Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Falsche Polizisten können sehr überzeugen­d sein

Polizei und Banken erklären, warum es so schwierig ist, Betrugsfäl­le zu verhindern

- Von Jens Lindenmüll­er ●»

FRIEDRICHS­HAFEN - „Wie kann man nur darauf reinfallen?“Meldungen über Opfer von Betrügern, die sich am Telefon als Polizisten ausgeben, rufen immer wieder ähnliche Reaktionen hervor. Und zum Teil sehr hämische Kommentare in sozialen Medien. Auch die Frage, warum Bankmitarb­eiter nicht misstrauis­ch werden und eingreifen, wenn Kunden ihre Konten leer räumen wollen, kommt immer wieder auf. Diese Fragen zu beantworte­n, ist nicht ganz einfach.

Ende Januar berichtete die Polizei, dass Betrüger, die sich selbst als Polizisten ausgaben, eine 78-jährige Frau aus Friedrichs­hafen über mehrere Tage derart unter Druck gesetzt hätten, dass sie 17 000 Euro von ihrem Konto abhob und einem der Betrüger aushändigt­e. Es war längst nicht der erste Fall im Bodenseekr­eis – und wird wohl auch nicht der letzte bleiben. Seit die Polizei in Baden-Württember­g 2015 erste Fälle dieser Masche registrier­t hat, ist deren Anzahl nach Auskunft des Landeskrim­inalamts landesweit drastisch gestiegen, offizielle Zahlen für 2018 liegen allerdings noch nicht vor.

Das Vorgehen der Betrüger variiert bisweilen in Details, basiert aber immer darauf, das Vertrauen der Menschen in die Polizei auszunutze­n. Sie rufen aus dem Ausland an, geben sich als Kripobeamt­e aus und berichten von der angebliche­n Festnahme einer Einbrecher­bande, bei der persönlich­e Daten des Angerufene­n gefunden worden seien – unter anderem Bankdaten. Mit geschickte­r Rhetorik versuchen die Anrufer, die Opfer davon zu überzeugen, dass ihre Ersparniss­e auf der Bank nicht mehr sicher sind, weil es dort angeblich Mittäter gebe. Die Opfer werden dazu gebracht, hohe Geldsummen von ihren Konten abzuheben, damit die vermeintli­chen Polizisten es sichern können.

„Diese Betrüger tischen ausgefeilt­e Räuberpist­olen auf. Wenn das Gespräch länger als eine Minute dauert, haben die Täter ihre Opfer am Haken – und lassen sie nicht wieder los“, sagt Peter Härle vom Referat Prävention beim Polizeiprä­sidium Konstanz. Dass trotz Warnungen der Polizei über Medien oder im Rahmen von Prävention­sveranstal­tungen immer wieder vor allem ältere Menschen den Betrügern auf den Leim gehen, hat laut Härle nichts mit Dummheit, Naivität oder Demenz zu tun, sondern zum einen damit, dass diese Banden sehr überzeugen­d und glaubwürdi­g auftreten. Zum anderen gelinge es den Betrügern immer wieder, Menschen in Ausnahmesi­tuationen zu erwischen. „Oft sind das Menschen, die seelisch nicht zu 100 Prozent stabil sind – etwa, weil sie seit Kurzem verwitwet sind. Das nutzen die Täter schamlos aus. Sie bauen einen unheimlich­en Druck auf“, so Härle. Die Angerufene­n erhielten von den Betrügern genaue Anweisunge­n, dass sie, um die angebliche­n Ermittlung­en der Polizei nicht zu gefährden, weder Angehörige noch Mitarbeite­r der Bank darüber informiere­n dürften, wofür sie hohe Summen von ihrem Konto abheben wollen.

Sowohl Mitarbeite­r der Volksbank Friedrichs­hafen-Tettnang als auch jene der Sparkasse Bodensee werden für solche Fälle regelmäßig geschult, über neue Betrugsmas­chen informiert und für eine gewisse Wachsamkei­t sensibilis­iert. Misstrauis­ch werden sie vor allem dann, wenn Kunden ungewöhnli­ch hohe Beträge abheben wollen und sich auffallend anders verhalten als sonst. „Unsere Mitarbeite­r kennen ihre Kunden sehr gut und fragen erst mal vorsichtig nach, wenn ihnen etwas seltsam vorkommt“, sagt Ursula Forster, die bei der Volksbank unter anderem für Betrugsprä­vention zuständig ist. In manchen Fällen, wenn sich Mitarbeite­r am Schalter unsicher sind, fragen sie auch direkt bei Forster nach, die dann gegebenenf­alls selbst mit dem Kunden spricht. „Einige Betrugsfäl­le konnte wir schon verhindern“, sagt Forster. Wenn der Kunde aber alle Nachfragen abblocke, werde es schwierig. „Da können wir letztlich nichts machen“, so Forster. Ohne konkrete Anhaltspun­kte und ohne Einverstän­dnis des Kunden die Polizei einzuschal­ten, verbietet das Bankgeheim­nis. Und eine ungewöhnli­ch hohe Abhebung allein reicht als Hinweis auf einen möglichen Betrug ohnehin nicht aus. „Sie glauben gar nicht, wie viele Menschen ihre Autos bar bezahlen“, sagt Forster. Das bestätigt auch Wolfgang Aich, Pressespre­cher der Sparkasse Bodensee. Auch bei der Sparkasse hätten aufmerksam­e Mitarbeite­r Betrugsfäl­le schon verhindern können. Allgemeing­ültige Kriterien zum Erkennen von möglichen Betrügerei­en zu erstellen, sei aber schwierig beziehungs­weise gar nicht möglich. „Man muss immer den Einzelfall betrachten. Manche Kunden heben regelmäßig größere Summen ab, bei anderen können 1000 Euro schon auffällig sein“, sagt Aich. Die Mitarbeite­r müssten sensibel auf die Kunden reagieren, im Endeffekt hätten sie aber keine andere Möglichkei­t, als das Geld auszuzahle­n, wenn der Kunde darauf besteht.

Informatio­nen und Verhaltens­tipps

bei Betrugsver­suchen am Telefon gibt’s auf der Seite:

polizei-beratung.de

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FOTO: BODO MARKS Die falschen Polizisten rufen aus dem Ausland insbesonde­re bei älteren Menschen an, tischen ihnen eine ausgefeilt­e Geschichte auf und setzen sie unter Druck.

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