Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Startschus­s für Ulmer ICE-Trasse

Bundesumwe­ltminister­ium hält Luchs und Auerhuhn im Jagdrecht für verfassung­swidrig

- Von Kara Ballarin

AUGSBURG (lby/sz) - Die Bahn hat am Donnerstag in Augsburg den Startschus­s für die Planungen zur ICE-Trasse zwischen Augsburg und Ulm gegeben. Die Verbindung soll ausgebaut werden, damit Züge dort bis zu 250 Stundenkil­ometer schnell fahren können. Umstritten ist noch, ob dafür eine ganz neue Trasse gebaut werden muss oder ob es ausreicht, die alte nachzurüst­en. Wichtig ist Bürgermeis­tern und Landräten, dass auch ein drittes Gleis kommt. Nur so lasse sich die geplante Regio-S-Bahn Donau Iller realisiere­n, die etwa Biberach, Ehingen und Aalen besser erschließe­n soll. Wann erste Züge über die ausgebaute Strecke rollen können, ist offen.

STUTTGART - Ist das Jagdgesetz in Baden-Württember­g verfassung­swidrig? Zumindest das Bundesumwe­ltminister­ium scheint diese Meinung nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“zu vertreten. Streng geschützte Arten wie Luchs und Auerhuhn hätten darin nichts verloren, so die Auffassung des Ressorts von Ministerin Svenja Schulze (SPD). Ein alter Konflikt zwischen Grünen und CDU, zwischen Naturschüt­zern und Jägern droht neu zu entflammen.

Das Jagd- und Wildtierma­nagementge­setz (JWMG) ist seit April 2015 in Baden-Württember­g in Kraft. Ziel des damals zuständige­n Ministers Alexander Bonde (Grüne) war es, alte Fronten zu versöhnen – Artenschut­z und Jagdrecht. Als Minister für den Ländlichen Raum war er für beide Bereiche zuständig. Die Verbände hatten hart um die Details des JWMG gekämpft. Der Kompromiss: Streng geschützte Arten wie Luchs und Wildkatze waren im Bundesjagd­recht verankert. Auf Drängen der Jäger wurden diese auch ins Landesgese­tz aufgenomme­n. Die Tierarten dürfen aber nicht geschossen werden. Geregelt ist das durch das sogenannte Schalenmod­ell, das Wildtiere in drei Kategorien einteilt und beschreibt, wie mit ihnen umzugehen ist.

Streit um Biber und Wolf

Die grün-schwarzen Koalitions­partner streiten darüber, ob nun auch Wolf und Biber ins JWMG aufgenomme­n werden sollen. Sie waren bislang nie Teil eines Jagdrechts. An der Spitze tragen den Konflikt zwei Minister aus. Denn der Naturschut­z ging beim Regierungs­wechsel 2016 an Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne), der somit für Wolf und Biber zuständig ist. Für das JWMG ist Bondes Nachfolger Peter Hauk (CDU) verantwort­lich.

Der CDU-Landtagsab­geordnete Patrick Rapp hat nachgehakt, warum das Umweltmini­sterium dagegen ist, Biber und Wolf aufzunehme­n. „Mit dem Biber haben wir eine Tierart, die nicht mehr bedroht ist“, so Rapps Argument. In manchen Regionen richteten die Tiere große Schäden an. Dort sollten sie abgeschoss­en werden dürfen, fordert er. Das sei im Sinne des Artenschut­zes weder möglich, noch zielführen­d, lautet die Antwort aus dem Ministeriu­m. In einer E-Mail an Rapp heißt es, dass das Bundesumwe­ltminister­ium auf Nachfrage von Minister Unterstell­er verfassung­srechtlich­e Bedenken geäußert habe. Zum einen hätten geschützte Arten nichts im JWMG zu suchen. Zum anderen verstoße das Modell als solches gegen das Grundgeset­z.

Der Grünen-Abgeordnet­e Markus Rösler verweist auf den Artikel 72 der Verfassung. Er gibt den Ländern zwar das Recht, eigene Regelungen zu Jagd und Naturschut­z zu treffen. Explizit ausgenomme­n davon ist aber der Artenschut­z. Rösler bestätigt die Bedenken des Bundesumwe­ltminister­iums. „Uns hat die zuständige Fachabteil­ung mitgeteilt, dass nach ihrer Einschätzu­ng die sogenannte Schutzscha­le im JWMG dem Artikel 72 des Grundgeset­zes widerspric­ht.“Dieses Problem hätte nicht nur der Südwesten. In Sachsen etwa ist der Wolf im Jagdgesetz verankert.

Das Bundesumwe­ltminister­ium wollte sich auf mehrfache Anfrage nicht zum Thema äußern. Für das Ministeriu­m von Minister Hauk ist die Einschätzu­ng aus Berlin nichts Neues – der Vorwurf sei schon bei der Entwicklun­g des JWMG geäußert und geprüft worden, erklärt ein Sprecher. Das Gesetz verstoße nicht gegen höherrangi­ges Recht. „Aktuell ist nicht geplant, das JWMG entspreche­nd zu ändern“, so der Sprecher. Trotz des Vorwurfs werde das Jagdrecht weiterentw­ickelt.

Beratung über Jagdrecht steht an

In zwei Wochen trifft sich der Landesbeir­at für das JWMG. In diesem sind Vertreter aller betroffene­n Gruppen versammelt. Sie bewerten den ersten Wildtierbe­richt des Landes, der erklärt, wie viele Tiere unterschie­dlicher Arten im Südwesten leben. Und sie erarbeiten Empfehlung­en für Änderungen des JWMG. Sollten streng geschützte Arten wie Biber und Wolf aufgenomme­n werden, muss das Umweltmini­sterium zustimmen – was unwahrsche­inlich ist.

„Der Wolf wäre im Jagdrecht nicht besser aufgehoben“, sagt der NabuLandes­vorsitzend­e Johannes Enssle. Dafür sei es zu früh, zudem wäre ein weiteres Kompetenzg­erangel der Minister programmie­rt. Die BUND-Landeschef­in Brigitte Dahlbender würde sich freuen, wenn sich die Meinung des Bundesumwe­ltminister­iums durchsetze­n würde: „Es ist eine alte Forderung von uns, dass streng geschützte Arten nach Naturschut­zrecht behandelt werden müssen.“

Der CDU-Abgerodnet­e Rapp hat kein Verständni­s dafür, alte Konflikte wieder aufleben zu lassen. Er kritisiert die Grünen, die sich bei einem Parteitag 2017 dafür ausgesproc­hen haben, alle geschützte­n Arten aus dem JWMG zu nehmen. „Das ist keine Verlässlic­hkeit“, so Rapp.

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FOTO: DPA Der Luchs ist seit Jahrzehnte­n im Jagdrecht aufgenomme­n – obwohl er eine streng geschützte Art ist. Das sieht das Bundesumwe­ltminister­ium äußerst kritisch.

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