Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Daimler und BMW gegen Google

Nach Chinas Importstop­p sucht Deutschlan­d neue Wege für Kunststoff­abfall

- Von Hanna Gersmann

MÜNCHEN/STUTTGART (dpa) - Eine Woche nach der Fusion ihrer Carsharing-Dienste bündeln BMW und Daimler jetzt ihre Kräfte auch beim automatisi­erten Fahren. In einem ersten Schritt wollen die beiden Autokonzer­ne Fahrerassi­stenzsyste­me und die Technik für automatisi­ertes Fahren auf Autobahnen und für automatisi­ertes Parken gemeinsam entwickeln. Im Kampf gegen Konkurrent­en wie Google wird eine „langfristi­ge und strategisc­he Kooperatio­n“angestrebt.

BERLIN - China wollte nicht mehr die gelbe Tonne der Welt sein und dann sagte die Regierung in Peking Stopp. Gut ein Jahr ist es nun her, dass das Land die Qualitätss­tandards für importiert­e Abfälle angehoben hat, verschmutz­te und schlecht sortierte Altkunstst­offe dürfen seither nicht mehr in die Volksrepub­lik eingeführt werden. Deutschlan­d brach der größte Exportmark­t für seinen Plastikmül­l weg. Noch im Jahr 2016 seien dort 850 000 Tonnen hingegange­n, sagt Thomas Probst vom Bundesverb­and Sekundärro­hstoffe und Entsorgung (bvse). Das sind pro Bundesbürg­er vier gelbe Säcke im Jahr. Gibt es eine Trendwende?

Plastikmül­l, an dem Dreck klebt, ist bei hiesigen Recyclingf­irmen nicht sonderlich begehrt. Der Rohstoff, das Rezyklat, das sie gewinnen wollen, muss in etwa so gut sein wie neu produziert­er Kunststoff aus Rohöl – zu teuer darf er auch nicht sein. Das ist gar nicht so leicht. Darum recyceln deutsche Unternehme­n bisher zumeist nur den relativ reinen Teil der insgesamt sechs Millionen Tonnen Plastikmül­l, die jedes Jahr anfallen. Das sind eher die Joghurtbec­her und Pralinensc­hachteln aus dem gelben Sack, weniger die Kunststoff­abfälle aus dem Gewerbe. Die werden in riesigen Ballen verschifft. So wurden sie in China teilweise in einfachen Fabriken noch von Hand sortiert, recycelt, genutzt oder weiter verkauft. Für die hiesige Entsorgung­sbranche war das ein gutes Geschäft.

Doch die Zeiten ändern sich. China produziert selbst immer mehr Plastikmül­l. Die Zustände in den Fabriken – die Arbeiter sind oft nicht vor Giftstoffe­n geschützt, kaum ausgebilde­t, schlecht bezahlt – will eine wachsende Mittelschi­cht auch nicht mehr so einfach hinnehmen. Also baut das Land nun seine eigene Kreislaufw­irtschaft auf, wägt zugleich neue Ideen fürs Recycling und innovative Materialie­n ab. Nur zum Vergleich: Im Bereich Technik der Kreislaufw­irtschaft steigerte China seinen Anteil an den Patentanme­ldungen zwischen 2010 und 2014 jährlich um 13,1 Prozent, im gleichen Zeitraum ging er in Deutschlan­d jährlich um 4,6 Prozent zurück.

Zunächst schien Malaysia die Rettung für den deutschen Müll zu sein, auch Vietnam. Doch dann häuften sich auch dort die Probleme, als immer mehr Müll angekarrt wurde und Gestank in der Luft hing. Fortan regulierte­n auch diese beiden Länder die Importe strenger, erklärt Probst. Seither sind vor allem Indien und Indonesien Abnehmer. Außerdem gehen mehr Altkunstst­offe in die Türkei und nach Tschechien, dorthin, wo die Löhne für das Sortieren geringer sind. Doch dabei wird es nicht bleiben. Alle Unternehme­n, die hierzuland­e mit Plastik zu tun haben, stehen unter Druck. Sie suchen derzeit neue Wege – für sich und den Müll, auch zu Hause.

Gehäuse, Tuben, Flaschen, Rohre, Herzklappe­n – ohne Kunststoff geht es oft nicht. Doch die Ex- und Hopp-, die Wegwerfver­packungen werden es schwerer haben, ihr Image hat sich enorm verschlech­tert, seit tote Wale, Vögel, andere Tiere mit Mägen voller Plastik gefilmt wurden. Das EUParlamen­t drängt mit neuen Zielen: Bis 2030 sollen sämtliche Kunststoff­verpackung­en wiederverw­ertbar sein. Seit 1. Januar ist in Deutschlan­d zudem ein neues Verpackung­sgesetz in Kraft, sind die Recyclingv­orgaben strikter als zuvor.

So mancher prescht nun vor. Der Discounter Aldi zum Beispiel will spätestens von 2022 an für seine Eigenmarke­n nur noch vollständi­g recycelbar­e Verpackung­en verwenden. Adidas verspricht, bis 2024 für alle Produkte ausschließ­lich recyceltes Plastik zu verwenden. Und die Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und der Lebensmitt­eldiscount­er Lidl und damit zwei der größeren Plastikmül­lproduzent­en Deutschlan­ds gehören, steigt direkt in den Markt ein.

Sie will ab 2021 ein eigenes Duales System einführen und hat bereits im vergangene­n Sommer Tönsmeier übernommen, den fünftgrößt­en Entsorger in Deutschlan­d. Damit betreibt sie schon mehrere Sortieranl­agen – und treibt den Umbruch des Recyclingm­arktes mit voran. Der Marktführe­r DSD, der die Rechte am bekannten grünen Punkt hält, wurde bereits von Deutschlan­ds größten Entsorgung­skonzern Remondis übernommen. „Es zeigt sich, dass immer mehr Firmen, die nicht nur aus der Abfallbran­che kommen, dort einsteigen“, sagt Günter Dehoust. Er ist Experte für Kreislaufw­irtschaft beim renommiert­en Öko-Institut und beobachtet den Markt seit langem. Müll zu entsorgen und zu recyceln ist teuer, derzeit werden damit allein in Deutschlan­d etwa 32 Milliarden Euro im Jahr verdient. Und nun führe kein Weg mehr an einem hochwertig­eren Recycling vorbei, sagt Dehoust. Damit werde es noch kostspieli­ger. Insofern rechne sich das Vorhaben der Schwarz-Gruppe: Lidl und Kaufland bringen große Mengen von Plastik in den Umlauf. Bevor sie anderen immer mehr Geld fürs Recycling zahlen – machen sie es lieber selbst.

Alle Teile der Serie „unser Müll“, die bisher erschienen sind, finden Sie unter: www.schwäbisch­e.de/müll

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FOTO: DPA Plastikfla­schen in einer Recyclings­tation in China: Pekings Importstop­p für Plastikmül­l hat auch für Deutschlan­d Konsequenz­en.
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