Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Verletztes Kind wartet stundenlan­g auf Behandlung

Ravensburg­er Klinik erklärt Situation mit Vielzahl an schweren Notfällen

- ●» Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Um 14.20 Uhr in der unfallchir­urgischen Notaufnahm­e in Ravensburg aufgenomme­n, um etwa 20.20 Uhr entlassen: Das sind die Rahmendate­n eines Krankenhau­sbesuchs von Kathrin Sonntag und ihrem sechsjähri­gen Sohn. Allein drei Stunden hat es gedauert, bis sich überhaupt mal ein Arzt um den Kleinen kümmerte, der eine Schnittver­letzung an der Hand hatte. „Wir waren sehr unzufriede­n“, sagt Sonntag. Sie werde die Oberschwab­enklink künftig meiden. Deren Sprecher hat indes eine Erklärung für die lange Wartezeit.

Samstag, 16. Februar, kurz nach Mittag. Im Hause Sonntag in Aulendorf-Wallenreut­e geht der Glaseinsat­z einer Tür zu Bruch, als der sechsjähri­ge Lukas sie öffnet und an der Klinke vorbeigrei­ft. Er schneidet sich an der Hand, die Wunde blutet, seine Mutter ruft den Krankenwag­en, der ihren Sohn und sie nach Ravensburg bringt. Doch statt der erhofften schnellen Behandlung beginnt in der Notaufnahm­e der Unfallchir­urgie das Warten.

Kathrin Sonntags Eindruck bei der Ankunft: „Da war schon die Hölle los.“Immer wieder seien sie vertröstet worden: Sie seien die nächsten, die drankommen. Als endlich ein Arzt Lukas’ Hand angeschaut habe, sei der Junge zum Röntgen geschickt worden, um sicherzuge­hen, dass keine Scherben in der Wunde steckten. Das Warten ging danach weiter. Letztlich wurde die Wunde nicht genäht, sondern zugeklebt. „Ohne Betäubung, der hat geschrien wie am Spieß“, sagt die Mutter. Als Lukas’ Oma die beiden schließlic­h um 20.30 Uhr am Krankenhau­s abholte, war Kathrin Sonntag mit den Nerven am Ende. Mit etwas Abstand sagt Kathrin Sonntag über den Vorfall: „Ich bin die Letzte, die was sagt, wenn ein Notfall reinkommt.“Aber die Ravensburg­er Klinik sei doch ein „großes und modernes Krankenhau­s“. „Warum konnte man uns nicht früher zwischendu­rch schon mal zum Röntgen schicken?“Die Abläufe hätten auf sie „total unorganisi­ert“gewirkt. „Ich hatte das Gefühl, da war ein Arzt für alle da. Und der war so am Rödeln, dass ich dachte, der kippt gleich um.“

Was sagt die Klinik dazu, dass Lukas und seine Mutter sechs Stunden in der Notaufnahm­e waren? „Das ist außergewöh­nlich lange und sollte bei einem Kind auch nicht sein“, sagt Klinikspre­cher Winfried Leiprecht. Wenn Patienten in die Notaufnahm­e kommen, werde je nach Verletzung entschiede­n, wer wann drankommt. „Kinder werden priorisier­t, aber absolute Priorität haben Patienten, die mit schweren und schwersten Verletzung­en kommen“, so Leiprecht. Aber auch bei der schwächste­n Verletzung­s-Kategorie sollte in der Regel nach zwei Stunden die Behandlung beginnen, sagt er.

Aber an besagtem Samstagnac­hmittag sei es in der Unfallchir­urgie alles andere als normal zugegangen. Während die Sonntags in der unfallchir­urgischen Notaufnahm­e waren, mussten laut Leiprecht 16 Patienten versorgt werden, darunter zwei Schwerverl­etzte und ein Patient mit einem Knochenbru­ch.

Wegen der vielen Arbeit sei ein Unfallchir­urg, der auf Station war, in die Notaufnahm­e beordert worden. Außerdem sei der Nachtdiens­t früher in den Dienst gekommen. Die Besetzung sei so weit aufgestock­t worden, wie es an einem Samstagmit­tag eben möglich sei. Weil auch in anderen Fachrichtu­ngen zusammenge­zählt zehn Notfälle zu behandeln waren, sei es bei der Diagnostik – also Röntgen oder Computerto­mographie – zu Wartezeite­n gekommen.

„Da hat keiner gebummelt “

Dass es aufgrund der vielen schweren Notfälle zu außergewöh­nlichen Wartezeite­n komme, darauf habe das Klinikpers­onal die Wartenden hingewiese­n. Auch ein weiterer mit seinem Kind wartender Vater habe sich beschwert, berichtet Leiprecht. Die Klinikmita­rbeiter hätten versucht, ihm die Situation zu erklären. „Da hat keiner gebummelt oder was verschlafe­n“, sagt Leiprecht. „Das kommt bei solchen Belastunge­n einfach mal vor.“Mehr Ärzte oder Personal habe die Klinik nicht.

Als die sonntags gehen konnten, wartete eine Mutter mit Kind, die schon vor ihnen da war, immer noch, wie Kathrin Sonntag berichtet. Sie war indes einfach nur froh, mit Lukas nach Hause zu können, dem es inzwischen übrigens schon wieder besser geht.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Mit dem Krankenwag­en zur Klinik – und dann heißt es stundenlan­g warten. So ergeht es einer Mutter und ihrem Kind in Ravensburg.

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