Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Nach dem Schneebruch droht der Käfer
Beschädigte Wipfel und Äste müssen Besitzer nun schnell entfernen
KREIS LINDAU - Es sieht übel aus in den Wäldern im Landkreis Lindau. Der viele schwere Schnee Anfang Januar hat Wipfel und Äste abgebrochen und ganze Stämme umgeknickt. „Der nasse Schnee ist an die Bäume hingefroren. Wenn dann noch ein starker Wind gekommen ist, hat der auch mal 150 Jahre alte Weißtannen umgeworfen – und die nehmen dann natürlich noch drei bis vier andere Bäume mit“, sagt Forstunternehmer Peter Straubinger, der zahlreiche Waldbesitzer in der Region bei der Forstpflege unterstützt.
So sehe es zumindest in den Wäldern aus, die er bereits wieder betreten könne, erzählt Straubinger. In den höhergelegenen Gemeinden wie Stiefenhofen und Scheidegg sei das noch nicht möglich. „Da wird es noch zwei bis drei Wochen dauern, bis man richtig in die Wälder reinkommt“, sagt Straubinger. Erst dann wird klar, wie groß die Schäden im Landkreis wirklich sind.
Sobald die Forstarbeiter die Wälder wieder betreten können, gilt es, schnell zu sein – denn die nächste Gefahr lauert bereits. „Wir haben jetzt nur ein paar Wochen Zeit, bis der Borkenkäfer wieder schwärmt“, sagt Marcus Fischer, der seit diesem Monat neuer Leiter des Forstreviers Lindenberg ist. Am Boden liegendes Bruchholz ist für den Borkenkäfer ein gefundenes Fressen. Die Schädlinge werden ab einer Temperatur von etwa 16 Grad aktiv. Bei einer warmen Frühjahrswitterung könnten sie bereits Anfang April ausschwärmen und dann ganze Bestände befallen, warnt Fischer. Nur ein schneller Abtransport des Bruchholzes könne verhindern, dass der Borkenkäfer sich darin ausbreitet. Durch den trockenen Sommer seien die Waldbestände ohnehin schon geschwächt.
Schneebruchschäden gibt es im ganzen Allgäu, den Landkreis Lindau hat es jedoch besonders schwer getroffen, sagt Fischer: „Die großen Nassschneemengen sind primär unter 800 Metern runtergekommen“– also in großen Teilen des Landkreises. Dort sind die Bäume derartige Schneemassen nicht gewohnt. „Die Äste wachsen eher waagrecht nach außen und hängen nicht wie bei Bergfichten schon leicht nach unten“, sagt Fischer.
Im unteren Landkreis konnte Peter Straubinger vor wenigen Wochen mit den Aufräumarbeiten beginnen. Dort hat der Schneebruch vor allem junge Waldstücke, in denen die Bäume zwischen 30 und 60 Jahre alt sind, getroffen. „Diese Bestände sind nun sehr anfällig, die muss man genau beobachten“, sagt er. Denn in die lichten Wälder kann der Wind nahezu ungebremst hineinwehen, und auch die Sonne erhitzt sie stärker. „Das schwächt die Stabilität der Bäume, die sind das nicht gewohnt“, sagt der Forstunternehmer.
„Waldarbeit ist immer gefährlich“
Etwas Positives kann Straubinger dem Winter dennoch abgewinnen. Während die Schneedecke langsam kleiner wird, sickert ununterbrochen Schmelzwasser in den Boden. „Das tut den Bäumen gut, gerade nach diesem Sommer“, sagt er. Der Nachteil: Solange der Boden im Wald nass und matschig ist, können die Forstunternehmer nicht mit schwerem Gerät in den Wald fahren. Das wäre aber oftmals hilfreich.
Ohnehin ist die Arbeit im Wald derzeit alles andere als einfach. Nach wie vor können angerissene Äste und Kronen abbrechen und herunterfallen. Die Waldbesitzervereinigung Westallgäu (WBV) empfiehlt ihren Mitgliedern, beschädigte Bäume nur mit Seilwinde zu fällen, da ohne das Gewicht der Krone schwerer abzuschätzen ist, in welche Richtung die Stämme fallen. „Waldarbeit ist immer gefährlich – aber jetzt noch mehr als sonst“, sagt WBV-Geschäftsführer Andreas Täger.