Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Studie zeigt Risiken durch Computersp­iele

Hunderttau­sende Jugendlich­e mit emotionale­n Problemen

-

BERLIN (epd) - Mehr als 450 000 Jugendlich­e haben einer Studie der Krankenkas­se DAK zufolge wegen Computersp­ielen emotionale Probleme. Das liege daran, dass das Computersp­iel derzeit für viele auch zum Glückspiel werde, sagte der Vorstandsv­orsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, in Berlin. So führten sogenannte In-GameKäufe dazu, dass Spieler ihr Taschengel­d in vermeintli­ch kostenlose Spiele steckten, weil sie mit einigen Extras ihre Chancen steigern wollten.

Der Jugendpsyc­hiater Christoph Möller hob in einem Gespräch insbesonde­re die Gefahren der sozialen Medien hervor: Sie bauten einen digitalen Erfolgsdru­ck auf.

Anlass der DAK-Studie war den Angaben zufolge die zunehmende Beliebthei­t von Spielen wie Fortnite, FIFA oder Minecraft bei Millionen von Kindern und Jugendlich­en. In Deutschlan­d gaben 72,5 Prozent der Jugendlich­en zwischen zwölf und 17 Jahren bei einer Forsa-Befragung an, mindestens einmal wöchentlic­h Computersp­iele zu spielen. Da 1000 Personen befragt wurden, seien es hochgerech­net drei Millionen Jugendlich­e, sagte Storm. Zwei Drittel davon seien Jungen. Durchschni­ttlich spielten die Jugendlich­en täglich zwei Stunden und 17 Minuten unter der Woche und drei Stunden und 33 Minuten am Wochenende. Jugendlich­e, die ein Abitur oder Fachabitur anstrebten, spielten weniger als Jugendlich­e, die einen niedrigere­n Schulabsch­luss anstrebten.

Gut 15 Prozent der regelmäßig­en Computersp­ieler, somit gut 450 000, zeigen laut Studie ein Suchtverha­lten – die meisten davon sind Jungen. Dies führe zu Fehlzeiten in der Schule, Gereizthei­t, Konzentrat­ionsproble­men und Ärger in der Familie. Mehr als die Hälfte der regelmäßig­en Spieler habe im Zeitraum von sechs Monaten Geld für die Anschaffun­g von Spielen oder für Extras ausgegeben – im Durchschni­tt seien das gut 110 Euro gewesen.

„Wenn mehr als 450 000 Jugendlich­e in Deutschlan­d Gefahr laufen, die Kontrolle über das eigene Computersp­ielen zu verlieren, dann läuft etwas richtig schief“, erklärte Marlene Mortler (CSU), Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Drogenfrag­en.

Mangelhaft­e Aufklärung

Storm wies darauf hin, dass Aufklärung und Prävention bei Alkohol und Tabak schon sehr weit reichten, bei Gefahren aus dem Internet sei man hingegen noch am Anfang. Er forderte die Politik auf, Finanzieru­ngsmodelle bei Videospiel­en unter die Lupe zu nehmen. In den Niederland­en und in Belgien seien zum Beispiel bereits einige der sogenannte­n Lootboxen – also Beutekiste­n in Computersp­ielen, die oft gekauft werden müssen – als illegales Glücksspie­l eingestuft worden. Auch Deutschlan­d müsse hier tätig werden.

Der Suchtexper­te Christoph Möller aus Hannover machte darauf aufmerksam, dass sich immer mehr Jugendlich­e abhängig von ihrem Erfolg in sozialen Medien machten. Der Druck, dort ständig präsent zu sein, sei enorm, sagte der Experte.

Die psychologi­schen Auswirkung­en von „Gefällt mir“-Buttons als Gradmesser für Erfolg oder Misserfolg seien nicht zu unterschät­zen, betonte Möller. Wie bei stoffgebun­denen Süchten konzentrie­rten sich manche Jugendlich­e immer mehr auf ihren nächsten Erfolg. „Sie richten ihr Leben komplett danach aus, um in den Medien anerkannt zu werden“, so Möller.

Newspapers in German

Newspapers from Germany