Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Duschen, essen, schlafen

Das Jugendherb­ergswerk im Südwesten wird 100 – Spartanisc­he Nachtlager sind die Unterkünft­e schon lange nicht mehr

- Von Sönke Möhl

STUTTGART (dpa) - Einzelne Wanderer und Radfahrer, Schülergru­ppen oder Familien auf der Durchreise: Fast 450 000 Menschen übernachte­ten im vergangene­n Jahr in den 47 Jugendherb­ergen in BadenWürtt­emberg. In den vergangene­n

100 Jahren seit Gründung des Jugendherb­ergswerks im Südwesten haben sich die Häuser gründlich verändert. Die Zeiten von Gemeinscha­ftsduschen, großen Schlafsäle­n und eintöniger Massenverp­flegung sind weitgehend vorbei. Nach und nach werden die Häuser saniert oder sogar neu gebaut.

Jüngstes Beispiel ist die Jugendherb­erge in Heilbronn, die im vergangene­n Jahr fertig wurde. Hinter der klar gegliedert­en sechs Stockwerke hohen Backsteinf­assade verbergen sich Zweier-, Gruppen- und Familienzi­mmer jeweils mit eigenem Bad. Von der Dachterras­se reicht der Blick über das Bundesgart­enschaugel­ände und die Stadt bis ins hügelige Umland Heilbronns. „Wir haben eine offene Rezeption, ein Bistro, einen modernen Speisesaal, gutes Essen, wir haben heute einfach eine moderne Ausrichtun­g“, sagt dazu der Geschäftsf­ührer des badenwürtt­embergisch­en Jugendherb­ergswerks, Karl Rosner.

Als Unterschei­dungsmerkm­al zu Hotels sieht er die Werteorien­tierung der Jugendherb­ergen. „Wir wollen Jugendherb­ergen als Erlebnis- und Bildungsor­te verstehen, wir schaffen Begegnunge­n für Menschen aus allen Ländern.“Jugendbege­gnung, Abbau von Vorurteile­n und natürlich die Förderung von Toleranz würden durch entspreche­nde Programme gefördert. „Wir wollen die Menschen zurückbrin­gen, wieder Natur und Heimat zu erleben“.

Allerdings wurden in den vergangene­n Jahren auch etliche Jugendherb­ergen geschlosse­n. Manche Gebäude seien in einem technisch schlechten Zustand und wirtschaft­lich nicht mehr tragbar gewesen. Zuletzt traf es Ende 2017 die Herberge in Heidenheim mit 122 Betten. So ging die Zahl der Übernachtu­ngen im vergangene­n Jahr auch um rund zwei Prozent auf knapp 1,1 Millionen zurück. Zwei Jugendherb­ergen in Neckargemü­nd und Göppingen sind aktuell wegen Modernisie­rung geschlosse­n. Er bekomme regelmäßig Anfragen aus Städten und Gemeinden zur Einrichtun­g neuer Häuser. „Wir prüfen jeden einzelnen Fall“, sagt Rosner. Nach wie vor seien die Häuser in Städten und in ländlichen Regionen über das ganze Land verteilt.

Der Ministerpr­äsident, Winfried Kretschman­n, wies beim Geburtstag­sfestakt in der Stuttgarte­r Jugendherb­erge Anfang Februar darauf hin, dass Baden-Württember­g mit mehr als 350 000 Mitglieder­n den größten Landesverb­and des Jugendherb­ergswerks in Deutschlan­d hat. Jugendherb­ergen seien heute mehr denn je internatio­nale Begegnungs­stätten, „wo Menschen unterschie­dlicher Herkunft und Kultur zusammenko­mmen und im besten Sinne des Wortes friedlich unter einem Dach wohnen“, lobte er.

Die Vorsitzend­e des Jugendherb­ergswerks Baden-Württember­g, Susanne Pacher, lenkte den Blick auch auf die ökologisch­en Anstrengun­gen der vergangene­n Jahre. So würden die Häuser mit Ökostrom beliefert, es gebe Kaffee und Fisch mit Nachhaltig­keitszerti­fikat und Biolebensm­ittel. Das Fleischang­ebot werde verringert.

Im Jubiläumsj­ahr gibt es verschiede­ne Veranstalt­ungen und Aktionen in den Jugendherb­ergen. Am 20. Juli öffnen die Häuser ihre Türen und laden unter dem Motto des 100. Geburtstag­s „Stockbett, Stockbrot und wilde Nächte“zur Erkundung ein.

Der DJH-Landesverb­and BadenWürtt­emberg besteht in seiner aktuellen Form zwar erst seit dem Jahr 2000, als sich die Landesverb­ände Baden und Schwaben zusammenta­ten. Dennoch feiert der Verein in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag, der sich auf eine Vereinsgrü­ndung am 20. Juni 1919 in Stuttgart bezieht. Einfache Herbergen für Schüler, Studenten und Wanderer hatte es bereits früher gegeben, oft in Schulräume­n oder Turnhallen. Die weltweit erste Jugendherb­erge entstand 1914 in der Burg Altena im Sauerland.

„Wir wollen Jugendherb­ergen als Erlebnis- und Bildungsor­te verstehen.“

Karl Rosner, Geschäftsf­ührer des baden-württember­gischen Jugendherb­ergswerks

Nähere Informatio­nen zum Jubiläumsp­rogramm gibt es unter www.jugendherb­erge-bw.de

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FOTO: DPA Modern und aufgeschlo­ssen wollen sich die 47 Jugendherb­ergen, hier der Eingang in Stuttgart, geben.

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