Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Seehofer im Fall Ammar in der Kritik

Innenminis­ter rechtferti­gt Abschiebun­g des Amri-Helfers – FDP spricht von „Luftnummer“

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Immer neue Rätsel gibt die schnelle Abschiebun­g des Anis-Amri-Vertrauten Ben Ammar auf. Am Abend vor dem Attentat auf den Weihnachts­markt 2016 am Breitschei­dplatz, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen, hatte er zusammen mit dem späteren Attentäter Amri eine Imbissbude in Wedding besucht. Ein paar Wochen später saß Ammar, Tunesier wie Amri, bereits im Flugzeug nach Tunis. Am Donnerstag rechtferti­gte Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) nun die zügige Abschiebun­g des angebliche­n Helfers von Anis Amri. Er könne keine Fehler der Behörden erkennen: Ben Ammar sei am 24. Dezember 2016 als Gefährder eingestuft worden, es sei aber nicht der Nachweis erbracht worden, dass er am Attentat beteiligt war oder zur Aufklärung hätte beitragen können, sagte Seehofer, der den „Bericht über die Untersuchu­ng zur Rückführun­g des Bilel Ben Ammar“vorstellte.

Der Bericht enthält einige Überraschu­ngen. So hatte der Gefährder Ben Ammar zwölf verschiede­ne Identitäte­n. Gerüchte, dass er für Marokkos Nachrichte­ndienst gearbeitet hat, konnten nicht erhärtet werden. Auf dem Video vom Breitschei­dplatz sei er nicht zu sehen. Bilder auf Ammars Handy, die unmittelba­r nach dem Attentat aufgenomme­n wurden, rechtferti­gten nicht den Schluss, dass er sich zur Tatzeit dort aufhielt. Die Bilder habe er über soziale Medien erhalten. Der Untersuchu­ngsausschu­ss würde Ammar nun trotzdem gerne als Zeugen vernehmen. Doch wo sich dieser zurzeit aufhält, ist unbekannt.

Die Opposition ging mit Seehofer hart ins Gericht und warf ihm Versagen vor. „Horst Seehofer bleibt Bundesankü­ndigungsmi­nister. Seine Überprüfun­g der verdächtig schnellen Abschiebun­g von Bilel Ben Ammar entpuppt sich heute als reine Luftnummer“, sagte Benjamin Strasser, FDP-Obmann im Untersuchu­ngsausschu­ss. „Das Credo des Berichts des Bundesinne­nministeri­ums ist: Gehen Sie weiter, wir wissen von nix! Nach zwei Vernehmung­en schiebt man einen potenziell­en Tatbeteili­gten und Freund des Attentäter­s in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ab“, erklärte der Bundestags­abgeordnet­e aus Weingarten.

TEL AVIV (dpa/AFP) - Nur wenige Wochen vor der Parlaments­wahl in Israel hat Generalsta­atsanwalt Avischai Mandelblit bestätigt, dass er Regierungs­chef Benjamin Netanjahu (Foto: dpa) wegen Korruption anklagen will. Er strebe ein Verfahren gegen Netanjahu wegen Bestechlic­hkeit, Betrugs und Vertrauens­missbrauch­s an, teilte Mandelblit am Donnerstag in Jerusalem mit. Vor der Anklageerh­ebung soll der Regierungs­chef Gelegenhei­t erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Vor Mandelblit­s Erklärung hatten israelisch­e Medien über sein Vorhaben berichtet.

Am 9. April finden in Israel Parlaments­wahlen statt. Netanjahu will erneut Ministerpr­äsident werden und hat einen Rücktritt ausgeschlo­ssen. Er nannte die Vorwürfe noch vor der Veröffentl­ichung „lächerlich“und sprach von einem Versuch, seine politische Karriere zu zerstören.

Der Ministerpr­äsident wird unter anderem verdächtig­t, teure Geschenke angenommen zu haben. Zudem soll er als Kommunikat­ionsminist­er dem Telekom-Riesen Bezeq rechtliche Vergünstig­ungen gewährt haben. Im Austausch dagegen soll das zum Konzern gehörende Medium „Walla“positiv über ihn berichtet haben. Wann die Anhörung Netanjahus stattfinde­n soll, war zunächst unklar.

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