Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Behördenaktionismus im Seegarten
Zum Abriss der Mauer im Seegarten:
Wie gut fühlt es sich doch an, endlich den fokussierten, tatkräftigen Willen der Behörden am Seegarten zu spüren, wenn es um den Abriss einer Mauer geht! Bagger, Bauzäune und ein nicht zu übersehendes Polizeiaufgebot zu Lande und zu Wasser jagen uns Staatsbürgern einen Schauer der Bewunderung über den Rücken. Vergessen sind Staatsverdrossenheit, Parteienlangeweile und Zukunftsängste. Unsere Behörden, genauer die schwarze Achse Regierungspräsidium, Landrat und örtliche CDU-Größen, haben bewiesen, dass sie handlungsfähig sind! Soll der grüne Ministerpräsident in Stuttgart doch denken, was er will.
Verschoben sind die Streitereien mit den Seeanliegern. Die Experten des RP konnten doch nicht ahnen, dass in einem Rechtsstaat ein Planfeststellungsbeschluss zur Uferrenaturierung nicht automatisch das Recht einschließt, Eingriffe auf privatem Grund zu sanktionieren. Vergessen ist der fragwürdige ökologische Nutzen der Maßnahme. Vergessen sind die ständigen Änderungen in der Ausführungsplanung (z. B. keine Aufschüttung im Osten), die immer nur dann konform mit dem Planfeststellungsbeschluss waren, wenn sie von den Behörden ausgingen.
Sicherlich gibt es auch eine (offizielle) Erklärung dafür, warum es dem Bürgermeister von Kressbronn nicht gelingt, sein Versprechen zu halten, nach dem die Uferrenaturierung als Ganzes verwirklicht und nicht auf öffentlichem Gelände (Seegarten) begonnen werden soll. Wenn man nicht dem formalistischen Denken von Behördenvertretern verhaftet ist, dann leuchtet es mitnichten ein, warum die Mauern vor dem Bodanwerftgelände kein ökologisches Problem darstellen und der Denkmalschutz gerade dort Vorrang haben soll. Welche großartigen Perspektiven werden sich künftig dem Kressbronner Regenwurm (lumbricus terrestris kressbronniensis) bieten, wenn die Verbindung mit dem Hinterland und die „Durchgängigkeit zwischen den aquatischen und terrestrischen Lebensräumen“(Originalton RP) hergestellt sein wird. Er muss nur aufpassen, dass er nicht abdriftet und gleich nebenan auf das Gelände des Bodan-Eventhotels mit seiner mehrgeschossigen Tiefgarage kommt.
Diese Demonstration staatlicher Macht erinnert eher an eine Gesinnung, wie sie zu Zeiten des Kaiserreiches gang und gäbe war und weniger an Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie von heute.
Hubert M. Schuh, Kressbronn