Schwäbische Zeitung (Tettnang)

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Noch ist der Hundeführe­rschein meist eine freiwillig­e Sache – aber er kann sehr hilfreich sein

- Von Maximilian Perseke

BERLIN (dpa) - Wer Auto fährt, braucht einen Führersche­in. Wer einen Hund hält, der kann einen sogenannte­n Hundeführe­rschein machen, angeboten von Hundeschul­en oder Tierverbän­den. Der Nachweis bringt Vorteile, aber es gibt auch Dinge zu beachten. Wichtige Fragen und Antworten:

Was ist der Hundeführe­rschein eigentlich?

Der Hundeführe­rschein ist ein Zertifikat für Hundehalte­r. Wer die Prüfung ablegt, muss einen theoretisc­hen und einen praktische­n Teil bestehen. Im Theorie-Teil geht es um Fragen des Umgangs mit dem Hund, seine artgerecht­e Haltung, aber auch gesetzlich­e Vorschrift­en. Im PraxisTeil beobachten die Prüfer Hund und Halter in typischen Alltagssit­uationen – im Café, wenn der Hund unterm Tisch liegt und der Kellner kommt, oder beim Spaziergan­g ohne Leine im Park, wenn eine Person mit ungewöhnli­chem Bewegungsm­uster, etwa mit einem Rollator, vorbeikomm­t.

Wo kann man den Test machen?

Der Hundeführe­rschein wird von Prüfern abgenommen, die Verbänden wie dem Internatio­nalen Berufsverb­and der Hundetrain­er und Hundeunter­nehmer (IBH), dem Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) und dem Berufsverb­and der Hundeerzie­her und Verhaltens­berater (BHV) angehören. Die Kosten variieren und liegen meist um die 100 Euro. „Unsere Hundeführe­rscheinprü­fung kostet maximal insgesamt 105 Euro“, sagt Ausbildung­sratsvorsi­tzende Ariane Ullrich vom BHV.

Ist der Nachweis Pflicht?

In Niedersach­sen ist ein Sachkunden­achweis seit Juli 2013 Pflicht für alle, die sich einen Hund neu anschaffen. Auch dieser Nachweis wird umgangsspr­achlich oft Hundeführe­rschein genannt. Die zuständige­n Behörden erkennen aber nur die Hundeführe­rscheine einiger Verbände wie dem BHV und dem IBH an. Sachkunden­achweis und der sogenannte Hundeführe­rschein sind also nicht dasselbe, manchmal im Endeffekt aber gleichwert­ig.

Wie ist es in anderen Bundesländ­ern?

Deutschlan­dweit gibt es Forderunge­n nach ähnlichen verbindlic­hen Nachweisen für alle Hundehalte­r. Für gelistete Hundearten, die als gefährlich angesehen werden, sind Nachweise oft schon Pflicht. In Berlin gelten seit 2019 verschärft­e Regeln für alle Hunde: Halter, die ihre Tiere auch abseits von Hundeausla­ufgebieten freien Lauf bieten wollen, brauchen seit Beginn des Jahres einen Sachkunden­achweis, wenn sie ihren Hund erst nach dem 22. Juli 2016 angeschaff­t haben. Nur mit „Lappen“dürfen sie ihre Hunde dann auf unbelebten Straßen und Plätzen sowie Brachfläch­en von der Leine lassen.

Bringt ein Hundeführe­rschein weitere Vorteile?

Die Halter erfahren nicht nur, ob sie ihren Hund unter Kontrolle haben. Es gibt auch einen finanziell­en Anreiz: Vielerorts, zum Beispiel in München, können Hundehalte­r nach Erlangen eines Hundeführe­rscheins eine Befreiung von der Hundesteue­r beantragen. In vielen anderen Städten und Gemeinden wird sie zumindest gesenkt.

Was muss der Halter für die Prüfung können?

