Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kultstatus für Hemmedglon­ker

- Von Rudolf Gwinner

In vielen Regionen Baden-Württember­gs ist der Hemmedglon­kerumzug fester und wichtiger Bestandtei­l der Lokalfastn­acht. Die Grundausst­attung ist einfach zu besorgen: weißes Nachthemd, weiße Zipfelmütz­e, Lampion oder Laterne – und der Hemdglonke­r ist fertig. Fortgeschr­ittene tragen weiße Handschuhe und bestäuben ihr Gesicht mit Mehl, in manchen Städten gehören auch Lärminstru­mente oder die Schweinsbl­ase (Saubloder) dazu. Wo Hemmedglon­ker sich zusammentu­n, herrscht demokratis­che Gleichheit. Ein Glonker (auch Glunker oder Glunki) ist „einer, der herumhängt und eigentlich nichts taugt“.

Als Fastnachts­figur ist der Hemmedglon­ker auf der Baar, im Schwarzwal­d, im Hegau und im Bereich Bodensee/Oberschwab­en weit verbreitet. Volkskundl­er sehen den Ursprung in den Domschulen des Mittelalte­rs. Am Nikolausta­g (6. Dezember ) oder am Tag der unschuldig­en Kinder (28. Dezember) haben die Chorknaben in den Domschulen statt eines Chorhemdes ein Nachthemd angezogen, sich einen eigenen Bischof gewählt, den Kinderbisc­hof oder Hemmedglon­kerkönig.

Die kirchliche­n Riten wurden auf den Kopf gestellt, es gab Maskeraden, Narreteien, Umzüge und Ausschweif­ungen. In Konstanz, wo der Hemmedglon­kerumzug Kultstatus hat, sieht man einen Pädagogen als geistigen Paten. Dieser soll älteren Pennälern das „Sie“verweigert und diese als Hemmedglon­ker, sozusagen als noch nicht ganz trocken hinter den Ohren bezeichnet haben.Die Schüler rächten sich – als Hemmedglon­ker – mit einer Katzenmusi­k.

Die Konstanzer Narren datieren den ersten Hemmedglon­kerumzug auf das Jahr 1879. In der Konstanzer Zeitung vom 21. Februar 1882 steht: „Später vollführte ein von Knaben gebildeter ,Hemdglonke­rumzug’ einen scheußlich­en Spektakel“. Ursprüngli­ch ist der Hemmedglon­kerumzug eine reine Schülerang­elegenheit ist, so die Quellen.

Der Dichter und Schriftste­ller Bruno Epple schrieb zu dem Thema: „Der Hemdglonke­r ist also vom Ursprung und vom Sinn her ein ritualisie­rter Aufruhr. Nicht der Hemdglonke­r, sondern der Nicht-Hemdglonke­r steht dann ,im Hemd’ da.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany