Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ehrgeiziger Partner
Daimlers Ankeraktionär Geely will bis 2020 den Traditionskonzern im Absatz überholen
HANGZHOU - Trutzig ragt der Hauptturm an der Zentrale von Geely in der Millionenstadt Hangzhou rund 200 Kilometer südöstlich von Shanghai in den dunstigen Himmel. Am Fuß des Gebäudes ein Rundkurs rund um gepflegte Bäume und Sträucher. Mannshohe blaue Buchstaben bilden an der Einfahrt das Wort Geely, sie spiegeln sich in der Glasfassade einer Niederlassung des mit dem chinesischen Autobauer verbandelten deutschen Premiumherstellers Daimler. Turm, Teststrecke, Schriftzug – Zeichen von Stärke und Macht. Und dem Wunsch nach Weltgeltung.
Und genau so hat Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) Chinas einzigen privaten Autobauer bei ihrer Reise in die Volksrepublik in dieser Woche erlebt. Selbstbewusst und ehrgeizig. „Wir wollen bis 2020 zu den zehn größten Autobauern der Welt gehören und dann jedes Jahr drei Millionen Autos verkaufen“, sagte Geely-Kommunikationschef Victor Young beim Besuch der baden-württembergischen Wirtschaftsdelegation. Um das zu schaffen, müsste Geely rund 800 000 Autos mehr verkaufen als im vergangenen Jahr und in zwei Jahren nicht nur Suzuki und BMW, sondern vor allem auch den neuen Partner Daimler in der Rangliste der größten Autobauer überholen, bei dem Geely im vergangenen Jahr als Ankerinvestor eingestiegen ist.
Für den Besitzer und Gründer von Geely steht es außer Frage, dass sein Unternehmen diese Ziele erreichen wird. Der chinesische Milliardär Li Shufu will seinen Konzern, der erst seit 1997 Autos baut, zu einer beachteten Branchengröße machen. Das Selbstbewusstsein des aufstrebenden Autobauers gründet sich nicht zuletzt auch auf die guten Zahlen, die Geely vorgelegt hat. Der Umsatz stieg abermals – auf umgerechnet 40,84 Milliarden Euro. Und auch der Gewinn wuchs auf 3,03 Milliarden Euro.
Den Angriff auf die Top Ten der weltweiten Automobilbauer hat Li Shufu genau geplant – und zwar mit der Hilfe und mit der Expertise von Traditionsunternehmen, die der Autonarr so bewundert. 2010 übernahm der 55-Jährige mit Geely den schwedischen Autobauer Volvo, und 2018 überraschte er mit einem Blitzeinstieg bei Daimler. Fast zehn Prozent der Aktien von Baden-Württembergs Traditionskonzern kaufte Li Shufu, stieg zum größten Einzelaktionär von Daimler auf und stellte von Anfang an klar, dass er eine enge Zusammenarbeit anstrebt. „Die Wettbewerber, die uns im 21. Jahrhundert herausfordern, kommen nicht aus der Automobilindustrie“, erklärte der Chinese vor Jahresfrist im Interview mit dem „Handelsblatt“. „Es ist Zeit für ein neues Denken. Mein Engagement bei Daimler reflektiert diese Vision.“
Kooperationen werden wichtiger
Wie diese Vision, wie die Zusammenarbeit mit Daimler aussehen wird, daran arbeiten die Unternehmen zurzeit. „Wir müssen kooperieren, um die neuen Eindringlinge zu schlagen“, sagte Geely Kommunikationschef Victor Young mit Blick auf neue Wettbewerber wie Google, Tesla oder Uber, die in den Mobilitätssektor drängen. „Wir müssen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit finden, das diskutieren wir gerade“, so Young weiter. Ein erstes gemeinsames Projekt hatten Daimler und Geely im Herbst bekannt gegeben. Die Unternehmen planen einen Mitfahrdienst in China, an dem die Partner je zur Hälfte beteiligt sind. In Metropolregionen sollen Luxusautos Fahrgäste an ihr Ziel bringen, zuerst sollen Mercedes-Modelle der SKlasse, E-Klasse und V-Klasse unterwegs sein, später auch Fahrzeuge des chinesischen Herstellers. Die Software wollen Daimler und Geely zusammen entwickeln. „Für Geely ist der Einstieg ganz klar eine strategische Partnerschaft“, sagt Hoffmeister-Kraut.
Geely baut rein elektrische Autos und Hybridfahrzeuge mit einer Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor. „Diese Motoren werden in den nächsten Jahren noch alles bestimmen“, ist sich GeelyKommunikationschef Young sicher. „Danach werden wir die Brennstoffzelle sehen, das wird die finale Antriebsart der Zukunft sein.“In zwei Jahren will Geely in China das erste Auto mit G5-Standard vorstellen, das in der Lage sein wird, von Fahrzeug zu Fahrzeug genauso wie zu Straßen, zur Infrastruktur, zu Netzwerken und Personen zu kommunizieren. In Europa ist das Unternehmen noch nicht vertreten. In diesem Jahr soll in Belgien die Produktion eines Hybrid-Fahrzeuges der Geely-Untermarke Lynk & Co. vom Band laufen, ein Jahr später soll der Wagen überall in Europa zu haben sein.
Einen Prototypen dieses Modells hat Nicole Hoffmeister-Kraut nun ausprobiert. Auf der Teststrecke am Fuße des Geely-Towers drehte sie mit dem Lynk & Co. 01 mehrere Runden – und war nicht ganz überzeugt. „Bei den Fahreigenschaften sehe ich unsere Autos aus Baden-Württemberg noch klar im Vorteil“, sagte die Wirtschaftsministerin. „Aber Geely ist auf einem sehr guten Weg.“Worte, die Li Shufu nicht freuen – aber seinen Ehrgeiz noch mehr wecken dürften. Schließlich will Geely zu den ganz Großen dazugehören.