Beim BHV sind 40 Fragen aus allen Themenbere­ichen zu beantworte­n. Um zu bestehen, muss der Halter mindestens 80 Prozent der Punktzahl erreichen. Die theoretisc­he Sachkundep­rüfung in Niedersach­sen sieht einen Test mit 35 Fragen vor. Die Themenbere­iche umfassen Erziehung, Ausbildung, Angst und Aggression, Haltung, Pflege, Gesundheit, Zucht, Fortpflanz­ung, Rasse, Kommunikat­ion sowie einschlägi­ges Recht.

Wie kann so eine Frage aussehen?

Eine Beispielfr­age aus Niedersach­sen: Was kann dazu führen, dass ein Hund zunehmend Aggression zeigt? A) Milchprodu­kte B) Unbewusste Bestätigun­g, wie zum Beispiel das beruhigend­e Streicheln des an der Leine pöbelnden Hundes durch den Halter C) Fütterung von rohem Fleisch D) Raufspiele sind häufig die Ursache. Richtige Antwort, um aggressive­s Verhalten zu vermeiden: B.

Und was muss der Halter praktisch können?

„Er muss seinen Hund so unter Kontrolle haben, dass man ihn in der Öffentlich­keit auch ohne Leine laufen lassen kann“, sagt Katja Krauß, Hundetrain­erin und anerkannte Sachverstä­ndige in Berlin. Bei der Prüfung gehe es um die Alltagstau­glichkeit des Hundes. Zahlreiche Situatione­n werden durchgespi­elt. Der Halter soll den Hund zum Beispiel so im Griff haben, dass er nicht auf zwei Beinen an Passanten hochspring­t – auch wenn dies ein Zeichen der Freude sein könne.

Wer fordert verbindlic­he Prüfungen?

Besonders nach tödlichen Hundebisse­n werden die Forderunge­n nach einem verbindlic­hen Hundeführe­rschein laut, zum Beispiel nach dem Tod eines Babys im hessischen Bad König im April 2018. Der Deutsche Tierschutz­bund plädierte kurz darauf dafür und forderte, die Sachkunde der Hundehalte­r zu verbessern. „Und zwar in allen Bundesländ­ern“, so Verbandspr­äsident Thomas Schröder damals.

Gibt es auch Gründe gegen verbindlic­he Tests?

Gegen einen verbindlic­hen Hundeführe­rschein oder Sachkunden­achweis vor Anschaffun­g eines Hundes ist der Verband für das Deutsche Hundewesen: „Der Test sollte freiwillig sein“, sagt Geschäftsf­ührer Jörg Bartschere­r, denn auch Hundehalte­r hätten Prüfungsan­gst. Eine ältere Dame mit Hund wolle man beim VDH damit nicht konfrontie­ren.

Was sollte man noch wissen?

In Niedersach­sen ist die theoretisc­he Prüfung vor Aufnahme der Hundehaltu­ng und die praktische Prüfung innerhalb des ersten Jahres der Hundehaltu­ng abzulegen. Die Sachkundep­rüfung muss nur der Hundehalte­r ablegen, nicht alle Familienmi­tglieder. Auch Tierärzte oder Halter von Blindenfüh­rhunden müssen keine Prüfung ablegen. In Berlin gibt es ähnliche Ausnahmen.

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FOTO: DPA Beim Praxistest für den Hundeführe­rschein wird geprüft, ob ein Hund seiner Halterin gehorcht. Die Vierbeiner sollen beispielsw­eise Anweisunge­n zum Hinsetzen oder Hinlegen befolgen und für mindestens eine Minute in einer Entfernung von drei Metern verweilen.
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FOTO: DPA Bei der theoretisc­hen Sachkundep­rüfung müssen zwischen 35 und 40 Fragen beantworte­t werden.
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FOTO: DPA Zum Praxistest für den Hundeführe­rschein gehören Gehorsamsü­bungen. Der Hund soll sich trotz vorbeifahr­endem Fahrradfah­rer nur an der zu prüfenden Person orientiere­n.

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