Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Biedenkapp setzt „Rigoletto“in Bewegung
Wangener Stahlbau-Unternehmen hat für Bregenzer Festspiele das Hauptbauwerk gefertigt
WANGEN - Am 18. Juli feiert „Rigoletto“bei den Bregenzer Festspielen Premiere. Zum Hingucker auf der Seebühne dürfte dann ein voll funktionsfähiger Riesen-Kopf werden. Das Hauptbauteil für die Verdi-Oper hat erneut Biedenkapp Stahlbau aus Wangen gefertigt und damit ein weiteres Vorzeigeobjekt geschaffen.
Auf dem Anleger-Steg stehen fein säuberlich aufgereiht die drei Meter langen Finger der „Hand Lindau“. Arbeiter in einem Kahn unterstützen Taucher bei ihren Montagearbeiten unter Wasser. Ein Baukran lässt das beige Seitenteil eines Kopfes durch die Luft Richtung Bühne schweben, bis es auf der Unterkonstruktion montiert wird. Es ist Donnerstagvormittag, die Sonne setzt die Bühnenaufbauten in ein warmes Licht, und die Bregenzer Seebühne nimmt immer mehr Konturen an. Auf der Zuschauertribüne steht Biedenkapp-Prokurist Norbert Vötterl und beobachtet vor allem die Vorgänge rund um den riesigen Schädel, der an einem noch riesigeren Ausleger hängt: „Für uns ist das ein weiteres Referenzobjekt.“
Denn der Wangener StahlbauSpezialist hat sich bei den Bregenzer Festspielen längst einen Namen gemacht. 1999 fertigte Biedenkapp beim „Maskenball“das Skelett mit Buch, wenige Jahre später folgte die Fahrbahn für das bewegliche Haus in der „West Side Story“. 2007 war es das Hauptbühnenbild mit der großen Iris bei „Tosca“und 2013 dann der sich drehende Schildkrötenpanzer bei der „Zauberflöte“. Auch dieses Jahr zeichnet das Wangener Familienunternehmen für das Hauptbauteil auf der Seebühne verantwortlich: einen beweglichen, voll funktionsfähigen Kopf samt Wippe.
30 Meter lang, 80 Tonnen schwer
Er ist eines von vier Bauprojekten, welche die Festspiele für „Rigoletto“ausgeschrieben hatten: Darunter sind zwei Hände auf kleineren Seitenpodesten, die bereits zu großen Teilen zusammengebaut sind und deren Finger sich teilweise bewegen lassen. Schließlich der „Kragen“, dessen Stahl-Unterbau vorne in der Mitte Bühne und Wasseroberfläche verbindet. Auch bei diesem Bauteil war die Wangener Firma am Werk. Zentraler Bestandteil und damit Herzstück der Bühne ist jedoch der Kopf.
Für ihn laufen die Planungen bei Biedenkapp bereits seit rund einem Jahr. Im Sommer 2018 wurde das Stahlgerippe samt tragender Unterkonstruktion in der Produktionshalle auf dem Wangener Atzenberg erstmals zusammengebaut. Anschließend wurde der Kopf wieder in seine Einzelteile zerlegt, in eine Werft im österreichischen Hard gebracht und erneut zusammengesetzt. Dort wurden die sogenannten Kaschurteile montiert, also die sichtbare und aus Styropor, Holz und Putz gestaltete Oberfläche des insgesamt 30 Tonnen schweren Kopfes. Der wurde dieser Tage dann Teil für Teil mit dem Schiff nach Bregenz transportiert und vorne an die bereits Ende 2018 auf die Bühne gebaute Wippe montiert.
Das schwarz lackierte, insgesamt 80 Tonnen schwere Bauteil besteht unten aus einer Lastverteilungskonstruktion, einem Drehmodul mit Zahnkranz sowie aus einem dreieckigen Element, das den etwa 30 Meter langen Ausleger trägt und an dem ein großer Hydraulikzylinder angebracht ist. Mit diesem lässt sich der Kopf in die Höhe, theoretisch aber auch vorne ins Wasser bewegen. Weitere Zylinder ermöglichen horizontales und vertikales Schwenken, also quasi ein Nicken und ein „Kopfschütteln“. Für das gesamte Bewegungskonzept kooperiert Biedenkapp erneut mit der Steurer GmbH aus Doren. Zusammen mit dem österreichischen Seilbahn- und Spezialmaschinenbauer erweckt die Biedenkapp Stahlbau GmbH, die das Gesamtprojekt über ihre Vorarlberger Niederlassung abwickelt, so mit jeder Menge Hightech hinter dem Gesicht den Kopf zum Leben: Die Augen können sich öffnen und schließen, der Mund kann über einen beweglichen Unterkiefer „sprechen“.
„Das ist wohl technisch bislang das anspruchsvollste Bühnenbild“, sagt Norbert Vötterl: „Vor allem weil die unterschiedlichen Bewegungsformen der verschiedenen Elemente koordiniert werden müssen.“Das Premierenpublikum von „Rigoletto“am 18. Juli darf sich also bei der Inszenierung auch auf spektakuläre Effekte freuen – erneut „made in Wangen“.