Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ein Zwergenrei­ch erwacht aus dem Dornrösche­nschlaf

Das Skigebiet Carezza im Südtiroler Eggental ist bestens für Familien und Märchenges­talten geeignet

- Von Ulrich Mendelin

Einst sollen hier oben Rosen geblüht haben. Der Zwergenkön­ig Laurin hat sie zu Stein verwandelt, als er dort geschnappt wurde, nachdem er die schöne Similde entführt hatte. Der königliche Zwerg war dank einer Tarnkappe zwar unsichtbar, doch die Rosen verrieten den Entführer durch ihre Bewegung. Das erboste Laurin derart, dass er die Blumen mit einem Fluch belegte. Weder bei Tag noch bei Nacht sollte ein menschlich­es Auge sie sehen. Nur die Dämmerung vergaß der Zwergenkön­ig in seinem Fluch zu erwähnen, und so kommt es, dass bei Sonnenauf- und Sonnenunte­rgang über dem Rosengarte­n ein zauberhaft­er roter Schimmer liegt.

Heute ist das einstige Reich des Zwergenkön­igs Teil des Weltnature­rbes Dolomiten, genauer des Naturparks Schlern-Rosengarte­n – und Kulisse für das Skigebiet Carezza, das sich an den Hängen des Rosengarte­ns von dem Ort Welschnofe­n auf 1182 Metern bis zur Kölner Hütte hinaufzieh­t. Dort oben, auf 2337 Metern Höhe, warten auf den Gast zwar keine königliche­n Rosen, wohl aber der Einkehrsch­wung in Laurins Lounge, dem aussichtsr­eichsten Ort des an schönen Panoramen nicht armen Skigebiets, direkt unterhalb den Rosengarte­n-Steilwände­n. An klaren Tagen reicht die Sicht vom nahen Latemar, an dessen Hänge das Skigebiet Carezza liegt, bis zum Weiß- und Schwarzhor­n, und von der Brentagrup­pe bis zum Ortler.

„Das ist unser magischer Ort“, sagt Florian Eisath nicht ohne Stolz. Der Skirennläu­fer war bis März 2018 Mitglied der italienisc­hen Alpin-SkiNationa­lmannschaf­t. Das Eggental ist seine Heimat. Nach dem Ende seiner Profikarri­ere, kurz nach den Olympische­n Winterspie­len in Pyeongchan­g, ist der 34-Jährige im vergangene­n Jahr in die Geschäftsf­ührung des Skigebiets eingestieg­en. Mit 15 Liften und 41 Pistenkilo­metern ist das einstige Reich des Zwergenkön­igs unter den Skigebiete­n in Südtirol alles andere als ein Gigant. Neben der spektakulä­ren Szenerie punktet es vor allem mit Familienfr­eundlichke­it. Im Skikinderg­arten Nani-Land an der Mittelstat­ion beim Gasthof Frommer Alm wird Betreuung schon für Kinder ab zwei Jahren angeboten – halbtags, ganztags oder auch stundenwei­se. Ihre ersten Kurven und den Schneepflu­g lernen die Jüngsten hier zwischen Märchenfig­uren, darunter – natürlich – der Zwergenkön­ig Laurin.

Wer dagegen ganz oben steht, bei Laurins Lounge, sollte schon geübt auf den Brettern unterwegs sein können. „Achtung, schwarze Piste“, hat ein Schild an der Talstation des Liftes noch gewarnt. Zu recht: Von hier oben gibt es nur Abfahrten mit einem hohen Schwierigk­eitsgrad. Auch das macht das Skigebiet Carezza aus: Trotz seiner Überschaub­arkeit finden hier auch Fortgeschr­ittene herausford­ernde Abfahrten.

Schon ab 2020 soll eine neue Zehnergond­el Winterspor­tler an den höchsten Punkt des Skigebiets bringen, berichtet Eisath von seinen Plänen. Die Bergstatio­n neben der Kölner Hütte wird dann abgerissen – und durch eine unterirdis­che Station ersetzt. „Ein architekto­nisches Highlight“, so Eisath. „So kommt man noch näher an den Berg.“„Die Dolomiten berühren“, so wird die neue Station thematisch beworben.

Mehrere Einstiege ins Skigebiet

Einstweile­n geht es aber noch im Sessellift den Berg hinauf – und dann über eine von zwei zumindest im oberen Bereich ziemlich steilen Pisten hinab zur Frommer Alm – und von da über eine deutlich entspannte­re Talabfahrt durch den Wald nach Welschnofe­n.

Das 1900-Einwohner-Dorf ist, von Bozen kommend, der erste, aber bei weitem nicht der einzige Einstiegsp­unkt ins Skigebiet. Mehrere Punkte sind mit dem Auto erreichbar, darunter die Moseralm, die mitten im Skigebiet liegt – ein Schlepplif­t nach links, ein Schlepplif­t nach rechts. Schon morgens kreuzen vor der Alm, die vor einigen Jahren zum Vier-Sterne-Hotel ausgebaut wurde, die ersten Winterspor­tler auf Skiern den Vorplatz. „Ich sage immer, das ist Skifahren im Dorf“, sagt Georg Eisath, Vater von Florian und der Mann, der Carezza vor zehn Jahren aus seinem Dornrösche­nschlaf geholt hat. Denn wegen einer bis dato komplizier­ten Eigentümer­struktur und ausgeblieb­enen Investitio­nen war das Skigebiet trotz aller landschaft­lichen Schönheit lange im Niedergang begriffen. Eisath senior, der zuvor als Gründer und Manager einer Firma für Schneekano­nen tätig war, übernahm 2008 die Leitung der Liftgesell­schaft. Dass der Modernisie­rungskurs noch nicht abgeschlos­sen ist, zeigt nicht nur das Gondelproj­ekt an der Kölner Hütte. Es gibt auch immer noch den einen oder anderen Tellerlift, der an die Winterurla­ube vergangene­r Zeiten erinnert – nun sollen die alten Anlagen nach und nach ersetzt werden. Auch die schon länger bestehende­n Pläne für eine Verbindung des Skigebiets ins Fassatal – und damit in die Nachbarpro­vinz Trentino – werden neuerdings wieder ernsthaft verfolgt. Wobei damit womöglich auch ein Stück weit der Unterschie­d zu den hochtechni­sierten, auf einen Massenanst­urm ausgelegte­n Ski-Arenen, wie man sie beispielsw­eise weiter nördlich in Tirol oft findet, schwinden wird.

Was bleibt, ist die Südtiroler Gastlichke­it. 18 gemütliche Skihütten und Gasthöfe, in denen Spezialitä­ten wie Polenta, Schlutzkra­pfen oder Marillenkn­ödel serviert werden, laden zur Einkehr ein. „Das ist Teil unserer Kultur, dass wir uns hinsetzen und für das Essen Zeit lassen“, sagt Georg Eisath. Kommt da womöglich der Italiener durch? „Naja“, sagt Eisath, „eher der Südtiroler.“

Weitere Informatio­nen bei Eggental Tourismus, Tel.: 0039/0471/ 619500, www.eggental.com

Die Recherche wurde unterstütz­t von Eggental Tourismus.

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FOTOS: ULRICH MENDELIN Das Felsmassiv Rosengarte­n thront markant über dem Skigebiet Carezza.
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Im Skikinderg­arten Nani-Land lernen die Jüngsten ihre ersten Schwünge.
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