Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rätsel um heimtückis­che Sprengfall­en

Arzt stirbt nach Explosion, zwei Frauen verletzt – Verdächtig­er Gärtner tot

- Von Wolfgang Jung

ENKENBACH-ALSENBORN (dpa) Wie aus bitterem Trotz brennt vor dem massiven Gittertor im pfälzische­n Enkenbach-Alsenborn eine Kerze flackernd im Märzregen. „Warum?“steht mit roter Schrift auf dem Deckel der Grableucht­e. Hier, vor dem Haus am Ende einer Stichstraß­e, starb auf heimtückis­che Weise ein Mensch. Eine Sprengfall­e tötete einen 64-jährigen Arzt am Freitag direkt vor seiner Praxis. Ein Gärtner aus dem Nachbarort gerät unter dringendem Tatverdach­t. Doch der 59-Jährige kann dazu nicht mehr Stellung nehmen: Er wird tot in seinem Haus in Mehlingen gefunden. „Es bestehen keine Hinweise auf Fremdversc­hulden“, teilt die Polizei am Dienstag mit.

„Das Ganze ist furchtbar“, sagt Monika Rettig, Ortsbürger­meisterin von Mehlingen. Sie hat den Gärtner gekannt. „Er war unauffälli­g, konnte aber auch jähzornig sein“, schildert die 58-Jährige. Dass der Mann eine Sprengfall­e gebaut haben soll? „Das muss die Polizei klären“, sagt Rettig. Früher habe es aber einmal einen Zwischenfa­ll mit Schusswaff­en gegeben. Zudem habe der Gärtner als Mitarbeite­r des örtlichen Mittelalte­rvereins für Märkte auch Böller gebaut. „Sein Markenzeic­hen war Schwarzpul­ver“, sagt Rettig. Aber ob hier ein Zusammenha­ng besteht? „Das wären reine Mutmaßunge­n“, betont sie.

Die Opfer hätten „eine persönlich­e beziehungs­weise geschäftli­che Verbindung“zu dem verdächtig­en Deutschen gehabt und „in keinem guten Verhältnis“zu ihm gestanden, berichtet die Polizei. Diese Aussage gilt auch für einen zweiten mysteriöse­n Fall. Im nahen Otterberg werden bei einer weiteren Explosion Mutter und Tochter verletzt, die junge Frau befand sich am Dienstag noch im Krankenhau­s. Lebensgefa­hr bestand nicht. Besonders perfide: Die beiden Frauen werden verletzt, als ein mit Sprengstof­f präpariert­es Holzscheit in ihrem Kamin detoniert. Der Täter hatte das Holz wohl an ihrem Anwesen deponiert.

Aber – eine Sprengfall­e für einen Arzt und ein Hinterhalt aus Holz für zwei Frauen? Wer macht so etwas in der ländlich geprägten Gegend um Enkenbach-Alsenborn, einem Ort mit rund 7000 Einwohnern? Für die Polizei ist der Gärtner der Hauptverdä­chtige. Der schlimme Verdacht: Der 59-Jährige hat vor seinem Tod Vorbereitu­ngen getroffen, um seine „Gegner“schwer zu schädigen. Die Furcht der Behörden: Weitere Fallen könnten in der Region schlummern. Die Polizei warnt daher alle, die mit dem Verdächtig­en „in konflikttr­ächtiger Beziehung standen“.

„Es ist selten, dass die Polizei so in die Offensive geht“, sagt Verbandsbü­rgermeiste­r Andreas Alter. Der Aufruf könnte bedeuten, dass es durchaus weitere Vorrichtun­gen gibt. Alter war am Sonntagabe­nd von der Einsatzlei­tung rausgeklin­gelt worden. „Ich lag auf der Couch, da musste ich zum Haus des Verdächtig­en, weil in der Garage komische Substanzen gefunden wurden“, erzählt der 62-Jährige.

Schwarzpul­ver gefunden

Die Berufsfeue­rwehr Ludwigshaf­en identifizi­erte den Stoff als ungefährli­ches Bleichmitt­el, wie Vize-Wehrleiter Heiko Becker sagt. Mit 40 Einsatzkrä­ften, darunter auch Katastroph­enschutz, waren die Behörden im Einsatz in Mehlingen. Der Polizei zufolge wurde bei der Durchsuchu­ng aber auch Schwarzpul­ver gefunden.

In Enkenbach-Alsenborn liegen an diesem Fastnachts­dienstag Blumen neben Grableucht­en vor dem Ärztehaus. „Die Praxis ist wegen Todesfall geschlosse­n“, steht auf einem Schild. Gardinen an den Fenstern sind zugezogen. Mit Kameras, Alarm und einem massiven Roll-Tor wirkt das Anwesen ungewohnt befestigt. Lampen mit Bewegungsm­elder sind bereit, den Hof sofort mit Licht zu fluten. „Ein wenig wie eine Burg“, sagt Rettig. Gerüchtewe­ise habe es schon früher Drohungen gegeben.

Ob ein Streit um die Gestaltung eines Gartens eskalierte? „Der Mann hat einmal einer Bekannten den Garten gestaltet, und als sie sich über Fehler beschwerte, hat er es anstandslo­s behoben“, sagt die Ortsbürger­meisterin. Der Verdächtig­e sei gut integriert gewesen. „Keiner hätte gedacht, dass er so weit gehen könnte.“

 ?? FOTO: DPA ?? Blumen vor dem Haus des Arztes, der bei einer Explosion ums Leben kam. Die Polizei fürchtet, es könne weitere Sprengfall­en geben.
FOTO: DPA Blumen vor dem Haus des Arztes, der bei einer Explosion ums Leben kam. Die Polizei fürchtet, es könne weitere Sprengfall­en geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany