Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Stadthalle erhält Sarkophag
Bauen wie in Tschernobyl: Ingenieure besorgt wegen Gefahr durch sanitäre Einrichtung
DETTLANG - Desaströser Bauzustand, Geruchsentwicklung im Sanitärbereich, nicht nutzbare Wasserleitungen: Die Stadthalle hat ihre besten Tage hinter sich. Nun soll sie eine Schutzhülle erhalten, ähnlich dem Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine. Die Experten haben allerdings Sorge: „Die Strahlungswerte der Toiletten und Duschen sind hoch.“Der Stahlmantel, im Fachjargon „Sarkophag“genannt, soll deswegen dicker sein als der am Atomreaktor, wird aber wohl umständehalber nur halb so lang halten.
„Sollen sich zukünftige Generationen um das Problem kümmern“, sagte Tettnangs Bürgermeister Bruno Walter zur mehrheitlichen Zustimmung im Gemeinderat. Zur Frage, ob vor der Halle wirklich ein Busbahnhof entstehen wird – oder ob es sich vielmehr um die Fläche handelt, auf der der Sarkophag gebaut werden soll, wollte der Schultes sich nicht äußern. Einiges deutet aber darauf hin, insbesondere die Vorbereitung des Untergrunds für besonders schwere Lasten. Der Sarkophag soll Insidern zufolge bis 2022 fertiggestellt und dann über der Halle platziert werden. Erst dann soll der Busbahnhof am Manzenberg kommen.
Ein externer Berater hatte der Verwaltung den Schritt ans Herz gelegt. So seien die laufenden Kosten von 478 314,12 Euro für die Lagerung des Bauschutts in unterirdischen Stollen auf Dauer teurer als der Stahlmantel, der allerdings nur 55 Jahre halten wird. Zwar hätte das belastete Material unterirdisch tausend Jahre lagern können, so muss eben zwei Mal im Jahrhundert ein neuer Sarkophag über die Stadthalle gebaut werden.
4,2 Milliarden Euro Gesamtkosten
Geprüft wird derzeit, ob an der Außenwand des Sarkophags eine Doppelnutzung installiert werden kann. So könnte etwa eine Plattform für einen Sportplatz angebracht werden. Unklar ist, ob die finanziellen Mittel dann noch für eine anständige Überdachung des Tribünenbereichs ausreichen, damit die darin befindlichen Umkleiden ausreichend gegen eindringendes Wasser geschützt werden können. Der Sarkophag wird zwar mit 95 Prozent Bundesmitteln gefördert, bei Gesamtkosten von 4,2 Milliarden Euro kommen aber immer noch Kosten von 21 Millionen Euro auf die Stadt zu. Denkbar wäre auch der Bau eines fünfzügigen Kindergartens in der Außenhülle.
Vor Projektstart wird allerdings noch ein Teil aus der Stadthalle ausgebaut werden: Das Deutsche Museum in München möchte die Hebebühne in seine Ausstellung aufnehmen. Sie gilt als eine der letzten funktionsfähigen Maschinen dieser Art aus der Frühzeit der Industrialisierung, nachdem sie im letzten Sommer allen Unkenrufen zum Trotz wieder repariert werden konnte.