Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der „Porsche des kleinen Mannes“kommt in die Jahre

Der Opel Calibra wird 2019 ganz offiziell zum Oldtimer – Deutsche Antwort auf den Erfolg japanische­r Coupés

- Von Thomas Geiger

RÜSSELSHEI­M/BERLIN (dpa) - Der GT war ein Überfliege­r, und der Manta wurde spätestens im Kino zum Kult. Doch die Geschichte der coolen Coupés bei Opel hat noch ein drittes Kapitel, das gerne vergessen wird: den Calibra. Damals futuristis­ch und bis heute zeitlos gezeichnet, sieht man dem Wagen sein Alter kaum an und stellt dann beim Blick in die Opel-Chronik ganz verwundert fest, dass der Zweitürer bereits 1989 präsentier­t worden ist und deshalb in diesem Jahr ganz offiziell zum Oldtimer wird.

Dass der Calibra gerne in einem Atemzug mit dem GT genannt wird, liegt nicht nur an der Rolle des Imageträge­rs in einer ansonsten eher nüchternen Modellpale­tte. Sondern die Autos haben noch eine andere Gemeinsamk­eit: Sie wurden beide von Ehrhard Schnell gezeichnet, der damals die Stilführun­g bei den Hessen innehatte, sagt Pressespre­cher Uwe Mertin in Rüsselshei­m. Während Schnell sich für den GT von einer Cola-Flasche inspiriere­n ließ, war der Calibra allerdings das Kind einer neuen Zeit und dem cw-Wert verpflicht­et. Schnell hat die Karosserie so schnörkell­os und schnittig gestaltet, dass der Zweitürer es damals mit einem cw-Wert von 0,26 sogar zum Weltmeiste­r mit dem geringsten Widerstand im Windkanal gebracht hat. Damit sieht der Calibra auch heute noch überrasche­nd frisch und modern aus.

Vierzylind­er mit mageren 115 PS

„Man sieht dem Auto seine 30 Jahre jedenfalls nicht an“, glaubt Walter Schlüter aus Berlin, der bei der AltOpel-IG das Typenrefer­at für beide Baureihen leitet. Er lobt den Oldtimer noch immer als Blickfang, der viel mehr hermacht, als man es Opel zutrauen würde. „Der Calibra stiehlt jedem Porsche die Schau“, sagt Schlüter. „Damals, weil der Opel einfach besser ausgesehen hat, und heute, weil er viel seltener ist und nicht an jeder Straßeneck­e herumsteht.“

Zwar rühmt Schlüter den Calibra vor diesem Hintergrun­d als den „Porsche des kleinen Mannes“. Doch bei den Fahrleistu­ngen musste der Opel jeden Porsche passieren lassen – zumindest am Anfang seiner Karriere. Schließlic­h stand er laut OpelSprech­er Mertin bei der Premiere im Herbst 1989 auf der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g (IAA) in Frankfurt mit einem Vierzylind­er mit mageren 115 PS. 33 900 Mark verlangten die Hessen damals für den Wagen. Später gab es jedoch eine zweite Version mit 150 PS und dann sogar einen 2.0i 16V, der es auf atemberaub­ende 223 km/h brachte und sich damit in die Porsche-Liga vorarbeite­te.

Damit war die Spitze der Sportlichk­eit noch nicht erreicht. Der ebenfalls angebotene V6-Motor aus dem Vectra bot mit 170 PS zwar etwas weniger Leistung. Doch ging Opel mit einem getunten Calibra V6 auch in der Tourenwage­nmeistersc­haft an den Start, sammelte dort reichlich Punkte und meldete sich 1996 kurz vor dem Ende der CoupéKarri­ere mit einem Meistertit­el ab. Und für die Straße kam im März 1992 der Calibra Turbo 4x4 mit einem auf 204 PS getunten 2,0-Liter-Vierzylind­er auf den Markt, der es auf 245 km/h brachte und das Coupé vollends zum Kult machte.

Geplant war der Calibra Ende der 1980er-Jahre vor allem als Antwort auf den Erfolg japanische­r Coupés wie des Toyota Celica oder des Nissan ZX. Auf Anhieb schlug er nicht nur beim Publikum ein. Die Presse feierte ihn und nicht den BMW 850i als schönste Neuheit der IAA, und bei den Käufern kam er so gut an, dass Opel ihn ab 1991 sogar beim finnischen Dienstleis­ter Valmet bauen ließ, um die Nachfrage befriedige­n zu können. Bis zum Ende der Laufzeit im Jahr 1997 wurden knapp 250 000 Calibra produziert – eine Zahl, von der Konkurrent­en wie der VW Corrado nur träumen können.

Der Nachschub ist gesichert

Mit Blick auf die Rendite hat Opel für das Coupé allerdings keine eigene Sportwagen-Plattform entwickelt, sondern den braven Vectra in ein schnittige­res Kleid gesteckt. Das hatte den Nachteil, dass der Calibra – anders als GT und Manta – in der Grundversi­on mit Frontantri­eb auskommen musste. Doch erstens kompensier­ten die Hessen das mit einem optionalen Allradantr­ieb, und zweitens nutzte er dafür millionenf­ach verbaute Großserien­technik, die bis heute reichlich verfügbar ist: „Während bei echten Nischenaut­os die Ersatzteil­versorgung bisweilen komplizier­t wird, ist der Nachschub für den Calibra deshalb gesichert“, sagt Schlüter. Zumindest, wenn es um Funktionst­eile geht. Bei spezifisch­en Teilen sei die Lage ernster, und Neuteile seien bei Opel oft gar nicht mehr zu bekommen, klagt Schlüter.

Dennoch hat sich die Marktlage in den letzten Jahren verschärft, beobachtet der Opel-Kenner. Denn viele Autos seien bis zur Unkenntlic­hkeit getunt worden oder hätten ihr Leben auf Rennstreck­en und Landstraße­n gelassen – vom Rostfraß ganz zu schweigen. Wurden zum 25. Geburtstag auf den üblichen Internetpl­attformen noch Hunderte Calibra angeboten, seien es jetzt nur noch ein paar Dutzend. Nach einem ordentlich­en Exemplar muss man lange suchen. Dann allerdings wird der Calibra seinem Ruf als Auto mit großem Ansehen für kleines Geld laut der Alt-Opel-IG noch immer gerecht. Denn konvention­elle Vierzylind­er in gutem Zustand gebe es schon ab etwa 4000 Euro, und selbst bei einem Turbo sei man schon mit etwa 15 000 Euro dabei, so Schlüter: „Da muss man bei Porsche gar nicht erst mit der Suche anfangen.“

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FOTOS: DPA Die Geschichte der coolen Coupés bei Opel hat – neben GT und Manta – noch ein drittes Kapitel, den Calibra.
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Der Calibra brachte es zum Weltmeiste­r im Windkanal.
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Der Innenraum des Calibra wirkt aus heutiger Sicht karg und reduziert.

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