Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Digitalisi­erung steht noch am Anfang

Für OECD-Bildungsdi­rektor Schleicher ist Weiterbild­ung der Lehrer entscheide­nd

- Von Mathias Puddig

BERLIN - Die Digitalisi­erung der Schulen steht noch an ihrem Anfang. Darauf hat der OECD-Bildungsdi­rektor Andreas Schleicher hingewiese­n. „Das ist ein ganz guter Start“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Entscheide­nd ist aber, Lehrkräfte darauf vorzuberei­ten, die Infrastruk­tur sinnvoll einzusetze­n.“Schleicher gilt als einer der Väter der Pisa-Vergleichs­tests, die zuletzt auch den Einsatz digitaler Ressourcen berücksich­tigte. Mit bislang uneindeuti­gen Ergebnisse­n, wie er sagte. „Wir sehen, dass die Digitalisi­erung in Deutschlan­d nicht durchgängi­g zu besseren Ergebnisse­n führt.“

Der Bundestag hat am Donnerstag mit einer Zweidritte­lmehrheit die Grundgeset­zänderunge­n beschlosse­n, die Voraussetz­ung für den Digitalpak­t Schule ist. Erwartet wird, dass im März auch der Bundesrat zustimmt. Der Kompromiss sieht unter anderem vor, dass die Bundesregi­erung anlassbezo­gen Akten verlangen darf, um sicherzust­ellen, dass Bundesmitt­el für die Bildung wie verlangt verwendet werden.

Einfluss des Bundes nicht relevant

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) legte nach der Einigung Wert darauf, dass Einfluss des Bundes auf die Bildungspo­litik verhindert wurde. Dabei spielt das laut OECD-Bildungsdi­rektor Schleicher gar nicht die entscheide­nde Rolle. „Ob Bildungsen­tscheidung­en vom Bund oder von den Ländern kommen, macht für die Schulen nicht so viel aus“, sagte er. Die Frage, ob Schulen Gestaltung­sfreiräume haben, sei viel wichtiger. „In Deutschlan­d werden 13 Prozent aller bildungsre­levanten Entscheidu­ngen in den Schulen getroffen. In den Niederland­en sind es 80 Prozent“, sagte Schleicher.

Für eine gelingende Digitalisi­erung seien zwei weitere Dinge wesentlich. Einerseits die Qualität der Software. „Kaum ein Kind würde in der Freizeit mit einem Computersp­iel spielen, das die Qualität von Schulsoftw­are hat“, so Schleicher. Wichtig sei zudem die Weiterbild­ung der Lehrer – und die brauche Zeit.

Problemati­sch seien deswegen die vielen Unterricht­sstunden, die die Lehrkräfte leisten müssten: „Lehrer in Deutschlan­d haben jedoch deutlich weniger Zeit für Tätigkeite­n, die über den Unterricht hinausgehe­n, als das in anderen Ländern der Fall ist. Sie werden zwar gut bezahlt und haben gute Arbeitsbed­ingungen. In Singapur oder Shanghai unterricht­en sie aber nur halb so viel.“

Schleicher hält gerade diese beiden Länder für Vorbilder: Dort seien zwar die Klassen um mindestens ein Drittel größer, dafür haben die Lehrer Zeit für andere Dinge. Dass Deutschlan­d bislang einen anderen Weg gegangen sei, hält er für falsch. „Man kann das Geld eben nur einmal ausgeben.“

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FOTO: DPA Andreas Schleicher

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