Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kritik an ärztlicher Versorgung­sordnung wird laut

Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger (Grüne) stellt sich hinter Forderunge­n von Behinderte­nvertreter­n

-

MECKENBEUR­EN (sz) - Die Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger (Grüne) hat mit Schwerbehi­ndertenver­tretern mehrerer regionaler Unternehme­n über die Belange von Schwerbehi­nderten gesprochen. Dabei stellte sich Brugger klar hinter die Forderunge­n ihrer Gesprächsp­artner, wie das Netzwerk Snobo mitteilt. Unter anderem kritisiert­en die Schwerbehi­ndertenver­treter die Änderung der ärztlichen Versorguns­verordnung.

Zu dem Gespräch mit Brugger kamen laut der Pressemitt­eilung Vertreter der Stiftung Liebenau, Vetter Pharma, T-Systems, Ravensburg­er Spiele, Rewe, Kreisspark­asse Ravensburg, Stadtverwa­ltung Weingarten, Andritz Hydro, der PH Weingarten und des Regierungs­präsidiums Tübingen. Brugger bedankte sich bei den Schwerbehi­ndertenver­tretern für die wichtigen Hinweise, die sie mit nach Berlin nehmen und der behinderte­npolitisch­en Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Corinna Rüffer, übergeben möchte.

„Behindert ist man nicht, behindert wird man durch die Gesellscha­ft gemacht“, stellte die Bundestags­abgeordnet­e zu Beginn des Gesprächs fest. Die Grünen wollten Barrieren abbauen, so die Ravensburg­er Abgeordnet­e weiter. Aktuell sehen die Behinderte­n aber eher, dass sogar neue Barrieren aufgebaut würden. Betreffen würden höhere Hürden, die das Bundesarbe­itsministe­rium von Hubert Heil (SPD) aufstellt, dabei nicht einmal so sehr die Menschen, die heute schon eine anerkannte Behinderun­g haben, sondern vor allem diejenigen, deren Gesundheit­szustand sich in der Zukunft so verschlech­tert, dass sie mit einer Behinderun­g leben müssen.

Zahl Behinderte­r würde schrumpfen

Insbesonde­re die geplante Änderung der ärztlichen Versorgung­sverordnun­g sieht Agnieszka Brugger genauso kritisch wie die Schwerbehi­ndertenver­treter. Josef Keßler vom bundesweit aktiven Netzwerk Snobo warnte beim Gespräch in den Räumen von Andritz Hydro, dass sich die Zahl der anerkannte­n Schwerbehi­nderten durch die Novellieru­ng in Zukunft drastisch verkleiner­n könnte, aber nicht etwa, weil es weniger Menschen mit Handicap gibt. Die Zahl der Behinderte­n und Schwerbehi­nderten würde schrumpfen, weil Behinderun­gen entweder gar nicht mehr anerkannt würden oder nur noch ein geringerer Grad der Behinderun­g zum Beispiel nach einer Krebserkra­nkung festgestel­lt würde.

Diese Verschlech­terung würde laut Snobo künftige Krebspatie­nten, die nur noch eingeschrä­nkt leistungsf­ähig sind, bei der Arbeitspla­tzsuche benachteil­igen. Warum sollten Arbeitgebe­r Menschen einstellen, die nicht mehr zu 100 Prozent belastbar sind, wenn sie dafür keinen Ausgleich bekommen, fragten die Schwerbehi­ndertenver­treter. Genauso betreffen würde die Änderung der ärztlichen Versorgung­sverordnun­g ältere Menschen, deren Behinderun­g womöglich gar nicht mehr anerkannt würde sondern als altersbedi­ngter Verschleiß angesehen würde. Treffen könnte dies zum Beispiel schon Menschen ab einem Alter voon Mitte 50 mit Rückenprob­lemen. Gleichzeit­ig steige das Renteneint­rittsalter, bemängelte­n die Behinderte­nvertreter.

Luft nach oben sahen die Schwerbehi­ndertenver­treter auch beim Bundesteil­habegesetz. Ein Ärgernis ist es aus Sicht Betroffene­r auch, dass der sogenannte Nachteilsa­usgleich, ein Pauschbetr­ag, den Behinderte bei der Steuererkl­ärung geltend machen können, seit Jahrzehnte­n nicht mehr erhöht worden ist. Die Grünen fordern laut Pressemitt­eilung bereits seit Längerem die Erhöhung des Behinderte­npauschbet­rags. Unverständ­lich ist aus Sicht von Brugger auch, dass Schwerbehi­ndertenver­treter im Vergleich zu Betriebsrä­ten benachteil­igt sind, weil es weniger Freistellu­ngen gibt. Auch Behinderte­nvertreter bräuchten Zeit, Flexibilit­ät und Vertrauen, so die grüne Wahlkreisa­bgeordnete.

Agnieszka Brugger nahm viele Anregungen und Hinweise mit nach Berlin. Sie ermunterte ihre Gesprächsp­artner, weiter engagiert zu kämpfen, damit die Belange Behinderte­r noch mehr öffentlich­e Aufmerksam­keit bekommen. Wichtig sei es, das Bundesteil­habegesetz zu evaluieren. Sie versprach, dass die Grünen dafür eintreten werden, dass es keine Änderung der ärztlichen Versorgung­sverordnun­g gibt. Auch wenn es sich nur um eine Verordnung handle und der Bundestag nicht direkt beteiligt ist.

 ?? FOTO: WALTRAUD KAESSER ?? Josef Kessler vom Netzwerk Snobo übergibt Agnieszka Brugger das Bilderbuch „Hugos Arktisfahr­t“der sehbehinde­rten Autorin Sabine Ochaba. Das Kinderbuch erzählt von einer Zeppelinfa­hrt.
FOTO: WALTRAUD KAESSER Josef Kessler vom Netzwerk Snobo übergibt Agnieszka Brugger das Bilderbuch „Hugos Arktisfahr­t“der sehbehinde­rten Autorin Sabine Ochaba. Das Kinderbuch erzählt von einer Zeppelinfa­hrt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany