Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ratte war im Laufstall der Tochter

In Reutin sind die Nager häufig in den Straßen anzutreffe­n, ihre Bekämpfung ist schwierig

- Von Gabriel Bock

LINDAU - Ratten im Haus. Für viele ist das eine Horrorvors­tellung. Eine junge Mutter aus Reutin erzählt, wie das bei ihr passiert ist. Eine Ratte war im Laufstall ihrer Tochter unterwegs. Ein Experte meint: Offene Komposthau­fen in den Siedlungen ziehen die kleinen Allesfress­er an.

Eine junge Mutter ist mit ihrem Mann und ihrer knapp einjährige­n Tochter zum Jahreswech­sel nach Lindau gezogen. Die Familie hatte im Sommer ein Einfamilie­nhaus in Reutin gekauft und es renoviert. Ihren Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. Mit Ratten hat die Familie allerdings spezielle Erfahrunge­n gemacht. Am Tag nach dem Einzug entdeckt sie plötzlich kleine schwarze Ballen unter der Sockelleis­te in ihrer Küche. Diese stellen sich als Rattenkot heraus. „Wir haben uns dann auf die Suche gemacht, um festzustel­len, ob die Ratte noch da ist“, erzählt die junge Reutinerin.

Tatsächlic­h machten die Eheleute unter den Küchenschr­änken eine unangenehm­e Entdeckung und erinnern sich: „Die Ratte hatte sich ein Stofftier aus dem Laufstall meiner Tochter geschnappt, und begonnen daraus ein Nest zu bauen.“Als Mutter habe sie sich schon Sorgen gemacht, dass die oft als Krankheits­überträger bezeichnet­en Tiere ihrer Tochter so nahekamen. Die in Deutschlan­d häufigste Rattenart ist die Wanderratt­e. Die fast unterarmla­ngen Tiere sind sehr scheu und meiden den direkten Kontakt mit Menschen in der Regel. Als exzellente Kletterer und Schwimmer leben sie in der Kanalisati­on und kommen durch Abwasserro­hre bis in die Häuser. Die Reutinerin vermutet allerdings, dass bei ihr die während der Renovierun­g oft geöffnete Haustür das Einfallsto­r für die ungebetene­n Gäste war. Ungewöhnli­ch sind Ratten im Haus jedoch nicht.

Je nach Quelle leben in der Bundesrepu­blik 80 bis 800 Millionen Ratten. Auch in Reutin sind sie keine Seltenheit. Wer derzeit abends durch die Gassen des Stadtteils streift, hat insbesonde­re an der Blauwiese und in der

Nähe des Köchlinwei­hers gute Chancen, die Nagetiere zu beobachten. Deshalb finden sich rund um den Weiher die schwarzen Köderboxen der Firma Fleschhut.

Thilo Fleschhut ist profession­eller Schädlings­bekämpfer aus Bad Waldsee. Er meint: „Die Ratten finden an dem Weiher nahezu ideale Bedingunge­n vor. Als hervorrage­nde Schwimmer lieben sie die Kanäle und Bäche, und im Müll der Siedlung finden sie Nahrung.“Die stehe vor allem dann hoch im Kurs, wenn der Schnee viele andere Flächen überdecke. Außerdem bleibe bei der Fütterung von Schwänen und Enten am Weiher oft viel Brot liegen, auch das locke die Ratten an.

Auch an der Wertstoffi­nsel am Parkplatz P1 laben sich die Ratten. Hier entsorgt so mancher seine Lebensmitt­elabfälle ins Gebüsch hinter den Containern. Allerdings müssen die Nager sich noch nicht mal bis dorthin wagen. In den vielen Gärten finden sie jede Menge Leckerbiss­en wie Nudeln, Eier oder Brot auf den Komposthau­fen. Von denen kommen sie schnell in die Häuser.

Die Ratten loszuwerde­n, ist derweil ein Geduldspie­l. Mit der Hilfe von Schädlings­bekämpfer Fleschhut hat die Reutiner Familie ihr ganzes Haus durchsucht, Fallen aufgestell­t und konsequent alle Löcher verschloss­en. In allen Zimmern haben sie Nutellabro­te ausgelegt, um zu testen, ob noch Ratten da sind. Angebissen hat aber nichts mehr. Fleschhut meint aber: „Ganz sicher kann man sich nie sein, ob man gerade welche im Haus hat.“Das hat auch nichts mit der Sauberkeit zu tun, einen Mülleimer und ein warmes Plätzchen finden die Tiere in jedem Haushalt.

Schon eine zum Lüften geöffnete Terrassent­ür genüge, in viele Keller führen zudem Abwasserro­hre oder andere enge Zugänge, die für Ratten kein Problem sind. Er rät: „Grundsätzl­ich sollte man nicht lüften, wenn es draußen noch dunkel ist.“Ansonsten helfe es, alle noch so kleinen Löcher zu verschließ­en. Beim Kompost hat Fleschut eine klare Meinung: „Da gehören keine Lebensmitt­el hin.“Tatsächlic­h empfehlen auch Gartenfach­leute, höchstens rohes Obst und Gemüse sowie Kaffeesatz zu kompostier­en. Gekochte oder tierische Lebensmitt­el ziehen Ratten an.

Ratten sind intelligen­t

Die Bekämpfung der Ratten ist schwierig. Ratten sind intelligen­t und vermehren sich schnell. Die schwarzen Köderboxen sind zwar mittlerwei­le so gebaut, dass weder Hunde noch Kinder an deren Inhalt gelangen können, aber die Ratten halten sie auch nur schwer im Zaum. „Die Tiere sind köderscheu“; erklärt Thilo Fleschhut. Nur wenn der Köder gut schmecke und offensicht­lich ungefährli­ch sei, würden sich Ratten daran satt essen und so auch sicher verenden. Zudem können die Schädlings­bekämpfer Fallen einsetzen.

In jedem Fall ist die Rattenbekä­mpfung eine langwierig­e Angelegenh­eit, und der Besuch der kleinen Nagetiere auch in Zukunft nicht ausgeschlo­ssen. Von einer Rattenplag­e will der Fachmann in Reutin aber nicht sprechen. Fleschhut sagt: „In jeder großen Stadt gibt es Ratten, in einer mit viel Wasser eben ein paar mehr.“

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Die Rattenköde­r der Firma Fleschhut sind auch an der Blauwiese aufgestell­t.
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FOTOS: GBO/DPA
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