Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Großer Bahnhof für Kim Jong-un
Beim zweiten Treffen müssen Donald Trump und der nordkoreanische Diktator einen Deal finden, den beide als Erfolg verkaufen können
TOKIO - Kim Jong-un geht offenbar wieder einmal seinen eigenen Weg. Der nordkoreanische Diktator wird am Dienstag zu seinem ersten Staatsbesuch in Vietnam eintreffen. Seit Samstagabend ist er mit seinem gepanzerten Staatszug auf der rund 4500 Kilometer langen Strecke nach Hanoi. Dort plant Kim, Vietnams ökonomische Dynamik im Industriepark Haiphong zu besichtigen und vielleicht auch an der malerischen Ha-Long-Bucht zu entspannen. Vielleicht geht er auch zum Frisör. Ein findiger Figaro in Hanoi bietet bis zum Monatsende kostenlose Haarschnitte à la Kim oder Trump an. „Ich war erstaunt, wie viel Leute darauf angesprungen sind“, erzählte der Coiffeur der Agentur Reuters.
Der zweite Gipfel zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump soll am Mittwoch und Donnerstag für Klarheit im Atomstreit führen. Wo genau in Hanoi ist entweder noch unklar oder wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Den repräsentativen „Kulturpalast der Freundschaft“, ein Geschenk der früheren Sowjetunion, hat Kims Stabschef nach südkoreanischen Informationen wegen Sicherheitsbedenken bereits abgelehnt. Spektakulärer Treffpunkt wäre das berühmte Hanoier Opernhaus.
Wo auch immer, es soll diesmal zur Sache gehen. Beide Staatsmänner treffen acht Monate nach ihrer historischen Begegnung in Singapur zum zweiten Mal aufeinander. Eigentlich genug Zeit, um zu klären, was zwischen den USA und Nordkorea möglich ist und was nicht. Damals hatte Kim Jong-un angeblich seine grundsätzliche Bereitschaft zur „kompletten Denuklearisierung“zugesagt, jedoch keine konkreten Zusagen gemacht, wie und bis wann er sein Atomwaffen-Arsenal abrüsten will. Trump ließ offen, wie die Gegenleistungen der Vereinigten Staaten aussehen könnten.
Während Kim seinem Gegenspieler vorwirft, ihn zur einseitigen Abrüstung zwingen zu wollen, steht Trump daheim unter Druck, nach bislang mageren Fortschritten nun tatsächlich Resultate vorzuweisen. Dafür wollen die Amerikaner offenbar einen Paradigmenwechsel in ihrer Taktik vollziehen. Statt den Focus auf „alles sofort“zu legen, ist jetzt ein langfristigeres Herangehen das neue Ziel ihrer Gipfeldiplomatie.
Nicht das detaillierte Abkommen soll am Ende in Hanoi herauskommen, sondern eine klare Willenserklärung auf höchster Ebene, die das Fenster für eine Entspannung öffnet. Auch aus Pjöngjang kommen Signale des Umdenkens. Nun soll Kim bereit sein zu einem Parallelprozess, der kurzfristige Erfolge auf Einzelgebieten ermöglichen würde, ohne gleich alles andere in Frage zu stellen.
Vertrauen schaffen
Möglich wäre schon in Hanoi eine gemeinsame Deklaration zur Beendigung des Korea-Krieges von 195053. Das würde Vertrauen schaffen und wäre ein Prozessbeschleuniger für einen international gültigen Friedensvertrag, der allerdings auch die damaligen Kriegsteilnehmer China und Südkorea einbeziehen müsste. Wie CNN berichtet, werde ernsthaft auch die Einrichtung von Verbindungsbüros in beiden Hauptstädten geprüft. Das könnte immerhin ein erster Schritt zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen sein.
Eigentliches Verhandlungsziel von Kim Jong-un sind jedoch die Aufhebung oder wenigstens Lockerung der globalen Sanktionen. Donald Trump hat dieser Tage angedeutet, er wäre dazu bereit. „Ich würde es mögen“, sagte der Präsident.
Wegen der Lebensmittelknappheit hatte Nordkorea die Vereinten Nationen um humanitäre Hilfe gebeten. Danach fehlen Nordkorea offiziell 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel. Aktuell müsse die tägliche Essensration fast halbiert werden auf 300 Gramm. Grund dafür seien vor allem auch die UN-Sanktionen.