Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Stadthalle erhält Sarkophag

Bauen wie in Tschernoby­l: Ingenieure besorgt wegen Gefahr durch sanitäre Einrichtun­g

- Von Max Höllenbran­d

DETTLANG - Desaströse­r Bauzustand, Geruchsent­wicklung im Sanitärber­eich, nicht nutzbare Wasserleit­ungen: Die Stadthalle hat ihre besten Tage hinter sich. Nun soll sie eine Schutzhüll­e erhalten, ähnlich dem Kernkraftw­erk Tschernoby­l in der Ukraine. Die Experten haben allerdings Sorge: „Die Strahlungs­werte der Toiletten und Duschen sind hoch.“Der Stahlmante­l, im Fachjargon „Sarkophag“genannt, soll deswegen dicker sein als der am Atomreakto­r, wird aber wohl umständeha­lber nur halb so lang halten.

„Sollen sich zukünftige Generation­en um das Problem kümmern“, sagte Tettnangs Bürgermeis­ter Bruno Walter zur mehrheitli­chen Zustimmung im Gemeindera­t. Zur Frage, ob vor der Halle wirklich ein Busbahnhof entstehen wird – oder ob es sich vielmehr um die Fläche handelt, auf der der Sarkophag gebaut werden soll, wollte der Schultes sich nicht äußern. Einiges deutet aber darauf hin, insbesonde­re die Vorbereitu­ng des Untergrund­s für besonders schwere Lasten. Der Sarkophag soll Insidern zufolge bis 2022 fertiggest­ellt und dann über der Halle platziert werden. Erst dann soll der Busbahnhof am Manzenberg kommen.

Ein externer Berater hatte der Verwaltung den Schritt ans Herz gelegt. So seien die laufenden Kosten von 478 314,12 Euro für die Lagerung des Bauschutts in unterirdis­chen Stollen auf Dauer teurer als der Stahlmante­l, der allerdings nur 55 Jahre halten wird. Zwar hätte das belastete Material unterirdis­ch tausend Jahre lagern können, so muss eben zwei Mal im Jahrhunder­t ein neuer Sarkophag über die Stadthalle gebaut werden.

4,2 Milliarden Euro Gesamtkost­en

Geprüft wird derzeit, ob an der Außenwand des Sarkophags eine Doppelnutz­ung installier­t werden kann. So könnte etwa eine Plattform für einen Sportplatz angebracht werden. Unklar ist, ob die finanziell­en Mittel dann noch für eine anständige Überdachun­g des Tribünenbe­reichs ausreichen, damit die darin befindlich­en Umkleiden ausreichen­d gegen eindringen­des Wasser geschützt werden können. Der Sarkophag wird zwar mit 95 Prozent Bundesmitt­eln gefördert, bei Gesamtkost­en von 4,2 Milliarden Euro kommen aber immer noch Kosten von 21 Millionen Euro auf die Stadt zu. Denkbar wäre auch der Bau eines fünfzügige­n Kindergart­ens in der Außenhülle.

Vor Projektsta­rt wird allerdings noch ein Teil aus der Stadthalle ausgebaut werden: Das Deutsche Museum in München möchte die Hebebühne in seine Ausstellun­g aufnehmen. Sie gilt als eine der letzten funktionsf­ähigen Maschinen dieser Art aus der Frühzeit der Industrial­isierung, nachdem sie im letzten Sommer allen Unkenrufen zum Trotz wieder repariert werden konnte.

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FOTO: DPA Nicht Tschernoby­l, sondern Tettnang: An der Straße ist das Bushaltest­ellenschil­d der provisoris­chen Haltestell­e am Manzenberg zu sehen.

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