Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bewegung im Stillleben

Der VfB Stuttgart vertraut gegen Hannover 96 seinen elf Geläuterte­n – und ist der Favorit

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Thomas Berthold, auch so ein Ex-Weltmeiste­r des VfB Stuttgart, hat die Lage im Ligakeller im „kicker“schön zusammenge­fasst: „Das ist kein Schneckenr­ennen mehr – das ist ein Stillleben“, sagte er angesichts der Tatsache, dass gefühlt seit Jahren keines der vier unteren Teams mehr gewonnen hat. Auf 61 Zählerchen kommen Augsburg, der VfB, Hannover und Nürnberg zusammen, sieben weniger als die vier Rekordschl­echtesten nach einem 23. Spieltag aus dem Jahre 2010. Gut möglich, dass ein Spieleentw­ickler sich davon inspiriere­n lässt und bald ein Brettspiel namens „Vier verliert“auf den Markt bringt. „Allen vier fehlt es an der spielerisc­hen und besonders an mentaler Stärke“, findet jedenfalls Berthold und lobt stattdesse­n die vermeintli­ch schlechter aufgestell­ten Rivalen Mainz, Freiburg oder Düsseldorf. „Die wissen genau, wo sie herkommen, wo sie hinwollen und wie sie hinkommen.“

Am Sonntag könnte es immerhin für einen der Kriselnden einen Aufschwung geben: Der VfB erwartet Hannover (15 Uhr/Sky), 67 Prozent von 95 000 Fans glauben in einer „kicker“-Umfrage an einen Heimsieg des Liga-16., der im April noch Schlusslic­ht Nürnberg zu Hause empfängt. Auch Stuttgarts Trainer Markus Weinzierl klingt durchaus optimistis­ch nach dem 1:3 gegen Leipzig und dem 1:1 in Bremen: „Wir haben zweimal eine sehr beherzte Mannschaft­sleistung gezeigt, wir sind sehr viel gelaufen, wir arbeiten an der Fitness und der Mentalität. Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie will, dass sie an einem Strang zieht“, sagt der Coach. Zuvor allerdings hatte sie wochenlang bewiesen, dass Stränge ziehen gar nicht ihr’s ist und tatsächlic­h eher an eine Ansammlung toter und regloser Gegenständ­e erinnert. Blumen, Früchte, Gläser, Instrument­e, Deckchen, ein Stillleben eben.

Seit Leipzig aber scheint wieder Blut in den Körpern zu sein, und Hoffnung macht Weinzierl auch, dass er nun zum dritten Mal mit einer unveränder­ten Mannschaft starten kann. „Never change a winning team“, kann man beim VfB gerade schlecht sagen, „never change a fighting team“, das trifft es wohl eher.

Gewinnen aber kann der VfB nur, wenn er auch seine hundertpro­zentigen Chancen nutzt, und da zeigte sich zuletzt wieder mal die Abhängigke­it von Mario Gomez. Außer dem gebürtigen Riedlinger (fünf Treffer) und Anastasios Donis (drei) schießt so gut wie kein Stuttgarte­r Tore, doch der Ex-Nationalst­ürmer verdaddelt­e in Bremen gleich zwei Hochkaräte­r und war danach bedient. „Ich hätte das 2:0 machen müssen. Auch wenn wir sehr in die Defensive gedrängt wurden, hatte ich da die zwei Chancen. Es tut mir leid für die Mannschaft. Ich habe es versucht. Beim 1:0 hab ich mir den Ball falsch vorgelegt, beim 2:0 hätte ich ihn nur ein wenig anheben müssen. Das Glück ist momentan nicht auf meiner Seite“, sagte Gomez nur.

Weinzierl aber nahm ihn in Schutz. „Da ist der Kopf mit dabei. Die Leichtigke­it und das Selbstvers­tändnis, das Mario Jahrelang hatte, hat er momentan nicht, weil er ein paar Chancen liegen gelassen hat. Aber er wird diese Leichtigke­it auch wieder bekommen. Mit der Qualität, die er hat, wird er auch wieder seine Tore machen. Solange er die Chancen hat, bin ich zufrieden.“

Hannover: Chancenlos­es Lazarett

Exakt das kann man von Gegner Hannover nicht sagen. In drei der inzwischen vier Partien unter dem neuen Trainer Thomas Doll hatten die Niedersach­sen jeweils nur eine Torchance, zu wenig, um ein Spiel in der Bundesliga zu gewinnen. Bereits seit 23 Partien ist Hannover ohne Auswärtssi­eg, in sieben der letzten elf Spiele gab es keinen Treffer – alle Statistike­n sprechen klar gegen die Gäste, die allerdings auch Opfer ihres enormen Verletzung­spechs sind. Ohne Turbodribb­ler Ihlas Bebou und Torjäger Niclas Füllkrug geht vorne kaum etwas, und Hoffenheim-Leihgabe Kevin Akpoguma, der eigentlich die Defensive stabilisie­ren sollte, kugelte sich kurz nach seiner Ankunft die Schulter aus. Am Donnerstag gab es die nächste Hiobsbotsc­haft: Linksverte­idiger Matthias Ostrzolek zog sich bei einem Zusammenpr­all im Training mit Torwart Michael Esser mehrere Rippenbrüc­he zu, er wird lange ausfallen.

 ?? FOTO: DPA ?? Auf der Suche nach Glücksgefü­hlen: Der VfB will endlich mal wieder jubeln, wie hier kurzzeitig in Bremen.
FOTO: DPA Auf der Suche nach Glücksgefü­hlen: Der VfB will endlich mal wieder jubeln, wie hier kurzzeitig in Bremen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany