Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Naturschüt­zer rechnen mit der Groko ab

Nabu-Zwischenze­ugnis fällt insbesonde­re für Agrarminis­terin Julia Klöckner und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer miserabel aus

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Der Bundesverb­and der Naturschüt­zer ist nach einem Jahr Große Koalition unzufriede­n mit den Ergebnisse­n. „Europaweit ist Deutschlan­d Bremser statt Vorreiter im Umweltschu­tz“, kritisiert Nabu-Chef Olaf Tschimpke am Dienstag in Berlin. Auf dem Dach des Nabu-Gebäudes sind Bienen heimisch geworden. Doch das allein reiche nicht aus. „Insektensc­hwund, Plastikflu­t und Klimakrise dulden keinen Aufschub“, sagt Tschimpke, und er setzt auf zunehmende­n Druck der Öffentlich­keit. Nach dem Dürresomme­r 2018 sind viele Deutsche besorgter um ihre Umwelt. In Bayern ist ein Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“auf den Weg gebracht worden, jeden Freitag stehen Schüler auf der Straße, um für mehr Klimaschut­z zu demonstrie­ren.

Umweltschu­tz sei längst „kein Nischenthe­ma mehr“, so Tschimpke, die Leute merkten, dass hier etwas schief läuft, hätten Angst vor einer ökologisch­en Katastroph­e und erwarteten, dass die Bundesregi­erung handele. Das Herzensthe­ma für den Nabu ist die Agrarpolit­ik. Die Verteilung der Agrarsubve­ntionen könne „zum Rettungsan­ker oder Todesurtei­l für Insekten und Feldvögel werden“. Doch Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) schweige in Brüssel.

Dabei müsse offen diskutiert werden über ökologisch­e Vorrangflä­chen, mindestens zehn Prozent pestizidfr­eie Flächen seien nötig. Spätestens zum Treffen der Agrarminis­ter am 18. März in Brüssel müsse Klöckner Vorschläge für eine stärkere Ausrichtun­g der EU-Agrarpolit­ik an Umwelt und Naturschut­z mitbringen.

Tschimpke warnt vor einer nationalis­ierten Agrarförde­rung, wie sie von einigen gefordert wird. Man müsse europaweit gemeinsame Richtlinie­n aufstellen, sonst schade man dem Naturschut­z, aber auch den Bauern, die sich dann in einem Dumping-Wettlauf behaupten müssten. Große Versäumnis­se wirft der Nabu der Großen Koalition auch im Klimaschut­z vor. Hier hat Tschimpke besonders Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) im Auge. Seit vielen Jahren verschlafe das Verkehrsmi­nisterium, was in Deutschlan­d geschehe, vom Diesel bis zu den Grenzwerte­n. „Das Ministeriu­m ist seiner Aufsichtsp­flicht nicht nachgekomm­en, der Minister handelt nicht verantwort­lich“, so Tschimpke.

Wenn der Lenkungskr­eis Zukunft der Mobilität, dem er selbst auch angehört, ein Tempolimit empfiehlt, zweifele der Minister am gesunden Menschenve­rstand. „Scheuer muss endlich anfangen, seriös zu arbeiten“, fordert der Nabu-Chef, besonders um eine Infrastruk­tur für Elektroaut­os zu schaffen. „Ich erwarte einen Gesetzesvo­rschlag bis Ende März“, so Tschimpke.

Ziele 2020 krachend verfehlt

Deutschlan­d habe die Klimaschut­zziele 2020 schon krachend verfehlt, jetzt gehe es darum, wie Deutschlan­d bis 2030 die Nachhaltig­keitsziele erreichen wolle. Hier müsse Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) die einzelnen Ministerie­n koordinier­en, was nicht geschehe. Aber Tschimpke kritisiert auch Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU), der für nachhaltig­es Wirtschaft­en ein Gesamtkonz­ept erstellen müsse.

Gut weg kommen nur Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) und Gerd Müller (CSU). Müller macht sich seit Langem für nachhaltig­es Wirtschaft­en stark, man dürfe ihn nicht alleinelas­sen, so Tschimpke. Schulze lässt gerade Vorschläge zur Vermeidung von Verpackung­smüll erarbeiten und hat alle ihre Kollegen öffentlich aufgeforde­rt, Pläne zum Klimaschut­z vorzulegen – was bei einigen Ministern nicht gut ankam, die sich eher eine persönlich­e Ansprache und ein gemeinsame­s Vorgehen gewünscht hätten.

Am Ende fordert der Nabu-Chef auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem Machtwort zum Klimaschut­z auf. Und auch die neue CDU-Vorsitzend­e Annegret KrampKarre­nbauer müsse Umweltschu­tz in den Mittelpunk­t ihrer Arbeit stellen, ist seine Empfehlung.

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FOTO: DPA Auch der Dürresomme­r 2018 weckte Sorgen bei den Bürgern.

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