, wie sich die Schalterha­lle der Post als Ausstellun­gsraum nutzen lässt, stellte Warmbrunn, aber auch die Mitarbeite­r des Lindauer Hochbauamt­es vor eine Herausford­erung. Wichtige Faktoren waren die Sicherheit und die Klimatechn­ik. Aber auch über Hängefläch­en und die Gestaltung von Besucherfü­hrungen haben sie gegrübelt. „Wir haben viel Hirnschmal­z investiert“, sagt Warmbrunn, der die Räume so planen musste, dass sie nicht nur für zukünftige Ausstellun­gen nutzbar sind, sondern auch noch schön sind, aber nicht zu teuer werden. Denn das Budget sei mit 320 000 Euro Umbaukoste­n „überschaub­ar“.

Handwerksf­irmen hatten „Lust auf dieses Projekt“

Das alte Postgebäud­e ist mehr als eine Notlösung. 250 Quadratmet­er und hundert Laufmeter Hängefläch­e haben die neuen Räume zu bieten. Er könne hier also rund 40 Prozent mehr Bilder aufhängen als im Cavazzen, rechnet Warmbrunn vor, und mehrere Besuchergr­uppen gleichzeit­ig durch die Ausstellun­g führen. Die über vier Meter hohen Decken ließen zudem ein anderes Raumgefühl als im gedrungene­n Gewölbe des Cavazzen entstehen. „Da sind ganz andere Formate möglich“, freut sich Warmbrunn. Der Ausstellun­gsraum mit nur sechs festgefügt­en Säulen lasse es zu, flexibel zu agieren. So können die Kunstmache­r von Ausstellun­g zu Ausstellun­g variabel die Wände setzen. Für Hundertwas­ser soll mit Zwischenwä­nden eine Art Labyrinthc­harakter entstehen, das mit einem „interessan­ten Farbkonzep­t“ abgerundet wird. „Der Zeitplan war sportlich“, sagt Hilmar Ordelheide, Leiter des Hochbauamt­es. Denn die Entscheidu­ng für die frühere Post ist erst im Oktober gefallen. Von Vorteil war, dass sie in dem Gebäude schon viel Infrastruk­tur nutzen konnten, um die Technik einzubauen.

„Die größte Herausford­erung war die Koordinati­on der Firmen“, sagt sein Mitarbeite­r Jan Netzer. Teilweise seien fünf Gewerke gleichzeit­ig am Arbeiten gewesen. Man habe gespürt, dass die Firmen „Lust auf dieses Projekt“hatten. Mitte März müssen sie fertig sein. Es sieht gut aus: Bisher sind sie im Zeit- und im Kostenplan, sagt Warmbrunn. Wer das barrierefr­eie Gebäude betritt, trifft zunächst auf den Kassen- und Shopbereic­h. Im früheren Arkadengan­g kommen nun Schließsch­ränke und Garderobe unter. Zudem wird es einen extra Medienraum geben, der akustisch und optisch von der Ausstellun­g getrennt ist. Schulklass­en sollen nebenan bei der Stadtbüche­rei im gläsernen Atelier ihre Workshops abhalten. Zugang zu den Postschlie­ßfächern gebe es weiterhin.

„Großstädti­sche-internatio­nale Ästhetik“treffe nun auf den Charme der Lindauer Ausstellun­g, freut sich Alexander Warmbrunn, der an der Ausstellun­gskonzepti­on nichts ändern will. 50 bis 60 Werke sollen Besucher in knapp einer Stunde erleben, eine „Retrospekt­ive im Kleinforma­t“eben: „Wir wollen die Leute nicht erschlagen.“

 ?? FOTO: CF ?? Freuen sich auf die neuen Räume im Erdgeschos­s der ehemaligen Hauptpost (von links): Alexander Warmbrunn, Leiter des Kulturamte­s, Hilmar Ordelheide, Leiter des Hochbauamt­es, und sein Mitarbeite­r Jan Netzer.
FOTO: CF Freuen sich auf die neuen Räume im Erdgeschos­s der ehemaligen Hauptpost (von links): Alexander Warmbrunn, Leiter des Kulturamte­s, Hilmar Ordelheide, Leiter des Hochbauamt­es, und sein Mitarbeite­r Jan Netzer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany