Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Augsburg verdirbt dem BVB den Fernsehabend
Dortmund patzt im Kampf um die Meisterschaft, heute könnte der Vorsprung auf Bayern bereits weg sein
AUGSBURG - Den geruhsamen Fernsehabend kann Lucien Favre nun getrost knicken. Mit etwas verfinsterter Miene wird der Trainer des BVB wohl nach dieser 2:1 (1:0)-Niederlage beim FC Augsburg vor dem Fernseher sitzen und wahrscheinlich nur noch seine Ruhe wollen. Denn wie hatte Favre angekündigt: „Meine Konzentration gilt unserem Spiel am Freitag. Dann werde ich mir natürlich auch das Topspiel anschauen.“Das Topspiel: die Partie des FC Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach (18:30/ Sky) wird nun zur Gruselvorstellung.
Denn nicht etwa mit einem Vorsprung von sechs Punkten auf den Rekordmeister blicken die Ruhrpott-Kicker von der Tabellenspitze hinab, sondern mit lediglich drei Zählern – anschließender Punktegleichstand nicht ausgeschlossen. „Wir schießen uns selbst die Tore rein, machen zwei individuelle Fehler. Das müssen wir abstellen. So leichtfertig dürfen wir die Bälle nicht herschenken. Wir hatten genug Torchancen, um das Spiel zu gewinnen“, monierte BVB-Kapitän Marco Reus nach Abpfiff.
Dass Augsburg in „jedem Spiel sehr viele Torchancen“hatte, war auch Favre nicht entgangen. Auch gegen seine Dortmunder blieben diese nicht aus. In Abwesenheit von Alfred Finnbogason war es Dong-Won Ji, der
in der 24. Minute den BVB schockte. BVB-Verteidiger Dan-Axel Zagadou verlor den Ball gegen Andre Hahn, dessen Pass in der Mitte Ji fand. Sieben Meter vor dem Tor kam der Südkoreaner an den Ball, zog ab, blieb an Manuel Akanji hängen, zog nochmal ab und setzte den Ball in den linken Winkel. Hoffnung für den BVB kam so richtig erst in der 32. Minute auf. Doch Hoffnung, die bei der Borussia bekanntlich den Namen Marco Reus trägt, verzog ihren Kopfball. Die Rückkehr der Nummer 11 war heiß ersehnt worden. Der Denker und Lenker, der Anführer und sein BVB wollten sich vor dem entscheidenden Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Tottenham am Dienstag eigentlich jede Menge Selbstvertrauen und Spielpraxis holen. Doch egal ob Abdou Diallo (41.) Jacob Bruun Larsen (42.) Paco Alcacer (75.) oder Jadon Sancho (88.) – spätesten bei FCA-Torhüter Gregor Kobel war Endstation.
Und war es vor allem Manuel Baums „Den-Dortmundern-keine-Sekunde-Ruhe-lassen“-Taktik, die griff. Früh stören, immer direkt drauf und dann direkt in die Spitze. Gut gedacht – und in der Praxis optimal umgesetzt.
Dass es nicht beim altbekannte Augsburger Problem blieb – ein Tor, viel Kampf, kein Sieg –, war dann wieder Ji zu verdanken, der in der 67. Minute seinen Doppelpack schnürte. In der eigenen Hälfte sicherte er sich den Ball, marschierte und lupfte die Kugel 16 Meter vor dem Tor über Bürki hinweg. Das Anschlusstor von Alcacer (81.) war nur noch Makulatur.
Dass die Lage in Augsburg ernst ist und bleibt, war vor allem an Manuel Baum abzulesen. Sonst auch nicht gerade ein Bankhocker, sprang der Trainer kontinuierlich wild gestikulierend an der Linie umher. Klatschend und den Daumen reckend, dann ganz weit nach hinten gebeugt, als würde er zum Kopfball ausholen, doch meistens einfach nur wild winkend, rufend und am Ende erleichtert in die Luft hüpfend.
Augsburg zeigt Charakter
In Augsburg wissen sie ganz genau, wie wichtig diese drei Punkte im Schneckenrennen Abstiegskampf waren. „Wir haben heute alle Tugenden gezeigt, die wir gegen Freiburg vermisst haben: Herz, Charakter, Leidenschaft. Aber was soll ich erzählen? Wir haben gewonnen. Geil“, sagte Hahn.
Favre, der in sich ruhende Schweizer, ließ in der kühlen Augsburger Nacht dagegn lieber die Hände in den Manteltaschen oder verzog sich unter die Überdachung. Er wusste: der entspannte Fernsehabend ist so oder so gelaufen.
FCA: Kobel - Danso, Khedira, Stafylidis (17. Teigl) - Schmid, Koo, Baier (89. F. Götze), Max - Ji (83. Cordoba) - Gregoritsch, Hahn. – Dortmund: Bürki - Hakimi, Akanji, Zagadou, Diallo - Witsel, Delaney (66. Guerreiro) - Sancho, Reus (66. Alcacer), Larsen (76. Philipp) - M. Götze.