Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Dranhängen und profitiere­n

Tipp für die nächste Steuererkl­ärung: Es kann für Steuerzahl­er lohnend sein, sich an Musterproz­essen zu orientiere­n

- Von Falk Zielke

BERLIN (dpa) - Recht kann sich ändern. Das gilt vor allem für das Steuerrech­t. Der Haken: Nicht immer zahlen sich neue Regelungen für Steuerzahl­er aus. Manche wehren sich daher gegen Entscheidu­ngen der Finanzbehö­rden, notfalls vor Gericht.

Die gute Nachricht: An laufende Verfahren kann sich jeder dranhängen, der in einer ähnlichen Situation ist. „Musterproz­esse können für Steuerzahl­er sinnvoll sein“, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahl­er in Berlin. Denn bei einer für Steuerzahl­er positiven Entscheidu­ng profitiere­n alle, die sich an das Verfahren drangehäng­t haben. Sich an einen Prozess dranzuhäng­en, ist einfach: „Sie müssen dazu Einspruch gegen ihren Steuerbesc­heid einlegen“, erklärt Klocke. Wichtig ist der Verweis auf das entspreche­nde Verfahren und die Angabe des Aktenzeich­ens. Dann wird der eigene Fall häufig offengehal­ten, bis das Urteil gefällt wurde.

„Bei Prozessen vor dem Bundesfina­nzhof oder dem Bundesverf­assungsger­icht besteht Anspruch auf Ruhen des Verfahrens“, erklärt Erich Nöll vom Bundesverb­and Lohnsteuer­hilfeverei­ne. Bei unteren Instanzen bleibt es eine Ermessense­ntscheidun­g des Finanzamte­s, ob die Behörde den Einspruch akzeptiert. „Gute Chancen haben Sie, wenn das Verfahren vor einem Finanzgeri­cht in Ihrem Bundesland geführt wird.“

Grundsätzl­ich gilt: Für den Einspruch gibt es eine Frist von einem Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgab­e des Steuerbesc­heids, erklärt die Stiftung Warentest. In der Regel bedeutet das: das Datum des Bescheids plus drei Tage.

Mitunter enthalten Steuerbesc­heide einen Vorläufigk­eitsvermer­k für bestimmte Punkte. Der Grund: Diese Fragen sind rechtlich umstritten und sollen bis zu einer endgültige­n Klärung von Amts wegen offengehal­ten werden. Eine Übersicht über die umstritten­en Punkte ist auf der Webseite des Bundesfina­nzminister­iums im Menü Steuern zu finden.

Wer sich jetzt an seine Steuererkl­ärung für 2018 macht, kann gleich nach passenden Musterproz­essen Ausschau halten. Denn im Prinzip müssen Steuerzahl­er nicht auf ihren Steuerbesc­heid warten. Umstritten­e Kosten können direkt in der Steuererkl­ärung geltend gemacht werden. „Darauf sollten Sie allerdings das Finanzamt eigens hinweisen“, rät Experte Nöll. Fehlt der Hinweis auf das betreffend­e Verfahren, kann es unter Umständen Ärger mit der Behörde geben.

Wie aber erfahren Steuerzahl­er von entspreche­nden Musterverf­ahren? Einfach ist die Recherche auf den Internetse­iten des BFH (www.bundesfina­nzhof.de). Suchen lassen sich auch Fälle, die beim Bundesverf­assungsger­icht oder dem Europäisch­en Gerichtsho­f liegen.

Schwierige­r ist es bei den Finanzgeri­chten der Bundesländ­er. Mitunter finden sich Angaben auf den Internetse­iten der Gerichte. Der Bund der Steuerzahl­er hat auf seiner Webseite einige Verfahren aufgeliste­t (http://dpaq.de/bVjoE). Auch auf der Homepage der Stiftung Warentest (www.test.de) können sich Steuerzahl­er informiere­n. Zwei Beispiele:

Entfernung­spauschale: Gilt die volle Entfernung­spauschale pro Arbeitstag, wenn die Hin- und Rückfahrt nicht am selben Tag erfolgen? Oder darf das Finanzamt bei Schichtarb­eit die Pauschale halbieren? Diese Fragen will die Lohnsteuer­hilfe Bayern vor dem Bundesfina­nzhof klären lassen (Az.: VI R 3 42/17).

Zinsen für Steuernach­zahlungen:

Das Finanzamt verlangt für Nachforder­ungen eine Verzinsung von 0,5 Prozent pro Monat, also 6 Prozent pro Jahr. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerzahl­er die Verzögerun­g der Steuerfest­setzung nicht verschulde­t hat. Ob der hohe Zinssatz in Zeiten der Niedrigzin­sphase noch gerechtfer­tigt ist, will der Bund der Steuerzahl­er mit einem Musterverf­ahren vor dem BFH überprüfen (Az.: III R 25/17).

Literatur:

Hans W. Fröhlich: „Steuererkl­ärung 2018/2019 – Arbeitnehm­er, Beamte“, Stiftung Warentest 2018, 8. aktualisie­rte Auflage, 287 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-386851-285-4

Hans W. Fröhlich: „Steuererkl­ärung 2018/2019 – Rentner, Pensionäre“, Stiftung Warentest 2018, 13. aktualisie­rte Auflage, 223 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-386851-284-7

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FOTO: DPA Wer sich an BFH-Verfahren dranhängt, kann im Zweifel davon profitiere­n, ohne selber einen Prozess führen zu müssen.

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