Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Erfolgsrezept
Wie Kambly Tekrum wieder nach oben führen will
TRUBSCHACHEN/RAVENSBURG - Für Oscar A. Kambly hat sich in Ravensburg ein Kreis geschlossen. Als kleiner Junge war der Schweizer aus dem oberen Emmental das erste Mal in der oberschwäbischen Kreisstadt. Damals noch zusammen mit seinem Vater Oscar J. Kambly – dem Chef des gleichnamigen Feingebäckherstellers aus Trubschachen, rund 40 Kilometer östlich von Bern. Jahre später ist Kambly wieder in Ravensburg – inzwischen selbst Unternehmer, der den 1910 gegründeten Familienbetrieb in dritter Generation leitet.
Das Ziel war damals wie heute identisch: Der Gebäckhersteller Tekrum. Ein Ravensburger Original – um das es in den vergangenen Jahren allerdings immer schlechter bestellt war. Unter dem Dach des Gebäckherstellers Griesson de Beukelaer schrieb das Werk zuletzt tiefrote Zahlen. Kambly kam mit dem Ziel der Rettung und der nachhaltigen Neuausrichtung, kaufte das Werk Anfang 2017 und macht sich seither mit der für Familienunternehmer typischen Geduld und Zielstrebigkeit daran, Tekrum wieder in die Gewinnzone zu führen, die Marke wieder zu dem zu machen, was sie früher einmal war.
Qualität ohne Kompromisse
Von „drei bis vier Jahren“und von einer „Herkulesaufgabe“war damals die Rede. Daran hat sich seitdem nichts geändert. Ein Turnaround braucht viel Zeit und Kraft – keiner weiß das besser als Kambly. Schließlich arbeitet seine Familie seit mehr als einem Jahrhundert an dieser Passion. Mit Erfolg: In der Schweiz kennt so gut wie jeder Kambly. Die Marke ist bei Feingebäck das was die eidgenössische Uhrenindustrie bei der Zeitmessung und der Schweizer Maschinenbau bei der Präzision ist.
Fragt man Kambly nach den Gründen für diesen Erfolg fallen Worte wie Nachhaltigkeit und vor allem Qualität ohne Kompromisse. „Vielleicht sind so viele Leute seit so vielen Jahren mit unserer Qualität zufrieden, weil wir es nie ganz sein werden“– dieser Satz ist kein leeres Marketinggeschwätz sondern Realität, der sich schon Unternehmensgründer Oscar R. Kambly unterworfen hat. In den Kriegsjahren nach 1914, als Zutaten wie Butter begrenzt waren, buk er lieber weniger seiner „Emmentaler Bretzeli“als Abstriche bei der Qualität hinzunehmen.
Diesem Grundsatz sind auch die nachfolgenden Generationen der Kamblys treu geblieben. Man konzentriert sich auf die Nische hochwertigsten Feingebäcks, auf das Premiumsegment. „Das macht sonst niemand“, sagt Kambly der darauf vertraut, dass immer mehr Konsumenten zwischen dem Guten und dem Besten unterscheiden können. In dieser Nische hat es Kambly in der Schweiz zur Nummer 1 geschafft.
Doch der Markt in der Alpenrepublik ist überschaubar. Deshalb kommt die Hälfte des Kambly-Umsatzes von rund 180 Millionen Schweizer Franken (rund 160 Millionen Euro) aus dem Exportgeschäft – vor allem aus der Europäischen Union. „Ein schwieriges Hobby“, wie Kambly zugibt. Schwierig deshalb, weil die Schweiz ein Hartwährungsland ist. Seit Kambly im Jahr 1983 die Führung des Familienunternehmens übernahm, hat sich der Wert des Schweizer Franken gegenüber den wichtigsten Währungen mehr als verdoppelt. In der traditionell margenschwachen Nahrungsmittelbranche ist das ein schwerer Ruck- sack der nur zu tragen ist, wenn man permanent produktiver wird und durch Innovationskraft und Effizienz mehr Wertschöpfung ins Produkt holt. Andernfalls wären die Produkte im Ausland preislich nicht konkurrenzfähig.
Deshalb baut das Unternehmen die Auslandsmärkte sehr gezielt auf. „Wir gehen nur dahin, wo es eine kulinarische Tradition gibt“, sagt Kambly. Weitere Kriterien sind eine hohe Kaufkraft und eine Handels- und Ladenstruktur, die es ermöglicht, dass Konsumenten edles Feingebäck in guter Qualität kaufen können. „Und dann muss es eine Rechtsordnung geben, unter der man nach unseren ethischen Grundsätzen arbeiten kann“, schließt der Unternehmer und fügt hinzu: „Das grenzt die Märkte auf dem Globus stark ein.“
Größe ist Kamblys Antrieb nicht. „Wir wollen so klein wie möglich und so groß wie nötig sein. Unser Ziel ist es, nachhaltig Mehrwert für alle in der Wertschöpfungskette zu bringen“, sagt der Schweizer stattdessen, der sein Team nach eigener Aussage mit langfristigen, qualitativen Zielen führt und auch keine Boni zahlt. „Wir sind ein gesundes Familienunternehmen, das ganz bewusst kein Zahlenmarketing betreibt“, so Kambly. Er habe in börsennotierten Firmen gesehen, wie Manager unter dem Diktat kurzfristigen Umsatzund Ertragsdrucks strategisch falsche Entscheidungen getroffen hätten, nur um aus eigennützigen Gründen eine Zahl zu erreichen. „Das machen wir nicht.“
Originalrezepte neu entdeckt
Für das Ravensburger Werk und seine 185 Beschäftigten sind das vielversprechende Perspektiven aber auch eine hoch anspruchsvolle Aufgabe. Mit einer klaren Strategie soll der Standort wieder rentabel werden. Die Marke Tekrum, die Anfang des vergangenen Jahres mit fünf Sorten wieder auf den Markt gebracht wurde und die für die edle Ravensburger Conditorei-Tradition steht, soll im Premiumsegment wieder reüssieren. Dafür wurden die Originalrezepte von Unternehmensgründer Theodor Krumm hervorgeholt. Hinzu kommt ein langer Atem bei der Umsetzung. Zunächst aber ging es darum, den Standort auf KamblyTechnologie und -Produktivität zu ertüchtigen und in der Belegschaft wieder mehr eigenverantwortliches Arbeiten zu fördern. Ersteres ist abgeschlossen, die drei Produktionslinien technologisch auf der Höhe der Zeit. Letzteres braucht länger.
Auch in den Zahlen macht sich das Engagement Kamblys inzwischen bemerkbar. Der Umsatz im Ravensburger Werk stieg 2018 leicht auf 28 Millionen Euro. Noch schreibt der Standort zwar rote Zahlen – genauer will Kambly nicht werden. Doch sei man auf einem guten Weg, die angestrebten Ziele zu erreichen. Der Umbau des Produkt- und Marktportfolios sowie die Akquise neuer Kunden kämen voran, um den Wegfall der noch für den bisherigen Eigentümer hergestellten Produkte zu kompensieren. Dazu gehören auch die Waffeln, die voraussichtlich bis 2020 für Griesson de Beukelaer produziert werden. „Die Lücke durch den Auslauf des Griesson-Auftrages konnten wir umsatzmäßig sogar leicht überkompensieren“, freut sich Kambly, dem es auf Nachfrage vor allem die Mandelzünglein aus Ravensburger Produktion angetan haben.
In den Genuss dieses Marzipangebäcks – daran setzt der Schweizer seine ganze Energie – sollen künftig wieder deutlich mehr Konsumenten kommen.