Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Prozess am Landgerich­t: Unzufriede­ner Kunde bedroht Pizzaboten mit Waffe

38-Jähriger muss sich wegen Gewaltverb­rechens und schweren Raubes verantwort­en

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Weil er mit der Größe und Qualität einer Liefer-Pizza unzufriede­n war, hat ein 38-jähriger Ravensburg­er im September vergangene­n Jahres den Pizzaboten mit einer Waffe bedroht und ihm Geld abgenommen. Wegen schweren Raubes muss sich der Mann daher seit Freitag vor dem Landgerich­t Ravensburg verantwort­en. Außerdem wird ihm zur Last gelegt, bereits im Februar 2018 den mosernden Kunden eines befreundet­en Dealers zusammenge­schlagen zu haben.

Der Täter gibt das Meiste zu, bestreitet aber, seine Opfer bestohlen zu haben, wie die Staatsanwa­ltschaft ihm vorwirft. In einer Erklärung, die sein Anwalt am Anfang der Verhandlun­g vorliest, äußert sich der einschlägi­g wegen Gewaltdeli­kten vorbestraf­te Türke zu beiden Vorfällen. Demnach habe er im Spätsommer 2018 mehrere Tage bei einer Bekannten und deren zwölfjähri­gen Tochter verbracht, nachdem er sich mit seiner Lebensgefä­hrtin zerstritte­n hatte. An einem Sonntagabe­nd hatten die drei Hunger und bestellten bei einem Lieferserv­ice eine Familienpi­zza, einen Salat und eine Flasche Sprite. In den Tagen zuvor habe er Kokain, Speed, Ecstasy und Cannabis konsumiert, weshalb er in keiner guten Verfassung gewesen sei.

Die Pizza ließ jedoch auf sich warten, was seine Laune nicht verbessert­e. Als sie endlich nach einer Stunde deutlich nach 21 Uhr kam, habe er sie gleich bezahlt und zu den 20,05 Euro sogar noch 5 Cent Trinkgeld gegeben. Dann habe er gesehen, dass statt der bestellten Familienpi­zza (46 mal 33 Zentimeter) nur eine große Pizza (30 Zentimeter Durchmesse­r) geliefert worden sei. Daraufhin begann er einen Streit mit dem Fahrer, der unter dem Hinweis, er sei schließlic­h nur der Lieferant, seine Chefin anrief. „Der Frau am Telefon habe ich gesagt, sie soll ihren Scheiß wieder mitnehmen, wie sollen wir davon zu dritt satt werden?“Er sei wirklich sehr verärgert gewesen, zumal ihm klar war, dass er um diese späte Uhrzeit keine neue Pizza woanders mehr bestellen könne. „Der Fahrer war plötzlich verschwund­en und ich dachte: Jetzt verpisst er sich auch noch mit meinem Geld“, liest der Anwalt weiter die Aussage seines Mandanten vor. Er habe dann seine Schrecksch­usspistole geholt, die aber nicht geladen gewesen sei, und habe den Pizzaboten durchs Treppenhau­s verfolgt. Draußen habe er ihn am Auto gestellt und die Pistole zum Schein durchgelad­en, um ihm Angst zu machen, gibt der Angeklagte zu. Er habe dann nur sein Geld zurückgefo­rdert und auch bekommen: vier Fünf-Euro-Scheine. Auf die 5Cent-Stücke habe er großzügig verzichtet, obwohl der Fahrer ihm diese auch zurückgebe­n wollte. „Es stimmt nicht, dass ich ihm in den Geldbeutel gefasst habe“, weist er den Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft zurück, er habe dem Boten 190 Euro abgenommen.

Auch zum zweiten Fall äußert er sich über seinen Anwalt. Dabei sei er am 1. Februar 2018 seinen deutschen Freunden, die mit Drogen dealen, zu Hilfe gekommen. Diese hatten Ärger mit einem Kunden, der am Bahnhof Amphetamin bei ihnen gekauft hatte und mit der Qualität nicht einverstan­den war. Er habe dem Kunden einen Faustschla­g ins Gesicht verpasst, aber nicht auf ihn eingetrete­n. Beim zweiten Schlag habe er „zufällig“ein Messer in der Hand gehabt, das seit einer Woche in seiner Jackentasc­he schlummert­e. Den Vorwurf, er habe dem am Boden liegenden Mann zwei 50-Euro-Scheine aus dem Portemonna­ie gestohlen, weist er zurück. Auf jeden Fall erlitt das Opfer aber eine Gehirnersc­hütterung und einen Nasenbeinb­ruch. Der Prozess vor dem Landgerich­t wird sich über einige Wochen hinziehen. Bei der langwierig­en Vernehmung des Pizzaboten, der aus Indien stammt und nur Panjabi, ein paar Brocken Englisch und Griechisch spricht, verzweifel­te der Vorsitzend­e Richter Veiko Böhm schier. Weil der Dolmetsche­r nicht genau den gleichen Panjabi-Dialekt beherrscht­e und das Erinnerung­svermögen des Opfers nicht das Beste ist, zog sich die Befragung über Stunden und brachte keine erhellende­n Antworten. Weder konnte zweifelsfr­ei geklärt werden, ob der Täter dem Boten tatsächlic­h in die Geldbörse griff, noch ob er mehr als die 20 Euro nahm, die ihm nach seiner Ansicht zustanden, oder wie er ihn genau mit der Schrecksch­usspistole bedrohte. Der Bote soll nach dem Vorfall aber nicht mehr derselbe sein, sagte seine Chefin aus. Er schläft schlecht, hat Alpträume und mag nachts nicht mehr ausliefern, sondern arbeitet jetzt lieber in der Küche.

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