Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kultstatus für Hemmedglonker
In vielen Regionen Baden-Württembergs ist der Hemmedglonkerumzug fester und wichtiger Bestandteil der Lokalfastnacht. Die Grundausstattung ist einfach zu besorgen: weißes Nachthemd, weiße Zipfelmütze, Lampion oder Laterne – und der Hemdglonker ist fertig. Fortgeschrittene tragen weiße Handschuhe und bestäuben ihr Gesicht mit Mehl, in manchen Städten gehören auch Lärminstrumente oder die Schweinsblase (Saubloder) dazu. Wo Hemmedglonker sich zusammentun, herrscht demokratische Gleichheit. Ein Glonker (auch Glunker oder Glunki) ist „einer, der herumhängt und eigentlich nichts taugt“.
Als Fastnachtsfigur ist der Hemmedglonker auf der Baar, im Schwarzwald, im Hegau und im Bereich Bodensee/Oberschwaben weit verbreitet. Volkskundler sehen den Ursprung in den Domschulen des Mittelalters. Am Nikolaustag (6. Dezember ) oder am Tag der unschuldigen Kinder (28. Dezember) haben die Chorknaben in den Domschulen statt eines Chorhemdes ein Nachthemd angezogen, sich einen eigenen Bischof gewählt, den Kinderbischof oder Hemmedglonkerkönig.
Die kirchlichen Riten wurden auf den Kopf gestellt, es gab Maskeraden, Narreteien, Umzüge und Ausschweifungen. In Konstanz, wo der Hemmedglonkerumzug Kultstatus hat, sieht man einen Pädagogen als geistigen Paten. Dieser soll älteren Pennälern das „Sie“verweigert und diese als Hemmedglonker, sozusagen als noch nicht ganz trocken hinter den Ohren bezeichnet haben.Die Schüler rächten sich – als Hemmedglonker – mit einer Katzenmusik.
Die Konstanzer Narren datieren den ersten Hemmedglonkerumzug auf das Jahr 1879. In der Konstanzer Zeitung vom 21. Februar 1882 steht: „Später vollführte ein von Knaben gebildeter ,Hemdglonkerumzug’ einen scheußlichen Spektakel“. Ursprünglich ist der Hemmedglonkerumzug eine reine Schülerangelegenheit ist, so die Quellen.
Der Dichter und Schriftsteller Bruno Epple schrieb zu dem Thema: „Der Hemdglonker ist also vom Ursprung und vom Sinn her ein ritualisierter Aufruhr. Nicht der Hemdglonker, sondern der Nicht-Hemdglonker steht dann ,im Hemd’ da.“