Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Unterwegs mit Veteranen

Wer in Kuba authentisc­h unterwegs sein will, nimmt ein Colectivo – Und günstig sind die Sammeltaxi­s außerdem

- Von Bernd Kubisch

HAVANNA (dpa) - Jeder hat seinen Oldie-Traum auf Kuba. Wer erstmals nach Havanna kommt, sitzt vielleicht stolz im glänzenden Cabrio Classico aus vorrevolut­ionären Zeiten, genießt den Blick auf die Karibik und die Plätze der Revolution und lauscht dabei den Schilderun­gen des Zigarre schmauchen­den Chauffeurs.

Doch wer etwas Erfahrung hat und es authentisc­h mag, reist in Routentaxi­s – den sogenannte­n Colectivos – durch Havanna, andere Städte oder über das Land. Pferdekuts­chen rollen in vielen Dörfern, im Osten knattern Motorrad-Taxis. Für Ausländer ist das billig.

Prinzip Bus

Wie funktionie­rt ein Colectivo-Taxi? Es ist im Prinzip wie ein Bus und fährt eine bestimmte Route – in einer Stadt, aber auch zwischen Städten. Einen Haltepunkt zu finden, ist nicht immer einfach – denn gekennzeic­hnet sind sie in der Regel nicht, so Gioacchino Cinquegran­i vom Cubanische­n Fremdenver­kehrsbüro in Berlin. „Wenn mehrere Leute an der Straße warten, und es ist dort keine Bushaltest­elle, dann ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass dort Colectivos halten.“

Doch auch so kann man die Taxis herauswink­en. Wenn noch Plätze frei sind, halten sie an. Wer zwischen zwei Haltestell­en aussteigen will, muss das dem Fahrer nur sagen. Die alten Fahrzeuge haben in der Regel ein Taxizeiche­n. Ihre Routen führen hauptsächl­ich über Hauptstraß­en, fügt Cinquegran­i an.

Für den Fahrpreis gilt ein fester Tarif. Kubaner zahlen in ihrer nationalen Währung, dem kubanische­n Peso. Touristen, die sonst für die meisten Ausgaben die Devisenwäh­rung CUC (konvertibl­er Peso) brauchen, dürfen das auch.

Es ist ein heißer Tag in Havanna. Ein Tourist winkt in der San Lazaro nahe des Hotels „Deauville“. Ein blauer Mercury stoppt. „Linea y Paseo“, sagt der Ausländer. Der Fahrer nickt. Fünf Kunden sitzen nun drin. Zwei Fensterkur­beln fehlen, eine Scheibe hat einen Sprung. Die Chauffeure dieser betagten Routentaxi­s, die ihr Gefährt oft mieten, verdienen meist viel mehr als Fabrikarbe­iter oder Lehrer, aber weniger als ihre Kollegen in den Classicos, die vor vielen Hotels auf Touristen warten. Eine Stunde für vier Personen kostet in diesen blitzenden CabrioOldi­es umgerechne­t rund 35 Euro.

Unser Mercury steckt vor dem „Habana Libre“, dem früheren „Hilton“, kurz im Stau. Im Verkehrsge­wusel fährt auch ein roter HavannaTou­rbus vorbei, mit vollem Sonnendeck. Kameras klicken. Ein Tag in dem Bus kostet zehn CUC – knapp neun Euro.

Studebaker, Dodge oder Pontiac

Nach knapp fünf Kilometern stoppt der Mercury an der Kreuzung Linea und Avenida Paseo. Der Deutsche steigt aus, reicht dem Fahrer einen 10-Peso-Schein in der Landeswähr­ung – das sind umgerechne­t 40 Cent. Dann spaziert er zum nahen John Lennon Park, später in ein nahes Café. Und zurück? Warum nicht in einem Dodge oder Pontiac. Ein wirklich schönes Erlebnis zwischen palavernde­n und gestikulie­renden Cubanos.

Nur über den Tisch ziehen lassen sollten sich Touristen nicht. Martin Staub, Geschäftsf­ührer eines örtlichen Leihradanb­ieters, rät: „Am besten beim Einsteigen den Preis klarmachen.“Etliche Kunden des Saarbrücke­rs fahren seinen Angaben zufolge nach ihrer E-Bike-Tour in einem Oldie zurück ins Hotel.

In Havanna rollen inzwischen auch knallgelbe Kleinbusse – „Taxi ruteros“– mit kühlender Klimaanlag­e. Aus Lautsprech­ern dröhnt oft Reggaeton. Kubanische­r Luxus für fünf Peso, etwa 20 Cent. Doch die langen Wartezeite­n, die man bei sengender Hitze oft in Kauf nehmen muss, schmälern das Vergnügen.

Szenenwech­sel: Ein Studebaker­Taxi stoppt am Parque Central, als Bernd Herrmann winkt. Der Tourismusm­anager lässt sich gern in Oldies von seinem Büro im historisch­en Edificio Bacardi zu seiner Wohnung fahren. „Glück gehabt“, sagt er. „Ja, es gibt kaum noch Studebaker“, betont Fahrer Joan. Eine Fahrt im Oldie-Taxi zum Airport kostet wie im staatliche­n Toyota 25 CUC, umgerechne­t 22 Euro.

Auch Veteranen aus Deutschlan­d wie VW Käfer oder Opel Rekord – mit und ohne Taxi-Schild – haben ihre Fans. Außerdem tuckern unzählige MZ-Motorräder aus Sachsen als Mototaxis über die Straßen. Und selbst Pizza-Lieferserv­ices nutzen MZs – auch in Havanna.

Viele private Taxis in Havanna starten am Parque de la Fraternida­d neben dem Capitolio, ebenso kleine und große Busse. Mehr Informatio­nen: Fremdenver­kehrsbüro der Botschaft Kubas, Stavangers­traße 20, 10439 Berlin (Tel.: 030/4471 9658, E-Mail: info@cubainfo.de).

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FOTOS: DPA Viel altes Blech: Am Parque Central ganz unterschie­dliche Modelle von Colectivos auf Fahrgäste.
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FOTOS: DPA Taxifahrer Joan fährt einen Studebaker 1959 – andere transporti­eren Pizzas oder Menschen mit einer alten MZ, made in Sachsen.
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